Menschen im Gespräch
Strategien zur Angstbewältigung von Expertin Sabrina Fleisch

Angst- und Stressbewältigungstrainerin Sabrina Fleisch berät diese Woche kostenlos. | Foto: privat
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Wir haben mit Angst- und Stressbewältigungstrainerin und Autorin Sabrina Fleisch darüber gesprochen, wie man mit der eigenen Angst am besten umgeht und welche positiven Seiten die aktuelle Situation auch haben kann.

LINZ. In Einzelcoaching berät Angst- und Stressbewältigungstrainerin Sabine Fleisch normalerweise Menschen zu Burnout, Angststörungen und Panik. Außerdem leitet sie das Nachhilfeinstitut "Lernwerkstatt" und unterstützt Schüler bei Prüfungsangst und dem Aufbau von Selbstvertrauen. Diese Woche stellt sie ihren Klienten ihre Hilfe  kostenlos für Beratungen per Mail zur Verfügung.

Ist es normal jetzt Angst zu haben?
Sabrina Fleisch: Wenn wir über Angst sprechen, müssen wir zuerst einmal erklären, was Angst ist. Angst (und auch Stress) sind biologisch sinnvolle Reaktionen des Körpers, um sich zu schützen. Die Augen weiten sich, damit wir in dunklen Straßen nichts übersehen. Die Muskeln spannen sich an, damit wir Höchstleistungen bringen können. Der Körper bereitet sich vor, auf die Bedrohung zu reagieren. Der Auslöser ist heute allerdings keine reale Bedrohung, heutzutage steht kein Mammut oder Tiger vor uns, der diese Reaktion rechtfertigen lässt.

Es sind also unsere Gedanken, die nicht im Hier und Jetzt sind, sondern in der Zukunft, bei einem Worst-Case-Szenario. Angst entsteht aufgrund einer Vorstellung der Zukunft, einer möglichen bedrohlichen Situation. Nur lösen diese Gedanken jetzt die dazu passenden Gefühle und körperliche Reaktionen aus. Das bedeutet, wir entscheiden uns jetzt zu leiden, obwohl wir das nicht müssen, da wir nicht wissen, ob dieses schreckliche Zukunftsszenario überhaupt eintritt.

Die vorherrschende Angst ist normal, denn diese sogenannte evolutionäre Angst ist angeboren und sichert das Überleben. Jedoch sollten wir uns fragen, wie bedroht unser Überleben wirklich ist. Ist meine Reaktion gerechtfertigt? Habe ich wirklich Angst zu verhungern, zu sterben? Ist dieser Gedanke zu hundert Prozent richtig?

Wie äußern sich diese Ängste?
Redensarten treffen es sehr gut: Einen Kloß im Hals haben, einen Stein im Magen haben, etwas lastet auf den Schultern, die Nase voll haben … .  Die Reaktionen der Menschen sind unterschiedlich: Eine Bekannte von mir hat heulend angerufen, weil ihre Existenz bedroht ist, da sie ihren Lebensunterhalt mit einem Café verdient. Ein Mann schrieb mir, er möchte unbedingt reden, er dreht durch alleine zu Hause und er zahlt, was ich möchte. Eine sportliche Dame schrieb mir, sie habe panische Angst dick zu werden und zu sterben, weil sie kein Gemüse und keine gesunden Lebensmittel mehr findet.

Was kann man zur Bewältigung tun?
Angst und auch Stress entsteht im Kopf. Unsere Gedanken lösen Gefühle aus und resultieren dann im Verhalten sowie in nach außen sichtbaren körperlichen Reaktionen. Das heißt wir können mit Entspannungsübungen kurzfristig unseren Körper in einen Ruhezustand versetzen. Yoga, Atemübungen, Meditation, progressive Muskelentspannung, ein Spaziergang oder ein heißes Bad helfen dabei.

Jedoch muss an der Ursache, unseren Einstellungen und Glaubenssätze gearbeitet werden, um nicht immer wieder in alte Reiz-Reaktions-Muster zu verfallen. Gedanken wie: ich werde sterben, die Welt geht unter, ich bin eingesperrt, mein Unternehmen geht bankrott, sind der Grund für Gefühle wie Angst, Beklemmung, Hilflosigkeit und lösen Verhalten aus wie Hamsterkäufe, Rücksichtslosigkeit, Egoismus bis hin zu Panikattacken, Raub und Gewalt.

Der erste Schritt ist, sich diesen Gedanken, die das weiter auslösen, bewusst zu werden. Hier empfiehlt es sich fünf Minuten lang, ohne den Stift abzulegen, durchzuschreiben. Alles, was einem in den Sinn kommt. Hier werden viele vorbewusste Gedanken sichtbar. Auf Papier diese Gedanken zu betrachten macht einem erst bewusst, was in einem vorgeht. Danach muss man diese kritisch hinterfragen: Ist dieser Gedanke hilfreich? Ist er zu hundert Prozent wahr? Mindestens drei Gründe dagegen finden. Wie lautet ein alternativer, hilfreicher Gedanke?

Wie kann man möglichst positiv mit der Situation umgehen?
Diese Zeit der Isolation kann auch genutzt werden und ist für viele eine nötige Entschleunigung. Eine Liste anzufertigen, mit Dingen, die man immer machen wollte, aber sich nie die Zeit genommen hat, hilft.

Intensive Gespräche mit dem Partner, für die man nie Zeit gefunden hat. Endlich ohne Ablenkung ein Buch lesen. Wieder die alten Brettspiele und Puzzles auszupacken, einen Handstand lernen, den Kleiderkasten ausmisten, sich in Yoga zu versuchen oder Serviettenblumen basteln. Alleine beim Denken an schöne Aktivitäten werden Endorphine freigesetzt. Hierzu habe ich in meinem Buch auch 200 Aktivitäten, die als positiv anregend gelten.

Wie soll man sich in Bezug auf Medien verhalten – Abschotten oder Informieren?
Leider bleibt es uns nicht aus, die Medien zu verfolgen, da fast stündlich neue Anweisungen von der Regierung kommen. Jedoch kursieren viele Gerüchte im Netz, die die Panik schüren und keinerlei Wahrheitswert haben. Ich rate, die Zeit bewusst zu reduzieren, nicht öfters als ein bis zweimal am Tag zum Thema zu recherchieren, nachzulesen und dann auch nur gezielt, auf vertrauenswürdigen Internetseiten. Alles andere lässt uns nur unnötig ängstigen.

Was rate ich einem Angehörigen oder Freund, der unter Angst leidet?
Für Menschen, die allgemein sensibel sind und unter Ängsten, Depressionen oder anderen psychosomatische Störungen leiden, ist diese Situation ein negativer Verstärker. Hier sollte man unbedingt zum Telefon greifen, mit Freunden und Familie sprechen oder Seelsorger-Hotlines kontaktieren. Ich selbst habe angeboten, kostenlos in dieser Woche zu beraten und mich haben innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Nachrichten mit dutzenden von Fragen erreicht. 

Wie erkläre ich meinem Kind die Situation?
Mit Ehrlichkeit. Ehrlich sein, dem Kind die Situation erklären, sich Fragen stellen lassen und diese beantworten. Das Wichtigste dabei, selbst stark zu sein und ein Vorbild. Wenn die Erwachsenen starke Angst zeigen, verzweifeln und zusammenbrechen, dann sind Kinder ängstlich. Solange sie eine Bezugsperson haben, die ihnen Sicherheit gibt, geht es den Kindern gut.

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