Ein Leserbrief der anderen Art
Leserbrief einer Expertin, einer Richterin mit Hirn und Herz

Foto: Canva.com

OMA MARIA (E.Maria Ebner)
liest ein Gesetz

nicht irgendeines. Nein, d a s Gesetz: COVID-19-Impfschutzgesetz.
Jeder, pardon, jede, der, pardon, die, was auf sich hält, darf mitreden. Jeder, pardon, jede, ist wichtig.
Oma Maria auch. Oma Maria ganz besonders. Sie ist Juristin. Seit annähernd 100 Jahren. Sie versteht Gesetze. Ein Blick – und sie weiß alles.

Da ist es: Bundesgesetz, mit dem eine verpflichtende Schutzimpfung gegen COVID -19 angeordnet wird-COVID -19-IG.

Ein Dutzend §§. Ein einziges Thema. Ein ganz kurzer Blick genügt.

Genügt n i c h t. Oma Maria versteht nicht. Sie versteht n i c h t s.
Sie versteht das Gesetz nicht. Nicht die Struktur, nicht die Systematik, nicht den Wortlaut, nicht den Sinn, nicht den Gesetzgeber, nicht einmal mehr sich selbst. Sie versteht nur - die Überschrift:

COVID-19
IMPFPFLICHTGESETZ

Also. Noch einmal. Ein Schritt nach dem anderen. Beginnen wir bei :

§ 1: Impflicht:
(1) Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit...

Gut so.
Das Wichtigste am Anfang: Sinn und Zweck des Gesetzes. Eindeutig: Gesundheit. Eine spezielle: die öffentliche. Öffentlich als Gegenstück zu privat, zu dem privaten Individuum, wie Oma Maria.
Nicht Oma Marias Gesundheit steht am Programm, sondern die des Staates. Auch gut.

...sind Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben...

also in Österreich wohnen. Der Staat ist Österreich. Für alle, die hier wohnen, gilt das Gesetz.
Sehr gut.

….oder über eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß §19a des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl Nr. 9/1992, verfügen..

also andere Personen, die nicht hier wohnen...
aber über etwas verfügen, über das Oma Maria, nicht verfügt..
Nämlich eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß §19a MG …Ach ja?

Oma Maria schaut nach.

§ 19a MG: „Die Meldebehörde hat einem Obdachlosen auf Antrag ...zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat..

Aha: der Sozialstaat Österreich vergisst nie auf die Ärmsten der Armen.
Wie sozial und minderheitengerecht: gleich im ersten Satz eines neuen Gesetzes eine Minderheit des Sozialstaates Österreich einzubeziehen. Und wie realitätsbezogen: eine Minderheit, deren
zahlenmäßige Stärke nicht mehr zu übersehen ist, die Minderheit der Obdachlosen.

Die Obdachlosen, entdeckt Oma Maria, verfügen also über das, was im Staate Österreich überhaupt das Allerwichtigste ist: eine amtliche Bestätigung. Eine Bestätigung des Hauptwohnsitzes, dessen Nichtbesitz ja Voraussetzung der Ausstellung der Bestätigung ist. Diese Personen, die keinen Wohnsitz in Österreich besitzen, verfügen also über eine Bestätigung über etwas, das sie nicht haben.
Oma stutzt. Hoppla – besitzen sie die Bestätigung wirklich? „Nur über Antrag“ liest Oma.
Was ist, wenn die betreffende obdachlose Person über das ihr zustehende Recht der Antragstellung
nichts weiß oder gerade andere Probleme hat oder, wenn sie es weiß, nicht daran denkt, einen Antrag zu stellen? Vielleicht will diese Person gar nicht geimpft werden und lieber auf ihre diesbezügliche Verfügungsberechtigung verzichten?

Oma Maria kann diese Frage nicht beantworten. Sie muss auch endlich den ersten Satz des ersten Paragraphen zu Ende lesen.

..Personen, die „das 18.Lebensjahr vollendet haben, sind verpflichtet, sich einer Schutzimpfung gegen COVID -19 zu unterziehen.“

Klar. Volljährige Erwachsene unterliegen der Impfpflicht. Impfpflicht für eine Schutzimpfung.
E i n e Schutzimpfung steht geschrieben.…..Ist später nicht das Wort „eine Schutzimpfung“ anders definiert?

Ach ja: nächster §.

§ 2 : Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:
Z 2: Schutzimpfung gegen COVID-19 : eine aus mehreren Impfungen bestehende Impfserie....

Hätte man das nicht gleich sagen können?

Diese Frage könnte Oma Maria zwar beantworten, möchte aber einmal mit § 1 zu Ende kommen und liest:

§ 1 Abs 2:
Darüber hinaus gilt dieses Bundesgesetz auch für Personen zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben oder über eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG verfügen, sofern die erforderliche Entscheidungsfähigkeit gemäß § 173 Abs 1 ABGB, JGS Nr. 946/1811, vorliegt.

Also auch mündige Minderjährige unterliegen der Impfpflicht. Der erste Halbsatz scheint klar – Oma Maria atmet auf. Jedoch - eine Bedingung „sofern...“

Bezieht sich diese Bedingung der erforderlichen Entscheidungsfähigkeit auf die erstgenannten Minderjährigen oder nur auf die dem Gesetzgeber besonders wichtigen Minderjährigen der Rand-Gruppe der Nicht-Wohnungs-Verfüger -Bestätigungs-Verfüger? Zielt dieser Sonder-Status nicht nur auf diese ab?

Was Oma Maria jetzt weiß:
Es gibt sie also auch dort, die mündigen Minderjährigen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Und für diese gilt mit Sicherheit die zusätzliche Bedingung der „erforderlichen Entscheidungsfähigkeit“.
Wenn dem so ist, stellt sich Oma die Frage:
Wieso sind wohnungslose, aber bestätigungsverfügungsberechtigte mündige Minderjährige hisichtlich ihrer Entscheidungsfähigkeit beschränkt? Sind sie in ihrer Reife-Entwicklung gehemmt?
Eben bedingt durch ihre Obdachlosigkeit? Oder nur in ihrer Sprachentwicklung hinsichtlich der deutschen Sprache zurück? Weil sie etwa aus Afghanistan stammen ? Oder betrifft es gar nicht die eigene Fähigkeit, sondern den Mangel der gesetzlichen Vertretung des unbegleiteten und daher unvertretenen Minderjährigen, der als Minderjähriger eben ohne gesetzlichen Vertreter generell nicht entscheidungsfähig ist?

Wieder Fragen, die sich Oma Maria nicht beantworten kann.

Die Erklärung findet sich sicherlich in § 173 Abs 1 ABGB, auf den ja ausdrücklich verwiesen ist.

§ 173 Abs 1 ABGB:
Einwilligungen in medizinische Behandlungen kann das entscheidungsfähige Kind nur selbst erteilen. Im Zweifel wird das Vorliegen dieser Entscheidungsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen angenommen.

Und jetzt? Also ist doch der unbegleitete Mj. aus Afghanistan gemeint?
Gilt für minderjährige Personen mit §19a MeldeG-Verfüger-Berechtigung etwa eine Umkehr der Entscheidungsfähigkeits-Vermutung? Oder verwechseln unsere Legisten lediglich Klarheit der Entscheidungsfähigkeit mit Unklarheit des Entscheidungsträgers eines unbegleiteten Minderjährigen?
Liegt etwa der Zweck dieser Minderheiten-Bestimmung an einer unzureichenden bürokratischen Auslastung unserer fremdenpolizeilichen Behörden?

Tatsächlich spricht auch Abs 3 dieses IG-Entwurfs für Österreichs unablässiges Bemühen um die Lösung der Menschheitsprobleme, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf unsere internationalen Verpflichtungen:

§ 1 Abs 3:
Die Schutzimpfung darf nicht durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt werden.

Das dürfen unsere Behörden, sagt das Gesetz, eindeutig n i c h t:
einen afghanischen minderjährigen Wohnungs-, Dokumenten-, gesetzlichen-Vertreter- Nichtbesitzer, dafür § 19a -MeldeG-Bestätigungs-, Muskel- und Manns- Kraft- Verfüger, gewaltsam festhalten, um ihm ein Impf-Jaukerl zu verpassen. So ändern sich die Zeiten, seufzt Oma Maria und denkt an ihre Zeit als Baby zurück.

Jetzt aber muss sie schleunigst versuchen, dem Gesetzes-Labyrinth, in dem sie offenbar bereits die Orientierung verloren hat, zu entfliehen.

Geht nicht.

Wie festgeklebt, kleben ihre Augen an dem vorher überflogenen Gesetzes-Zitat des letzten Halbsatzes des § 1 Abs 2: „gemäß § 173 Abs 1 ABGB, JGS Nr. 946/1811.“

Oma Maria ist verblüfft. Derart Beeindruckendes kennt sie, obwohl doch ein halbes Jahrhundert als Juristin im Geschäft, nicht. Das ABGB, ja, das kennt seit 210 Jahren jeder Jurist. Sicher in den letzten 100 Jahren auch jeder Bürger. Es ist sozusagen unsere Verfassung, die Menschwerdung unserer bürgerlichen Rechte. Es ist das Herzstück unseres Rechts, ein geniales Werk der genialen Juristen aus Zeiten der Monarchie. Diese Bibel unserer bürgerlichen Rechte wurde im Jahr 1811 verkündet und ist seither die Grundlage unserer bürgerlichen Rechts-Welt.

Dass unser altehrwürdiges ABGB mit dem Zusatz JGS Nr..zu versehen ist, ist Oma Maria echt neu. JGS...JGS..JGS...irgendwie, von irgendwo, doch bekannt...wie soll sich auch so eine alte Juristin
mit den neuen Zitat-Regeln des digitalen Zeitalters zurechtfinden?

Sie deckt auf:

Die JGS, Justizgesetzsammlung, gibt es nicht mehr. Sie ist abgeschafft. Seit 1848. An ihre Stelle sind die BGBl, die Bundesgesetzblätter, getreten. Sie erinnert sich wieder: Mit JGS Nr 946/1811 wurde das ABGB als Gesetzeswerk verlautbart.

Im Jahr 1812 ein möglicherweise sinnvoller Hinweis für die Gültigkeit des in Kraft getretenen Gesetzeswerks ABGB. Im Jahr 2022 ein in ein Gesetz eingebautes historisches Justiz-Rätsel.

Hat Humor. Oma Maria hat wirklich sehr gelacht. Auf solch eine erfrischend lustige Gesetzes-Lektüre musste sie ein ganzes Justizleben lang warten. Omas Lebens-Erfahrungen sind wieder einmal bestätigt: Lachen ist gesund. Sie, die alte Pensionistin mit Juristenvergangenheit, hat schon lange nicht mehr so gelacht. Nach der Lektüre dieses Gesetzestextes fühlt sie sich erfrischt, gekräftigt und geheilt.

Das Gesetz , meinte sie danach, habe schon im vorhinein seinen gesundheitsfördernden Zweck erfüllt. Oma Marias privater Gesundheit sei es wirklich äußerst dienlich gewesen. Nur, ob es der öffentlichen Gesundheit dient, bleibe strittig. Das Gesetz stehe zwar vor der Tür. Es müsse, meinte Oma Maria, nicht unbedingt eingelassen werden.

Wurde es aber. Am 20.01.2022.

Und seither lacht Oma Maria nicht mehr.

Der Gesetzes-Text war über Nacht geändert. Legisten mit gewohnt trockenem Stil hatten offenkundig am Vorabend die Torwächterstellen des Nationalrats wieder übernommen. Alle erheiternden, belustigungsfähigen Gesetzes-Unklarheiten wurden beseitigt. Nur Absicht, Geist und Skelett des Gesetzes blieben über.

Lustig ist es nicht mehr. Dafür klar.

Von einem Tag zum anderen hat nun Oma Maria ihren gewohnten Gesetzes-Blick zurück:
Dieses Gesetz ist eine, ihrem 8-Jahrzehnte-Leben bisher erspart gebliebene, Ansammlung von Widrigkeiten, die da sind : Demokratie-, Verfassungs-, Freiheits-, Menschenrechts-, Sinn- und Zweck-Widrigkeit.
Oma Maria denkt es. Würde es gerne sagen.
Sie sagt es aber nicht. Könnte existenzgefährdend sein. Warum?

Das weiß , wie immer in solchen Fällen, der Arzt oder Apotheker und ist vielleicht meine nächste Geschichte.
Verwendete Bildquelle: Canva.com

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