Eine Milchkuh als letzter Strohhalm

Concordia stellt Familien in Moldawien Nutztiere zur Verfügung. Den ersten Nachwuchs geben sie an andere Menschen in ähnlichen Krisensituationen weiter. Foto: BRS
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  • Concordia stellt Familien in Moldawien Nutztiere zur Verfügung. Den ersten Nachwuchs geben sie an andere Menschen in ähnlichen Krisensituationen weiter. Foto: BRS
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SATUL NOU/REPUBLIK MOLDAU. Im Dorf Satul Nou, etwa eineinhalb Autostunden südlich der moldawischen Hauptstadt Chișinău, scheint die Zeit vor Jahrzehnten stehen geblieben zu sein. Kaum befestigte Straßen, wuchernde Wälder, windschiefe Lehmhütten und mit Holz beladene Pferdefuhrwerke zeichnen kein Bild von Romantik oder Nostalgie. Die jüngere Geschichte des Landes hat sowohl in der Landschaft als auch in den Gesichtern der Menschen deutliche, tiefe Spuren hinterlassen. Sie leben in einer vergessenen Welt. Armut wird sichtbar, die man im Europa des 21. Jahrhunderts nicht für möglich halten würde. "Die schlechte Ernährungssituation bei vielen Kindern hat zur Folge, dass hier 14-Jährige teilweise aussehen wie Achtjährige. Anderesrum altern die Menschen optisch ab 35 sehr schnell", sagt Rainer Stoiber, Länderleiter der gemeinnützigen Privatstiftung Concordia. Regelmäßig besucht er Hilfsprojekte in Moldawien, Rumänien und Bulgarien – den Ländern, in denen die Organisation aktiv ist. Das Hauptaugemerkt der Projekte liegt dabei auf der Zukunft und Hoffnung des Landes - den Kindern. In den ländlichen Gebieten hausen sie mit ihren Familien auf engstem Raum nicht selten ohne Wasser, ohne Strom und ohne Toiletten. Lange Winter, schlechte Ernte oder gesundheitliche Krisen rufen hier die rasche Hilfe von Concordia auf den Plan. Einfache Dinge wie Brennholz, Kleidung, Decken oder Saatgut entscheiden über das nackte Überleben.

Unleistbares Leben

Elena und Ion Verdis leben gemeinsam mit ihren fünf Kindern, drei Burschen und zwei Mädchen im Alter zwischen drei und zehn Jahren in einer kleinen Lehmhütte in Satul Nou. In zwei kleinen Zimmern steht nur das Notwendigste: Matratzen, eine kleine Küche mit Holzofen, eine große Schüssel mit Wasser, in der sich die Familie notdürftig wäscht. Ion arbeitet in der Hauptstadt als Bauarbeiter und bekommt dafür Hungerlohn. Ein durchschnittliches Monatseinkommen beträgt in der Republik Moldau 77 Euro. Besonders im Winter ist die Familie von tiefster Armut bedroht, denn in den kalten Monaten gibt es am Bau kaum Arbeit, das notwendige Brennholz ist für sie unleistbar. Auch Lebensmittel, Hygieneartikel oder Treibstoff sind nahezu so teuer wie in Österreich. Concordia ist mit der Familie seit vier Jahren in Kontakt. „Etwa ein Drittel der Bevölkerung kämpft ums Überleben. Jeder Mann, der besser ausgebildet oder kräftig genug ist, verlässt das Land, um Arbeit zu suchen. Hier fehlt ihnen die Perspektive“, sagt Michael Zikeli, Länderverantwortlicher von Concordia in Moldawien. 2013 hat er der Familie Verdis eine Milchkuh und damit einen Funken Hoffnung übergeben. Heute laufen in ihrem Garten ein Schwein, Hasen und Schafe herum, mit denen sie für den Eigenbedarf Produkte erzeugen.

Fruchtbarer Boden

„Wir vermieten Familien Nutztiere, wie etwa diese Kuh. Das erste Kalb, dass sie bekommen, müssen sie einer anderen bedürftigen Familie weitergeben. Danach haben sie ihre Zinsen abbezahlt“, so Zikeli. Ähnliche Verträge werden für Schafherden, Pferde, Hühner oder Ziegen abgeschlossen. Nutztiere bedeuten nicht nur Grundlage für Selbstversorgung, sondern sind der Schlüssel zu neuen Perspektiven. „Mit Kuhmilch können sie auch am Tauschhandel teilhaben und sie vielleicht mal gegen Schulhefte oder Waschmittel eintauschen“, sagt Bettina Schörgenhuber, Lebensgefährtin und Kollegin von Zikeli.
Moldawien ist das Armenhaus Europas. „Es gibt keine Bodenschätze, praktisch keine Industrie und keinen Tourismus – dafür jede Menge fruchtbaren Boden. Landwirtschaft bedeutet hier aber harte, körperliche Arbeit ohne Maschinen und Hilfsmittel“, so Zikeli. Ein großteil der armen Bevölkerung sehnt sich nach den Zeiten unter der kommunistischen Herrschaft. Damals hatten man zwar auch wenig, aber eben genug um ein normales Leben führen zu können. Dennoch: Über die eigenen Probleme will man hier nicht besonders gern sprechen, die rosarote Brille der Regierung scheint abzufärben.

Stehlen, um über den Winter zu kommen

Auf den Straßen begegnet man freundlichen, zuvorkommenden Menschen – vorwiegend Ältere und Mütter mit ihren Kindern. Viele Männer verlassen ihre Familien um in Russland, Italien oder der Ukraine Arbeit zu suchen. Zurück bleiben Kinder wie der 10-jährige Alexander. Seine Eltern haben ihn und seine zwei kleineren Geschwister bei der Großmutter zurückgelassen. Vor zwei Jahren starb die ältere Frau und Alexander brachte seine kleinen Geschwister ohne fremde Hilfe durch den Winter. Verwandte, zu denen er gehen hätte können, gab es keine, die zuständigen Behörden schauten weg. Mit eingekochten Lebensmitteln der Großmutter, mit Betteln und mit Stehlen brachte der Junge sich und seine Geschwister durch den Winter. Erst als sie in der Lehmhütte Feuer machen wollten und das Haus fast abbrannte, entdeckten Sozialarbeiter die schwer traumatisierten Kinder. Heute lebt Alexander in einer Betreuungseinrichtung von Concordia. Seine beiden Geschwister haben bei einer moldawischen Familie, die Ihnen die Hilfsorganisation vermittelt hat, eine Bleibe gefunden. Alexander musste von seinen Geschwistern getrennt werden – schwer traumatisiert schlug er regelmäßig sie und auch die Kinder der Zieheltern.

Zur Sache: Moldawien

Die Republik Moldau gilt als das ärmste Land Europas. Die einstige Kornkammer der Sowjetunion ist seit 1991 unabhängig. Mit der Sowjetregierung ist auch jegliche wirtschaftliche Grundlage verschwunden. Das Land ist in der Hand einer Oligarchen-Elite und gilt als völlig korrupt: Im Vorjahr verschwand eine Milliarde Euro, die unter anderem für Sozial- und Infrastrukturprojekte gedacht war im Nichts. Seither gibt es regelmäßige Proteste. Die Republik Moldau mit der Hauptstadt Chișinău hat rund 3,2 Millionen Einwohner. 77 Euro – das entspricht dem monatlichen Durchschnittseinkommen im Land. Eine Kuh kostet hier durchschnittlich 650 Euro, eine Ziege 65 Euro, ein Pferd 550 Euro und ein Schaf 95 Euro.

Zur Sache: Concordia

Die Hilfsorganisation Concordia wurde 1991 vom österreichischen Jesuitenpater Georg Sporschill gegründet. Ursprünglich galt die Hilfe den Straßenkindern in Rumänien, im Laufe der Jahre entstand auch ein Tochterverein in Moldawien. Letzterer verfügt über ein Jahresbudget von zwei Millionen Euro. Ein Drittel kommt von Kleinspendern, ein Drittel von Wirtschaftspartnern wie der Strabag und ein Drittel sind institutionelle Gelder, etwa aus Sozialstiftungen. Auch das Land OÖ zählt zu den Unterstützern zahlreicher Projekte. Concordia Moldau betreibt zehn Sozialzentren und 25 Suppenküchen, die 400 Mitarbeiter versorgen insgesamt 5.000 Menschen mit Holz, Nahrung, Obdach, Medizin und Sanitäreinrichtungen. Durch Spendenaktionen wie „Osterlamm“ kann die Organisation vielen Familien „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben und Armut bekämpfen.

Spendenaufruf

Die Aktion „Osterlamm“ von Concordia und der OÖ BezirksRundschau können Sie unter folgendem Spendenkonto unterstützen:

CONCORDIA Sozialprojekte Gemeinnützige Privatstiftung
RLB NÖ-Wien AG
IBAN: AT83 3200 0007 0703 4499

Infos zu weiteren Projekten www.concordia.or.at

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