Grandios, fantastisch, verwegen: Hamburg
Ich lade Sie ein, mir nach Hamburg zu folgen. Genau genommen in die Elbphilharmonie. Blicken Sie mit mir über den Wiener Tellerrand hinaus. Es lohnt sich. Wien ist die Stadt der Musik, Hamburg gibt ihr den pompösen Rahmen dazu. Ich war schon via TV bei der Eröffnung des Kultur-Monsterbaus dabei. Dort musst du hin, sagte ich mir - und jetzt bin ich da.
Es ist noch viel großartiger, als ich gedacht habe. Und ja, in der weitläufigen „Musikbox“ muss ein Orchester der Premiumklasse spielen, das das Haus veredelt. Und ich war in einer solchen Weihestunde. Ich verwende das Wort „denkwürdig“ sehr selektiv, doch angesichts eines Konzertes des Bayrischen Rundfunk-Orchesters unter ihrem Chefdirigenten Mariss Jansons ist es wohl angebracht. Klangpracht von der ersten Note an, grenzenlose Harmonie zwischen den Musikern und dem Konzertprimus sieht und hört man nicht alle Tage. Das Können dieses exzellenten Ensembles ist Balsam auf der Haut eines Musikkenners.
Oft hörte ich schon Richard Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“. Selten klang es so, wie es klingen soll. Nämlich fein, in einem Brokatteppich verpackt, nicht aufdringlich - mal stürmisch, mal zurückhaltend. Es erinnert an Stanley Kubricks Kultfilm „Odyssee im Weltraum“. Der Sonnenaufgang signalisiert den Aufbruch der Menschheit. Damals wie heute bleibt die musikalische Untermalung des Lichtspiel-Streifens im Gedächtnis, obwohl viele (auch ich nicht) wissen, welche Entstehungsgeschichte dem vorausgegangen ist. Friedrich Nietzsches philosophischer Tiefenradius gab Richard Strauss die Vorlage für dieses Werk. Dass die Nationalsozialisten darin das Ideal der arischen „Herrenrasse“ sahen, ist die Tragödie der Geschichte.
Auch in Sergej Prokofjews Sinfonie Nr. 5 spielt die Politik eine zweifelhafte Rolle. Ohne Stalins Sanctus geschah nichts im russischen Kosmos. Die Vorzensur vieler Künstler trägt den Stempel des Despoten. Volkstümlich, heroisch sollte die Musik sein, den Soldaten und dem Volk Aufbruch und Siegeswillen vermitteln. Während Prokofjew an einer „Hymne auf den freien, glücklichen Menschen“ schrieb, drang bei der Uraufführung in Moskau Kriegslärm in den Saal. So wird das Loblied „auf seine gewaltige Kraft und seinen reinen, edlen Geist“ pervertiert.
Zurück in die Elbphilharmonie: Mariss Jansons vermag die gewaltigen Kräfte zu bündeln und anzuleiten, einen Klangteppich auszubreiten, wie es kaum ein anderer kann. Als Wiener freut es mich besonders, dass der Lette seine Ausbildung in der österreichischen Hauptstadt bekam. Nicht ohne Eigenlob präsentierte Herbert von Karajan den inzwischen 75-Jährigen als Produkt seiner musikalischen Werkstatt. Er hat es gut gelernt, gab aber seinem Dirigat eine besondere Note. Diese kann er in aller Welt und eben im Konzert in Hamburg einen gewaltigen Ausdruck verleihen. Ein Extralob ist den Blech- und Holzbläsern sowie den Schlagzeugern zu spenden. Ihr gewaltiger perfekter „Arbeitsaufwand“ wurde vom Publikum heftig akklamiert.
Der nicht endend wollende Jubel zwingt Mariss Jansons zu einer Zugabe mit Peter I. Tschaikowskys "Panorama aus Dornröschen / Ballett op. 66". Es ist ein Kontrapunkt zu den mächtigen, dröhnenden Werken. Leicht, leise, fast verhalten kommen die Töne vom Orchester - Qualität, die Bestform vermittelt.
Ich gehe freudig benommen aus einem Konzertsaal der Superlative mit dem Versprechen: Ich komme wieder!
Next: NDR Elbphilharmonie Orchester unter dem Dirigat von Krzysztof Urbański am Donnerstag, 22 März 2018.
Infos und Tickets: www.elbphilharmonie.de. Viel Glück, denn Karten sind rar.
Vor dem Portal https://www.viagogo.at wird gewarnt. Es geht im betrügerische Verkäufe für Konzerte.
Reinhard Hübl
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