Skandal um Maria Theresia Paradis: Die blinde Pianistin und ihr Wunderheiler
Der Arzt Franz Anton Mesmer gab der blinden Pianistin Maria Theresia Paradis in seiner Klinik in der Rasumofskygasse das Augenlicht zurück. Leider war der Erfolg nur von kurzer Dauer.
LANDSTRASSE. Zur neu errichteten Unternehmerzentrale der Post am Rochusmarkt gehört auch die angrenzende Telefonzentrale in der Rasumofskygasse 29, die sich aufgrund ihrer Art Deco-Fassade unter Denkmalschutz befindet. Für die Errichtung der Telefonzentrale musste das ehemalige Palais des Arztes Franz Anton Mesmer im Jahr 1920 abgerissen werden. Dabei wäre der Schutz des Denkmalsamts für das Mesmerpalais wichtiger gewesen: Der deutsche Arzt aus dem Schwabenland galt als großer Musikliebhaber und Mozarts Singspiel "Bastien und Bastienne" soll im Haus der Mesmers im Jahr 1768 uraufgeführt worden sein. Doch nicht nur die Wiener Musikwelt ging im Palais ein und aus sondern auch Mesmers Patienten: Zu dem Palais in der Rasumofskygasse 29 gehörte auch eine kleine Privatklinik samt wissenschaftlichem Laboratorium. Und diese Klinik war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Schauplatz eines handfesten Skandals, den der Wiener Historiker Georg Hamann in seinem Buch "50 x Wien wo es Geschichte schrieb" aufgreift.
Im Zentrum der Begebenheit steht die blinde Pianistin Maria Theresia Paradis, nach der eine Gasse im 19. Bezirk benannt wurde. "Ich bin um die Ecke der Paradisgasse aufgewachsen und habe die Geschichte der Pianistin von klein auf gekannt. Zu ihren Lebzeiten kannte jeder in Wien die Paradis - sie war eine hochbegabte und erfolgreiche Musikerin, die Konzerte in ganz Europa gab", erklärt Hamann, selbst ein großer Freund der klassischen Musik.
Im Alter von drei Jahren erblindet
So begabt und erfolgreich Paradis auch war, so tragisch ist ihre Kindheit: "Am Morgen des 9. Dezember 1762 erwachte die Dreijährige blind. Der Grund für die Erblindung ist nicht bekannt, die Mutmaßungen reichen von einer fehlgeschlagenen ärztlichen Behandlung bis zum Schock über einen nächtlichen Einbruch", erzählt Hamann. "Natürlich ließen die Eltern - der Vater war ein Hofbeamter der Kaiserin Maria Theresia - nichts unversucht, der Tochter das Augenlicht wieder zurück zu geben, doch keine Behandlung schlug an. Dafür machte die kleine Paradis als Pianistin Karriere und beeindruckte mit ihrem Talent sogar die namensgleiche Kaiserin, die ihr eine lebenslange Gnadenpension in der Höhe von 200 Gulden gewährte."
Das Leben der Künstlerin erfuhr 1777 eine Wendung, als sie sich in Behandlung bei Franz Anton Mesmer begab, der mit ungewöhnlichen magnetischen Kuren zwar Erfolge erzielte, aber auch als Wunderheiler verspottet und belächelt wurde. "Paradis wurde in Mesmers Klinik aufgenommen und konnte schon kurze Zeit später erste Lichteindrücke wahrnehmen. Danach konnte sie Konturen erkennen, wobei ihr die spitzen Nasen der Menschen angeblich Angst gemacht haben und sie lieber Hunde ansah", erzählt Hamann die Überlieferungen.
Nach Skandal wieder erblindet
Was wie ein Wunder klingt, überforderte die 18-Jährige. "Die Finger auf den Tasten zu sehen, irritierte sie ebenso wie Licht. Ihr Vater schrieb, dass Maria Theresia bei Annäherung an eine Kerze wie vom Blitz getroffen betäubt zu Boden fiel." Doch nicht nur die junge Patientin hatte mit Mesmers medizinischem Erfolg zu kämpfen, sondern auch der Arzt selber wurde immer heftiger von der Ärzteschaft angegriffen: Ihm wurde vorgeworfen, dass seine Magnetkuren Scharlatanerie seien und Paradis ihre Sehkraft nur vortäuscht, da sie in einem intimes Verhältnis zu ihm steht. Dieser Vorwurf änderte das gute Verhältnis zu Paradis´Eltern. Daraufhin spielten sich dramatische Szenen in der Rasumofskygasse ab. "Zuerst wollte Maria Theresias Mutter ihre Tochter aus Mesmers Haus holen. Es kam zu Handgreiflichkeiten und wurde geschrien. Kurze Zeit später tauchte Paradis´Vater mit dem Degen auf - er konnte entwaffnet werden und hat fluchend das Haus verlassen", schildert Hamann. "Diese Aufregung war der Patienetin zu viel, sie hat erbrochen, bekam Anfälle und letztendlich ist ihr Augenlicht wieder verschwunden. Sie kehrte zu ihren Eltern zurück - blind wie zuvor."
Auch für Mesmer hatte der Skandal unerfreuliche Folgen: Er ging nach der Trennung von seiner Frau nach Paris, wo er weiterhin mit seinen Magnetkuren behandelte. Nach Wien kehrte der Arzt 1793 zurück, wurde allerdings mit dem Verdacht, in Verbindung mit jakobinischen Verschwörern zu stehen, des Landes verwiesen. 1815 starb Mesmer in Deutschland, seine berühmteste Patientin 1824 als angesehene Pianistin und Musikpädagogin.
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