Pressekonferenz Oö. Naturschutzgesetznovelle am 15.1.2019

© Naturschutzbund OÖ.

Oö. Natur- und Landschaftsschutzrechtsnovelle 2019 - Gesetzeslawine im Anrollen – höchste Warnstufe für die Natur

Ein Naturschutzgesetz, das sich gegen die Natur richtet. Was klingt wie ein schlechter Scherz, soll in Oberösterreich schon bald Wirklichkeit werden! Geht es nach den Vorstellungen der politisch Verantwortlichen, dann sollen unter dem Deckmantel der Deregulierung künftig zahlreiche Bewilligungspflichten wegfallen. Gleichzeitig nimmt man der Natur ihre Stimme, indem die Kompetenzen der Umweltanwaltschaft eingeschränkt und den Umweltorganisationen im Gegenzug Rechte zuerkannt werden, die sich als nicht praxistauglich erweisen.

All das in Zeiten, in denen der Wirtschaftsmotor nur so brummt und die Agrar- und Forstindustrie der Natur gehörig zusetzt. Tiere und Pflanzen geraten in Not und sterben aus. Reizvolle Kultur- und Naturlandschaften werden unwiederbringlich zerstört. Den Preis dafür zahlen die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher, denn ihnen raubt man ein Stück Lebensqualität.

Was die Politik dazu veranlasst hat, sich mit dieser Gesetzesnovelle gegen die Natur zu stellen, ist unverständlich. Woher die Zurufe kamen, wird nicht preisgegeben. Die Meinung der Bevölkerung scheint jedenfalls nicht wichtig zu sein. Sie werden Opfer der Begehrlichkeiten einiger Weniger. Denn 97 % der österreichischen Bevölkerung meinen, der Mensch müsse für die Natur Verantwortung übernehmen und 83 % stimmen zu, dass bestehende Naturschutzvorschriften verschärft werden müssen! Doch solchen Umfrageergebnissen (Special Eurobarometer 436, Oktober 2015) wird kein Gehör geschenkt.

Weg mit den Bewilligungspflichten!
Die bislang notwendige naturschutzrechtliche Bewilligung für den Bau von Forststraßen soll bis auf wenige Ausnahmen entfallen. Die weitere Walderschließung wird dann ausschließlich nach technisch-forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. Die Auswirkungen auf Naturhaushalt und Landschaftsbild bleiben hinkünftig unberücksichtigt. Dabei war gerade die naturschutzfachliche Trassenoptimierung wesentlich dafür verantwortlich, dass die Eingriffsauswirkungen reduziert werden konnten. Nur in wirklich gerechtfertigten Ausnahmefällen wurde keine Naturschutzgenehmigung erteilt.

Das gesamte Forstwegenetz Oberösterreichs misst bereits jetzt rund 36.000 Kilometer und ist damit eines der dichtesten in Europa. Anstatt Regelungen aufzustellen, wie der Wald als Lebensraum nachhaltig genutzt werden kann, treibt man die forstwirtschaftliche Intensivierung an die Spitze und macht sich daran, ohne Rücksicht auf die Natur auch in die abgelegensten Winkel vorzudringen.

Die großflächige Entwässerung all jener Flächen, die keinen besonderen Schutzstatus aufweisen, soll ebenfalls künftig bewilligungsfrei sein. Nichts scheint mehr in Erinnerung vom Dürresommer 2018, der nicht nur geprägt war von Ernteausfällen und Ertragseinbußen, sondern in dem auch unzählige Hausbrunnen trocken gefallen waren. Und es wird angesichts der enormen Schneemengen der letzten Wochen im Gegenzug nicht lange dauern, bis die nächste Hochwasserkatastrophe übers Land zieht, weil die entwässerten Böden ihre regulierende Funktion im Wasserhaushalt verloren haben.

Anstatt die offensichtlichen Zeichen richtig zu deuten und angemessen zu reagieren, wird die Situation weiter verschärft und es werden Unsummen an Steuergeldern vernichtet.

Wo bleibt der Landschaftsschutz?
Auch die Natur- und Landschaftsschutzbereiche entlang von Seen, Flüssen und Bächen bleiben von der Novelle nicht verschont. Man darf sich die berechtigte Frage stellen, ob angesichts der geplanten tiefgreifenden naturschutzrechtlichen Änderungen das Naturschutzgesetz seinem Namen überhaupt noch gerecht werden kann. Wie soll die Vielfalt und Eigenart, die Schönheit und der Erholungswert der Landschaft geschützt werden, wenn neben dem Forststraßenbau und den Flächenentwässerungen auch Anschüttungen und Abgrabungen ebenso wie Versiegelungen im Umfeld von Gewässern kein Thema mehr für den Naturschutz sind? Und anstatt ernstgemeinte Anreize zu schaffen, die häufig so besonders reizvollen gewässerbegleitenden Kulturlandschaften offen zu halten, wird zudem auch die Neuaufforstung bewilligungsfrei gestellt.

Einfalt ersetzt Vielfalt – und ein von verfehlter Raumordnungspolitik ohnehin schon gebeuteltes Oberösterreich verliert damit ein weiteres Stück seiner landschaftlichen Identität.

Der Oö. Umweltanwaltschaft einen Maulkorb verpassen
Dass die OÖ. Umweltanwaltschaft ihrer Verpflichtung nachkommt, in Bewilligungsverfahren die öffentlichen Interessen am Natur- und Landschaftsschutz zu vertreten, wird nicht gewürdigt und soll sanktioniert werden.

Die erst mit der letzten Naturschutzgesetznovelle zuerkannte Parteistellung der Umweltanwaltschaft in Artenschutzverfahren wird kurzerhand wieder gestrichen. Ebenso entfallen soll die Parteistellung in Verfahren, die auf Unionsrecht begründen. Die europaweit gültige Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und die Vogelschutzrichtlinie wird für den „Anwalt der Natur“ totes Recht.

Der Einsatz der OÖ. Umweltanwaltschaft zum Wohle der Natur und zur Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen scheint sich nun zu rächen, wenn die politischen EntscheidungsträgerInnen sie von Naturverträglichkeitsprüfungsverfahren künftig ausschließen möchten. Gerade in diesem Bereich konnte die Umweltanwaltschaft wichtige Akzente im Sinne der Rechtssicherheit ergangener behördlicher Entscheidungen setzen. Anstatt ihr dafür dankbar zu sein, macht man sie mundtot!

Umweltorganisationen an der kurzen Leine halten
Die Aarhus-Konvention erfordert eine europa- und völkerrechtlich zwingende Beiziehung der Öffentlichkeit in Umweltverfahren. Umweltorganisationen als sogenannte betroffene Öffentlichkeit soll daher eine Beteiligungsmöglichkeit bei Naturverträglichkeitsprüfungen in Europaschutzgebieten und ein Beschwerderecht bei Artenschutzverfahren von unionsrechtlich geschützten Tier- und Pflanzenarten gewährt werden. Im Gegenzug wird der Oö. Umweltanwaltschaft die Parteistellung aberkannt. Diese Beteiligtenstellung von Umweltorganisationen ist jedoch kein gleichwertiges Pendant zur Parteistellung der Umweltanwaltschaft.

Denn anerkannten Umweltorganisationen soll lediglich die Stellungnahmemöglichkeit zu einem verfahrenseinleitenden Akt sowie Akteneinsicht gewährt werden, eine echte Verfahrensbeteiligung mit voller Parteistellung ist nicht vorgesehen. Entscheidende Sach- und Rechtsfragen können somit erst in den Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht abgeklärt werden, was die Rechtsunsicherheit von Behördenentscheidungen und Verfahrensverzögerungen geradezu provoziert.

Im Wissen, dass Umweltorganisationen nicht über die personelle und finanzielle Ausstattung verfügen, sich in der erforderlichen Intensität an umweltrelevanten Verfahren zu beteiligen, überträgt man ihnen die alleinige Last, das öffentliche Interesse am unionsrechtlichen Natur- und Artenschutz zu verteidigen. Indem man den Zugang zu Informationen umständlich gestaltet und sie weiterhin bei anderen naturschutzrelevanten Entscheidungen ausschließt, legt man ihnen zusätzlich Steine in den Weg.

Die schwierige Aufgabe, dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz in Oberösterreich eine Stimme zu geben, kann nur gelingen, wenn die Oö. Umweltanwaltschaft nicht weiter geschwächt und den Umweltorganisationen gleichzeitig eine volle Parteistellung zuerkannt wird.

Wem also nützt diese Naturschutzgesetznovelle?
Durch Deregulierung sollen komplizierte Gesetze vereinfacht und unnötige Bestimmungen abgeschafft werden. Dieses wirtschaftspolitische Konzept soll nun auch im Naturschutzrecht Platz greifen. Weil der Naturschutz der Wirtschaft nicht im Weg stehen darf.

Dass der Natur- und Landschaftsschutz in Oberösterreich durch die geplanten Änderungen einen großen Schaden erleiden wird, steht außer Zweifel. Doch bringt die Novelle wenigstens die erhoffte Entlastung für die Verwaltung und die Wirtschaft? Wohl kaum!

Ein einfacher Zugang zu Umweltinformationen für die Öffentlichkeit wird weiter verwehrt. Die Möglichkeiten, sich an umweltrelevanten Verfahren und Entscheidungen zu beteiligen, entsprechen bei Weitem nicht den Vorgaben der Aarhus-Konvention. Die Rechtssicherheit behördlicher Entscheidungen darf dann guten Grundes angezweifelt werden. Erteilte Genehmigungen aufgrund von Verfahrensmängeln werden aufgehoben, was im besten Fall zu einer Verzögerung führt. Das Instrument der Umwelthaftungsklage wird an Bedeutung gewinnen und Behörden und KonsenswerberInnen gleichsam in rechtliche und finanzielle Schwierigkeiten bringen.

Darüber scheint man sich jedoch bislang keine Gedanken gemacht zu haben.

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