"Heiße Würstel, Bier, Limonade"
Die Geschichte eines Selzthaler Unikums
Der Bahnhof Selzthal ist nicht nur unter Eisenbahnenthusiasten ein Begriff. Zählt er doch zu den wichtigsten Eisenbahnknoten des Landes, da sich hier die Rudolfsbahn, die Pyhrnbahn und die Ennstalbahn verbinden.
SELZTHAL. Mit der Verlängerung der Rudolfsbahn nach Selzthal 1872 begann gleichzeitig auch die Geschichte des Ortes selbst, denn mit dem Bahnhofsbau ließen sich im Gebiet des heutigen Ortes auch die Arbeiter und späteren Bahnbediensteten zum Wohnen nieder.
Wohlstand durch die Eisenbahn
Vor allem in den 1950-iger und 60-iger Jahren, die Älteren werden sich noch erinnern, war Selzthal ein Bahnknotenpunkt mit internationalem Publikumsverkehr. Der weitum bekannte Betreiber der Bahnhofsrestauration, die von vielen liebevoll nur „Resti“ genannt wurde, war ein gewisser Hugo Mocker. Und über Jahrzehnte hinweg wurde „der Mocker“ zum Synonym für oft legendäre Aufenthalte in Selzthal, wenn man seinen Anschlusszug verpasste oder zu später Stunde verpassen wollte. Auch viele Einheimische, vor allem Mädchen, gingen „beim Mocker“ in die Lehre.
Längerer Aufenthalt bedeutete mehr Gäste
Damals gab es im Bahnbetrieb noch keine Wendezüge, sodass man durchaus eine Stunde oder mehr Aufenthalt am Bahnhof einplanen musste, bis die Lokomotiven für die jeweilige Fahrtrichtung umgespannt wurden. So kam es automatisch zu einem großen Fahrgastaufkommen, die natürlich eine ausreichende Verköstigung der Wartenden Fahrgäste mit sich brachte.
Die "Würstlfrau" aus dem Archiv
Der gebürtige Selzthaler Engelbert Pickl, der genauso wie sein Vater begeisterter Hobbyfotograf ist, und den umfangreichen Fundus seines Vaters verwaltet, von dem es ob des professionellen Anspruchs zahlreiche Fotos auf Postkarten oder in die Zeitung geschafft haben, macht in seinem Archiv auf ein Unikum des Selzthaler Bahnhofs aufmerksam: Die „Würstelfrauen“.
Damit bezeichnete man augenzwinkernd die „Mocker-Damen“, die die ankommenden Gäste mit ihren Imbisswagen direkt am Bahnsteig bewirteten. Manche Züge hatten, wenn sie nicht „gestürzt“ wurden, also die Fahrtrichtung wechselten, nicht so lange Aufenthalt, dass sich ein Besuch der „Resti“ gelohnt hätte. Der legendäre Ruf „Bier, Limonade, Heiße Würstel“ ist vielen noch in nostalgischer Erinnerung.
Eine Zeitzeugin erinnert sich
Im Lauf der Jahre hatten einige Frauen diese Position inne. Eine der letzten, die sich noch daran erinnert, ist die Selzthalerin Gisela Schaumberger: „Früher war ja bei uns einiges mehr los als heute. Das Fahrgastaufkommen war ja enorm, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Da gab es sogar noch getrennte Restaurationsbereiche für die Erste und Zweite Klasse."
Andrang war riesengroß
Schaumberger berichtet weiter: "Zwischen diesen Bereichen war die Küche des Mocker untergebracht. Dort hatten wir unserer Stellfläche für die Imbisswagen. Da musste es natürlich schnell gehen, wenn ein Zug auf den Bahnsteig eingefahren ist. Die Würstel wurden in Töpfen mit heißem Wasser, die noch in der Küche frisch gekocht wurden, auf die Wagen gestellt. Das Bier kam gekühlt aus dem Eiskasten.
Freilich konnte es vorkommen, dass bei einem recht großen Andrang Bier und Würstel rasch zur Neige gingen oder uns das Wechselgeld ausging. Da konnte es durchaus passieren, dass wir mit dem extra Bier und Wechselgeld in der Hand dem ausfahrenden Zug hinterherlaufen mussten, wenn es nicht schnell genug ging“, erinnert sich Gisela Schaumberger mit einem Schmunzeln an die alte Zeit zurück.
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