"Persönliche Freiheiten sind in Schweden sehr groß"

Daniel Primetzhofer leitet ein nationales Forschungszentrum in Schweden. | Foto: Primetzhofer
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StadtRundschau: Sie haben in Steyregg die Volksschule und in Linz das Gymnasium Auhof besucht, anschließend technische Physik an der Johannes Kepler Universität studiert. Haben Sie dabei schon immer vom Auswandern geträumt?
Daniel Primetzhofer: Ab der Diplomarbeit und während der Doktorarbeit wurden dienstliche Reisen ins – auch entfernte – Ausland immer häufiger. Auch die Tatsache, dass eine Karriere als Wissenschafter mit dem Anspruch erhöhter Mobilität verbunden sein würde, wurde deutlich.

Warum fiel die Wahl auf Schweden?
Nach der Dissertation hatte ich zwar noch eine zeitbegrenzte Anstellung an der JKU, begann mich aber nach neuen Möglichkeiten umzusehen. Ich hatte ein konkretes Angebot, für zwei Jahre nach Tokio zu gehen, und habe mich auch auf eine Stelle als Assistenzprofessor nach Uppsala beworben. Die Universität Uppsala ist eine Top-Forschungsuniversität, die regelmäßig unter den Top-100-Universitäten der Welt gelistet wird. Als ich die Stelle angeboten bekam, war die Wahl nicht schwer – nicht zuletzt auch, weil für meine Lebensgefährtin Schweden ebenfalls eine attraktive Möglichkeit war. Sie hat dann sogar noch vor mir eine feste Stelle als Gymnasialprofessorin in Uppsala erhalten.

Welchen Job üben Sie in Schweden genau aus?
Ich bin Direktor eines nationalen Forschungszentrums mit jährlich circa 200 verschiedenen Kunden aus so diversen Bereichen wie Medizin, Biologie, Archäologie, Geologie, Chemie und Physik. Mit Hilfe von vier Beschleunigeranlagen helfen wir Wissenschaftern, der Industrie und dem öffentlichen Sektor bei einer Reihe verschiedener Fragestellungen. Gleichzeitig bin ich Leiter einer Forschungsgruppe mit 13 jungen Wissenschaftern aus neun verschiedenen Nationen – Brasilien, Deutschland, Österreich, Tschechien, Slowakei, Griechenland, Russland, Vietnam und Indien.

Woran forscht diese Gruppe?

Wir sind in sehr diversen Bereichen tätig: Ein Beispiel sind so genannte „smart materials“, konkret Material, das seine Transparenz je nach Lichtintensität ändern kann. Ein weiteres Beispiel sind ultradünne Filme für Nanoelektronik und Sensorik der nächsten Generation, welche uns hoffentlich auch in Zukunft eine so fantastisch schnelle Weiterentwicklung ermöglichen, wie wir sie zum Beispiel im Bereich der Mobiltelefone in den letzten zehn bis 15 Jahren erlebt haben. Aktivitäten im Bereich der Wasserstofftechnologie und grundlegende Forschung zur Beschreibung von dynamischen Phänomenen in Festkörpern runden unser Aktivitätsprofil ab.

Was waren für Sie die größten Umstellungen, als Sie 2011 nach Schweden gekommen sind?
Eine größere Herausforderung war der schwedische Wohnungsmarkt. Inbesondere in Uppsala sind Mietwohnungen Mangelware. Damit war ich gezwungen, nach einem Monat eine Wohnung zu kaufen, alles Vertragswerk in Schwedisch inklusive. Auch der Arbeitstakt in Schweden war anders – die Leute sind schwer zu stressen, und der extrovertierte Österreicher merkt oft nicht so leicht, was der introvertierte Schwede signalisiert.

Wie kompliziert war der Prozess des Auswanderns an sich?
Eigentlich war alles recht unkompliziert. Das liegt allerdings auch am geringen Bürokratielevel in Schweden. Auch gilt es natürlich eine Reihe an Dingen in kurzer Zeit zu organisieren, wie Wohnung, Bankkonto, Autonummernschild, Arzt und vieles mehr. Das kann schon vorübergehend etwas stressig sein. Ich erinnere mich an viele Telefonate mit langen Warteschleifen bei allen möglichen Ämtern.

In Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit wird vermutlich viel Englisch gesprochen – haben Sie trotzdem bereits Schwedisch gelernt? Wie wichtig ist es für Auswanderer, sich in der Sprache des neuen Landes verständigen zu können?
Am Arbeitsplatz ist Englisch sehr präsent, richtig. Allerdings sind auch sehr viele Meetings auf höherer Managementebene in Schwedisch gehalten, da Universitäten in Schweden Behörden sind und die Amtssprache natürlich die Landessprache ist. Insgesamt ist Schwedisch mit Deutsch als Mutter- und Englisch als Zweitsprache relativ leicht zu erlernen. Meine Frau und ich waren wohl beide nach ein bis zwei Jahren in der Lage, sehr gut schwedisch zu sprechen. Heute sprechen unsere Kinder, die knapp 2 und 3,5 Jahre alt sind, hauptsächlich schwedisch. Für das soziale Zusammenleben ist es sehr hilfreich, die Landessprache zu sprechen – man ist dann in größerer Gesellschaft nicht immer die Person die alle anderen dazu zwingt die Sprache der Konversation anzupassen.

Was schätzen Sie besonders an Ihrer neuen Heimat?
Die persönlichen Freiheiten sind in Schweden sehr groß. Das betrifft eigentlich alle Teile des Lebens, von der Möglichkeit sich Karenzzeiten fast beliebig flexibel einzuteilen, einem stressfreien Arbeitsumfeld mit wenig Druck von Vorgesetzten dafür mit viel Urlaub, bis zur Möglichkeit, einfach im Wald ein Lagerfeuer zu machen oder am Meer und an vielen anderen Stellen ohne Lizenz zu fischen. Generell ist die im Überfluss vorhandene Natur natürlich sehr attraktiv. Und am Ende ist die Landschaft mit Granit und Nadelwald dem nördlichen Mühlviertel nicht unähnlich.

Was fehlt Ihnen aus ihrer alten Heimat?
Aus Österreich generell: das Essen. Das fängt schon beim Leberkässemmerl an, das ich mir traditionell am Wiener Flughafen kaufe. Außerdem ist in Österreich, Linz und Umgebung immer alles so angenehm nahe beieinander: Berge, Wasser und Stadt. Zum Schluss: Wenn man mit österreichischen Bierpreisen aufgewachsen ist schmerzt es immer, bis zu 9 Euro für ein Bier zu bezahlen (lacht).

Was würden Sie anderen Auswanderern raten?
Ich denke, es hängt viel von der Situation und der Person ab. Vor allem sollte man offen sein dafür, dass Dinge anderswo anders laufen, als aus der Heimat gewohnt. Oft hat es seinen durchaus vernünftigen Grund. Nach einiger Zeit beginnt man alles besser zu verstehen. Und die ideale Gesellschaft liegt immer irgendwo zwischen den beiden, die man kennt. Mal näher an der einen – dann wieder an der anderen.

Wie oft kommen Sie auf Heimat-Besuch und haben Sie vor, irgendwann ganz zurückzukommen oder in ein weiteres Land zu übersiedeln?

Insgesamt komme ich wohl etwa drei bis fünf Mal pro Jahr nach Österreich – manchmal auch dienstlich, aufgrund einer bestehender Zusammenarbeit mit der JKU Linz. Mindestens zwei Mal pro Jahr komme ich auch mit Familie hierher. Eine Rückkehr kann man nie ausschließen, Linz ist allerdings unwahrscheinlich, Wien wahrscheinlicher. Ein erneuter Umzug in ein anderes, deutschsprachiges Land ist wohl am wahrscheinlichsten, falls sich beruflich Möglichkeiten ergeben.

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