Story der Woche
"Ein gutes Gespräch kann vieles verändern"

Die TelefonSeelsorge OÖ bietet Unterstützung in Form von Telefongesprächen, E-Mails und Sofortchat. | Foto: Petro Feketa/Fotolia
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  • Die TelefonSeelsorge OÖ bietet Unterstützung in Form von Telefongesprächen, E-Mails und Sofortchat.
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Überforderung, Angst, Schlafprobleme und Einsamkeit – die Corona-Krise wirkt sich vor allem negativ auf die Psyche aus. Etwa jeder zweite Anruf bei der TelefonSeelsorge OÖ steht derzeit in Zusammenhang mit der Pandemie. Wir haben mit zwei Expertinnen gesprochen, was die Menschen beschäftigt und was jeder selbst für sich tun kann.

LINZ. Ein erneuter Lockdown, wie soll ich das bloß überstehen?“ – „Im Frühling ging es ja noch, aber jetzt habe ich einfach keine Kraft mehr. Und dann auch noch das trübe Wetter …“ – „Ich weiß wirklich nicht, wie sie sich das vorstellen! Kinder, Homeoffice, keine Hilfe von außen und kein Ende in Sicht. Mir ist zum Heulen.“ So und ähnlich klingen derzeit die Beratungsgespräche bei der TelefonSeelsorge OÖ. Meist geht es darin um den neuerlichen Lockdown und seine Auswirkungen auf Berufs- und Privatleben. Einsamkeit.

Jeder zweite Anruf dreht sich um Corona

"Belastungen werden grundsätzlich individuell unterschiedlich erlebt. Wir nehmen wahr, dass aber auch für psychisch stabile und gesunde Menschen die Pandemie zunehmend zum Problem wird", berichtet Silvia Breitwieser, Psychotherapeutin und Leiterin der TelefonseelSorge OÖ. Etwa jeder zweite Anruf bei der TelefonSeelsorge seht in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Auch bei der Oö. Clearingstelle für Psychotherapie merkt man jetzt im zweiten Lockdown einen deutlichen Anstieg des Bedarfs an Beratungsangeboten. "Die Menschen stehen tagsüber unter deutlich mehr Stress und leiden nachts an Schlafstörungen. Ängste und Sorgen können dann recht quälend sein", sagt auch Heidrun Eichberger-Heckmann, die den Bereich Psychotherapie bei Proges leitet.

Silvia Breitwieser leitet die TelefonSeelsorge in OÖ. Derzeit dreht sich dort fast jeder zweite Anruf rund um die Corona-Pandemie. | Foto: TelefonSeelsorge OÖ
  • Silvia Breitwieser leitet die TelefonSeelsorge in OÖ. Derzeit dreht sich dort fast jeder zweite Anruf rund um die Corona-Pandemie.
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Auch jüngere Menschen betroffen

Betroffen sind laut den beiden Expertinnen vor allem Alleinerziehende, ältere oder alleinstehende Personen und pflegende Angehörige. Aber auch jüngere Menschen leiden unter den Auswirkungen der Corona-Krise. "Kinder und Jugendliche sind durch den Verlust ihrer Alltagsstruktur Schule und durch deutliche reduzierte Kontakte mit Gleichaltrigen ebenfalls sehr belastet", so Eichberger-Heckmann. Auch an die  Telefonseelsorge OÖ wenden sich verstärkt junge Menschen, besonders in der Chat-Beratung. "Viele junge Menschen stehen eigentlich in einer Phase, wo Zukunft und Lebenspläne eine große Rolle spielen. Die aktuelle Situation führt dazu, dass die Zukunft schwerer planbar ist", so Breitwieser.

Belastung durch Home Office und Home Schooling

Auch die zusätzliche Belastung durch Home Office und Home Schooling sei nicht zu unterschätzen. "Das eigene Büro und Schulklassen über digitale Medien permanent im eigenen Zuhause zu haben, bringt für viele Probleme bei der klaren Abgrenzung von einzelnen Lebensbereichen", sagt Eichberger-Heckmann. Erschöpfungs- und depressiven Zustände, Ängste, Schlafstörungen oder vermehrte Konflikte sind laut den beiden Expertinnen die Reaktionen auf die derzeitige Situation. Zudem birgt die Dauerbelastung das Risiko, dass Menschen andere für ihre Gesundheit schädliche Bewältigungsstrategien anwenden, wie Alkohol- oder Drogenkonsum. 

"Das eigene Büro und Schulklassen über digitale Medien permanent im eigenen Zuhause zu haben, bringt für viele Probleme bei der klaren Abgrenzung von einzelnen Lebensbereichen", weiß Heidrun Eichberger-Heckmann, die den Fachbereich Psychotherapie bei Proges leitet.  | Foto: Sarah Katharina
  • "Das eigene Büro und Schulklassen über digitale Medien permanent im eigenen Zuhause zu haben, bringt für viele Probleme bei der klaren Abgrenzung von einzelnen Lebensbereichen", weiß Heidrun Eichberger-Heckmann, die den Fachbereich Psychotherapie bei Proges leitet.
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Das raten die Expertinnen

"Wir sollten versuchen, uns vorhandene Ressourcen einzuteilen", rät Eichberger-Heckmann. Die eigenen Grenzen erkennen, sich nicht zu hundert Prozent zu verausgaben und mit sich und anderen nachsichtiger zu sein sei empfehlenswert. Ausreichend schlafen, Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen sowie Bewegung an der frischen Luft wirken sich positiv auf die psychische Gesundheit aus. Eine feste Tagesstruktur sei ebenfalls wichtig ergänzt Breitwieser: "Eine Struktur nimmt uns Unsicherheit, sie vermittelt uns Sicherheit und hilft gegen Chaos." Mit Planung könne Kontrolle zurückerlangt werden. "Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht werden weniger", so die Expertin. Außerdem sollte man seinen Medienkonsum bewusst zeitlich begrenzen und auch in den Sozialen Netzwerken auf einschlägige Gruppen oder Chats eher verzichte.

Ein Gespräch kann vieles verändern

Wer das Gefühl hat, es alleine nicht zu schaffen, sollte nicht zögern und Unterstützungsangebote nutzen. Die TelefonSeelsorge OberösterreichNotruf 142 ist an allen Tagen des Jahres rund um die Uhr, vertraulich und kostenlos erreichbar. Als erste Anlaufstelle für alle, die psychotherapeutische Beratung in Anspruch nehmen wollen, steht auch die Clearingstelle für Psychotherapie online rund um die Uhr zur verfügung.

Sieben Tipps, wie Sie in Krisenzeiten gut für sich sorgen

Eigene Bedürfnisse wahrnehmen und akzeptieren
Hilfreiche Fragen dabei sind beispielsweise: Wie geht es mir in diesem Moment? Wie fühle ich mich? Was tut mir jetzt gut? Es gilt, einen achtsamen Blick auf sich selbst und den eigenen Körper zu entwickeln und zu spüren, was gebraucht wird. 

Feste Strukturen etablieren
Routine gibt Kontrolle über das eigene Leben. Zudem bekommen die Tage Struktur, wenn sie mit guten Gewohnheiten gefüllt werden. Ein täglicher Spaziergang oder ein Nachmittagskaffee mit einer süßen Kleinigkeit können gute Rituale sein, auf die man sich freut. Wichtig ist es, die Tage zu planen. Tägliche Fixpunkte sollten neben Homeoffice und etwaiger Kinderbetreuung Bewegung, sozialer Austausch, kurze Entspannungsrituale, Mahlzeiten und geregelte Schlafenszeiten sein.

Bewegung an der frischen Luft, gesunde Ernährung, geringer Alkoholkonsum
Körperliche und psychische Gesundheit sind eng miteinander verwoben. Ein gesunder Körper kann widrigen Lebenssituationen besser standhalten als ein geschwächter. Achten Sie auf ausgewogene, vitaminreiche Ernährung. Begrenzen Sie den Konsum von zuckerhaltigen Getränken, Kaffee oder Alkohol. Sie brauchen Ihren Körper, achten Sie ihn und gehen Sie liebevoll mit ihm um. 

Ausreichend schlafen
Gehen Sie möglichst immer zur selben Zeit ins Bett. Lassen Sie Smartphone, Tablet, Fernsehen und alles, was mit Corona zu tun hat, vor der Schlafzimmertür zurück.

Kontrolle behalten
Wenn wir uns überfordert und hilflos fühlen, ist es gut, sich mit den Dingen zu beschäftigen, über die wir Kontrolle haben können: unsere Gedanken, unsere Gewohnheiten und die Gestaltung unseres Alltags. Wir spüren unsere Selbstwirksamkeit und merken, dass wir viele Dinge gut im Griff haben. Das gibt Kraft und ermutigt.

Grübeln nur in Maßen
Es erfordert etwas Übung, nicht in der Gedankenspirale hängenzubleiben. Probieren Sie, das Grübeln ganz konkret zu benennen: „Jetzt grüble ich und bin nicht mehr im Hier und Jetzt!“ Versuchen Sie dann, die Gedanken ziehen zu lassen, oder denken Sie bewusst an etwas anderes. Hilfreich kann auch sein, sich jeden Tag um eine bestimmte Uhrzeit 10 Minuten fürs Grübeln zu nehmen. 

Mit sich selbst liebevoll und dankbar umgehen
Versuchen Sie, Gutes bewusst wahrzunehmen. Notieren Sie am Ende jeden Tages bis zu vier Dinge, für die Sie dankbar sind. Schreiben Sie auch auf, was Ihnen heute gut gelungen ist und worüber Sie sich gefreut haben. So lassen Sie den Tag mit einer positiven Stimmung ausklingen und konzentrieren sich auf Ihre Stärken sowie auf Aktivitäten und Menschen, die Ihnen guttun.

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