"Der Patient ist kein Kunde"

Der 62-jährige Klagenfurter Dušan Schlapper leitet seit 15 Jahren die Chirurgieabteilung im Landeskrankenhaus Wolfsberg
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petra.moerth@woche.at

WOCHE: Wie verbringen Sie für gewöhnlich den Sommer?
DUŠAN SCHLAPPER: Ich fahre jedes Jahr für 15, 16 Tage nach Istrien und lasse in meinem alten Fischerhaus die Seele baumeln. Manchmal habe ich auch Gedanken über die eigene Abteilung, über Fragestellungen, die ich nicht gelöst habe, die kann ich dort dann viel besser lösen. Und sonst widme ich mich ausschließlich dem Lesen von philosophischen Schriften und zeitgeschichtlichen Ereignissen.

Welche Bilanz ziehen Sie nach 15 Jahren als Leiter der Chirurgie des Landeskrankenhauses (LKH) Wolfsberg? Was würden Sie heute anders machen?
Ich würde heute gar nichts anders machen. Ich bin vom ehemaligen Direktor Hartwig Pogatschnigg, der mir den Auftrag erteilt hat, eine moderne Chirurgie, die nach den Prinzipien moderner Krebschirurgie organisiert ist, einzuleiten, in das Spital geholt worden. Und auch die sonstige Chirurgie mit ihren Techniken wie zum Beispiel die Operationen am Darm mit der Knopflochchirurgie haben wir ebenfalls 2001 eingeführt. Wir haben dann bei uns auch Kurse veranstaltet für andere Chirurgen aus verschiedenen Teilen Österreichs.

Krebs ist allgegenwärtig: Weiß man eigentlich schon genau, wodurch die Krankheit ausgelöst wird?
Es gibt viele Gründe, aber ich würde bei der Entstehung von Krebs drei Hauptgründe sehen: Es ist sicherlich von der Lebenshaltung und Ernährung abhängig, es ist von der Vererbung zum Teil abhängig und es ist natürlich auch von der toxischen Exposition abhängig. Ein Beispiel: Wer in einer Fabrik arbeitet und schädlichen Stoffen ausgesetzt ist, entwickelt an verschiedenen Organen leichter einen Krebs, z. B. Lunge, Blase, Magen, wenn diese Gifte regelmäßig chronisch in den Körper eindringen können.

Wie hoch fällt der Anteil der Krebsoperationen im LKH Wolfsberg im Vergleich zu anderen OPs aus?
In den letzten 15 Jahren haben die Krebs-OPs einen Großteil unserer Operationen ausgemacht.

Was operieren Sie und Ihre Kollegen sonst noch alles?
Ich habe beim Aufbau dieser Chirurgie in Wolfsberg immer das Ziel verfolgt, eine Spezialisierung durch Spezialisten zu entwickeln. Wir haben auf Mamma-, Varizen-, Schilddrüsen-, Enddarm- und Fettleibigkeitschirurgie spezialisierte Oberärzte im LKH Wolfsberg. Vor allem bei der Fettleibigkeitschirurgie ist es gelungen, diese in den letzten Jahren zentrumsmäßig in Kärnten zu etablieren. Wir sind derzeit quasi Marktführer in Kärnten. Dann ist noch eine ganze Palette an Operationen notwendig wie Leistenbrüche, Gallenblasenentfernung, etc., die von meinen Oberärzten nach den neuesten Methoden operiert werden. Meine Spezialisierung ist die Krebschirurgie im Bauchraum, die Schildrüsen- sowie Brustkrebschirurgie sowie Operationen des Enddarms.

Der Beruf des Chirurgen zwischen Leben und Tod ist sehr belastend. Wie gehen Sie mit dem Tod von Patienten um?
Das ist sicher jedes Mal eine Belastung, wenn der Chirurg sieht, dass er in fortgeschrittenem Krebsstadium operieren muss. Der Patient tut ihm leid, weil er nicht genau weiß, ob er durchkommen wird mit den Maßnahmen, die möglich sind, oder ob er eher eine schlechte Prognose haben wird und den Krebs dadurch nicht überleben wird. Das ist immer eine moralisch-ethische Depression für den Chirurgen, die ihn trifft, wenn er seinen Beruf wirklich ernst nimmt.

Was macht einen guten Chirurgen aus?
Ein guter Chirurg denkt wie ein guter Schachspieler. Er ist gedanklich immer zwei bis drei Schritte voraus. Und das vor und erst recht während der Operation. Dieser Leitsatz ist meinem Team in Fleisch und Blut übergegangen.

Sie haben vor fünf Jahren Ihre Ergebnisse präsentiert. Welches Echo gab es damals?
Wir haben vor fünf Jahren unsere Ergebnisse von der Magen-, Mastdarm- und Dickdarmchirurgie präsentiert. Daran haben auch namhafte Professoren aus Wien teilgenommen, die unsere Arbeit wohlwollend begleiten, und die uns auch gratuliert haben zu unseren Ergebnissen, die man überall, in Deutschland, in Frankreich, usw. herzeigen kann. Mir war es immer wichig, nicht Chirurgie zu betreiben, um Chirurgie zu betreiben, sondern um Chirurgie zu betreiben, um das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erreichen. Das ist auch eines meiner Leitmotive, dass auch meine Oberärzte kennen, und worauf ich sehr stolz bin, dass sie mit hoher Qualität und Sicherheit für den Patienten ihre Arbeit erledigen.

Wie hat sich das Wesen der Krankenhäuser in der Gegenwart verändert?
Natürlich haben wir alle gemeinsam gesehen, dass die Medizin immer mehr von den ökonomischen Ratschlägen und Forderungen beeinflusst ist, und man dagegen an und für sich, obwohl man es als Mediziner sieht, wenig tun kann. Bei der Neoliberalisierung der Medizin ist letztlich der Patient der Leidtragende. Damit bin ich nicht einverstanden. Obwohl man es von diesen ökonomistischen Managern immer wieder hört, dass durch die Rationalisierung die Qualität nicht fallen darf, fällt sie. Das ist von denen nur eine Aussage. Aber wir Mediziner sehen, dass die Qualität fällt, wenn Rationalisierung in einem Spital Eingang findet, weil wir den Patienten nicht mehr so versorgen können, wie es unserer Vorstellung entspricht.

Der Patient ist neuerdings quasi der Kunde, oder?
Das sind Begriffsvermischungen, die mir schwer zugänglich sind. Wenn die Konzernideologie ins Krankenhaus kommt, wird der Kunde zur Ware und die Ware wird nach dem Wert berechnet. Das sind rein ökonomische Überlegungen, die durchaus stimmig sein können, aber eben nur für den Ökonomen. Aber für uns Mediziner ist es doch wichtig, dass wir jeden Patienten, der kommt, nicht als Kunden sehen, sondern als jemanden, der Hilfe sucht, weil er erkrankt ist, und wir ihm diese Hilfe bieten können, für die er sein ganzes Leben eingezahlt hat. Das ist unsere moralisch-ethische Pflicht. Dass wir heute über gewisse Strukturmaßnahmen, die in den Krankenhäusern stattfinden, machtlos sind, ist auch zum Teil unsere eigene Schuld, weil wir zuschauen. Und durch das Zuschauen entstehen eigentlich immer die Entwicklungen, die man nicht haben will.

In zweieinhalb Jahren gehen Sie in Pension. Was werden Sie dann machen?
Teilweise ziehe ich sicher nach Istrien und werde dort dann weiterhin viel lesen. Ich werde mit Sicherheit die Entwicklung der Medizin und der Chirurgie im Speziellen verfolgen, begleiten und vielleicht auch manchmal meine Stimme erheben.

So mancher Lavanttaler nörgelt notorisch über die Qualität im heimischen Spital? Wie berechtigt ist das?
Das würde ich vielleicht nicht als Nörgeln, sondern als Kritik bezeichnen. Die ja durchaus angebracht ist, weil die Spitalseinheit nicht so groß ist, als dass die Bevölkerung überhaupt nicht mehr zur Kritik kommen kann. Wir nehmen diese Kritik ernst und verarbeiten sie als Selbstkritik. Wir versuchen in jedem Fall Bedacht drauf zu nehmen.

Wie entspannen Sie nach einem langen Arbeitstag?
In Ruhe. Man versucht den Gedanken der Sorge um den Patienten beiseite zu schieben, weil der Patient wird einerseits operiert, auf der anderen Seite weiß man aber nie, welche Gewebsheilung bei dem Patienten stattfindet, welche Immunreaktionen er zeigt. Das sind Faktoren, die zu einer Komplikation führen könnten und das belastet den Chirurgen zusätzlich. Diese Belastung ist für den Patienten nicht merkbar, aber als Chirurg trägt man sie mit sich und wird sie erst wieder los, wenn der Patient gesund nach Hause entlassen werden kann. Aber in der Zwischenzeit hat man schon wieder andere operiert und die trägt man dann auch mit sich. Man muss es mit mentaler Stärke schaffen, die Verantwortlichkeit des Begleitens des Patienten auf sich zu nehmen und sie erst dann wieder los zu lassen, wenn der Patient nachhause gegangen ist. Daran muss man sich gewöhnen.

Wie halten Sie sich fit? Welcher Sport ist der Ihre?
Ich mache keinen Sport. Ich bewege mich gerne in Parks und besuche für mein Leben gerne Kaffeehäuser. Dabei entspanne ich dann beim Zeitungslesen und Nachdenken.

ZUR SACHE:
Der 62-jährige aus Klagenfurt stammende Primar Dušan Schlapper leitet seit 15 Jahren die Chirurgie im Landeskrankenhaus (LKH) Wolfsberg.
Davor operierte er ganze 18 Jahre lang an der Seite seines Lehrers Professor Gerhard Jatzko im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in St. Veit/Glan.

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