Neues Wohnmodell: Weniger Miete, dafür mehr Rechte

Die Mitglieder des Kollektivs Willy*Fred. Benannt ist die Gruppe nach einer Widerstandsgruppe im Salzkammergut während der NS-Zeit. | Foto: Willy*Fred
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  • Die Mitglieder des Kollektivs Willy*Fred. Benannt ist die Gruppe nach einer Widerstandsgruppe im Salzkammergut während der NS-Zeit.
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"Wir sehen Wohnen nicht als Luxus, sondern als Menschenrecht." Daher haben sich 13 Linzer zum Kollektiv Willy*Fred zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie ein mehrgeschossiges Wohnhaus am Linzer Graben freikaufen. Künftig soll es nicht mehr privat Profit erwirtschaften, sondern günstige Mieten und selbstverwaltetes Wohnen ermöglichen. "Das Haus soll den Bewohnern zur Verfügung stehen, ohne dass die Mieten steigen oder sich jemand am Projekt bereichern kann", sagt Gründungsmitglied Elisabeth Ertl. Dafür wurde der Dachverband habiTAT gegründet. Dieser lehnt sich an das deutsche Mietshäusersyndikat an, durch das in den vergangenen 20 Jahren rund hundert selbstorganisierte und sozialgebundene Mietshausprojekte entstanden sind.

Zusammenleben selbst organisieren

habiTAT hat die Struktur des Syndikats auf den österreichischen Rechtsraum übertragen. Willy*Fred ist nun das erste Projekt in Österreich. Das Haus am Graben bietet Platz für 30 bis 40 Personen, ein Großteil ist jedoch bereits vermietet. Der Rest stand bisher leer. "Die derzeitigen Mieter sollen in das Projekt integriert werden. Bisher reagieren alle sehr positiv. Sie freuen sich, dass etwas weitergeht und sich alle Gedanken machen, wie das Leben im Haus besser werden kann", so Florian Humer, ebenfalls Gründungsmitglied. Das Zusammenleben im Haus wird selbst organisiert. "In normalen Genossenschaftsbauten haben Mieter kaum Mitspracherecht. Die Vorschriften reichen bis zur Farbe des Sichtschutzes, den man am Balkon anbringen darf. Dabei sollen alle die Möglichkeit haben über die Art, wie sie wohnen, mitbestimmen zu können. Auch wenn sie nicht so viel Geld haben", sagt Humer. Einmal in der Woche kann jeder Mieter im Plenum Wünsche und Bedürfnisse äußern, die dann gemeinsam diskutiert werden. "Man muss natürlich schon bereit sein, Kompromisse zu schließen", so Humer.

Kredite von privaten Investoren

Um das Haus übernehmen zu können, sind drei Millionen Euro nötig. Zwei Millionen kommen von der Bank. "Um günstige Mieten gewährleisten zu können, holen wir uns einen Teil des Geldes von Privatpersonen", sagt Ertl. Bis Ende Oktober sammelt die Gruppe Direktkredite – in der Höhe von einer Million Euro. Die Hälfte davon wurde bereits lukriert. "Die Direktkreditkampagne richtet sich an Personen, die ihr Geld lieber in einem nachhaltigen Projekt anlegen, als in einer Bank", so Ertl. Die Kredithöhe soll höchstens 50.000 Euro. Damit werden die Kredite möglichst breit gestreut und das Risiko minimiert. Alle Direktkreditgeber erhalten ihr Geld nach einer dreimonatigen Kündigungsfrist zurück, auf Wunsch mit einer selbstgewählten Verzinsung.

Neue Projekte sollen entstehen

Der Quadratmeterpreis soll im Haus Willy*Fred 6,35 Euro betragen. 10 Cent davon gehen als Solidarbeitrag an habiTAT. "Damit sollen möglichst viele Häuser in Österreich aus dem Spekulationsmarkt freigekauft werden. In Deutschland kommen so jährlich 15 bis 20 neue Projekte dazu", sagt Humer. Das Potenzial schätzt die Gruppe groß ein, vor allem in Linz. "Hier sind die Häuser noch leistbar und es gibt einige, die leerstehen. Dafür braucht es aber auch immer etwas Glück und Good-will vom Besitzer. Wir wollen unsere Best-practices daher auch anderen Interessierten zur Verfügung stellen", so Humer. Der günstige Preis ist nicht nur für Mieter attraktiv. Zahlreiche Vereine und Kulturinitiativen interessieren sich bereits für die großen Gewerbeflächen im Haus. Fix an Bord sind bereits der Verein FIFTITU% (Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur) und der Verein VIMÖ (Verein für intersexuelle Menschen Österreich). Dazu sollen im Veranstaltungskalender Lesungen und Konzerte stattfinden. "Willy*Fred wird so auch das kulturelle und soziale Leben der Stadt bereichern", so Ertl.

INFOVERANSTALTUNGEN:

Der Verein habiTAT lädt im Oktober zu mehreren Infoveranstaltungen in ganz Oberösterreich.
8. Oktober:
Stadtwerkstatt Linz, Kirchengasse 4: Workshop um 19 Uhr
15. Oktober: FreiRaumWels, sozioökologische Entwicklungswerkstatt, Altstadt 8: Vortrag und Gespräch um 19 Uhr
21. Oktober: OKH Vöcklabruck, Hans-Hatschek-Straße 24: Vortrag und Gespräch um 19 Uhr
22. Oktober: Kulturverein Röda, Gaswerkgasse 2: Vortrag und Gespräch um 20 Uhr

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