Mediziner & Mechaniker
Ein Arzt für Oldtimer
Vor Jahrzehnten schloss Jackob Barnea sein Medizinstudium ab. Doch statt in einer Praxis zu ordinieren, restauriert Barnea seit 50 Jahren Oldtimer in Mariahilf.
MARIAHILF./SIMMERING. Keine Frage, Elektro- und Hybridautos schonen Umwelt und Ressourcen. Aber ehrlich: Was erfreut das Auge mehr als die unvergleichliche Ästhetik eines Oldtimers, der mit Chrom, Trittbrett und Schmetterlingscheibenwischer durch die Straßen schnurrt? "Das Schönste an einem Oldtimer sind die ausgewogenen Karosserieteile, ergänzt durch Messing-, Nickel- und Chromzierrat und der Lederinnenausstattung", bringt Jackob Barnea die Faszination Oldtimer auf den Punkt. "Die außergewöhnliche ästhetische Form in Verbindung mit der alten Technik, die die heutigen KFZ-Mechaniker nicht verstehen und die immer noch funktioniert – das begeistert immer mehr Menschen."
Und Barnea weiß, wovon er spricht: Der Präsident des Oldtimer Automobilclub Austria, der seinen Sitz in der Mariahilfer Esterházygasse hat, sammelt und restauriert seit den 1970er Jahren Oldtimer. Doch ab wann ist ein Auto eigentlich ein Oldtimer? "Laut internationaler Definition ein Wagen, der mehr als 30 Jahre alt ist. Aber nicht alle Autos, die 30 Jahre alt sind, sind ein Oldtimer", so Barnea streng. "Entscheidend ist, dass das Auto als Oldtimer gehandhabt und nicht täglich gefahren wird und einen niedrigen Kilometerstand aufweist."
Mediziner und Mechaniker
Über diese Eigenschaften verfügen alle Oldtimer aus Jackob Barneas riesiger Sammlung. "Ich besitze etwa 200 Fahrzeuge. Ein großer Teil der Sammlung sind Vorkriegsautos und stammen aus den Jahren 1908 bis 1939." Diese Schätze befinden sich entweder in Barneas Automobil- und Motorradmuseum in Gramatneusiedl bei Himberg oder einer 2016 erworbenen Tiefgarage in der Rinnböckstraße in Simmering. Restauriert wurden sie noch in Barneas Oldtimer-Werkstatt in der Esterházygasse, die vor kurzem aufgegeben wurde. "Ich habe die Werkstatt Ende der 1980er Jahre übernommen. Nach dem Abschluss meines Medizinstudiums habe ich die Firma gegründet und begonnen, gewerblich Oldtimer zu restaurieren."
Den Spruch der Eltern "Du musst das Studium fertig machen, danach kannst du machen, was du willst" wörtlich genommen, hat Barnea mit der Promovierung das Skalpell mit der Zange getauscht und den Schritt nie bereut. "Ich habe schon als Kind jede freie Minute bei meinen Nachbarn, die eine KFZ-Werkstatt hatten, verbracht. Ich war mit dem Sohn befreundet und wir haben den Mechanikern zugesehen und sind auch schwarz mit den Jeeps der US-Armee gefahren. Das Zündschloss konnte man mit Zigarettenpapier überbrücken", erinnert sich Barnea an seine Jugend in Israel, ehe ihn das Studium nach Wien führte. "Ich habe schon als Student am Parkplatz des Studentenwohnheims in Döbling Oldtimer renoviert. Als ich nach Wien kam, kaufte ich mir als erstes eine Lambretta Baujahr 1956, danach einen dunkelgrünen Wolseley, Baujahr 1957", erzählt der 72-Jährige.
Von Mariahilf nach Wellington
Auf das Studium folgte ein KFZ-Kurs im Wifi, den Barnea mit dem Meistertitel abschloss. In der internationalen Oldtimerszene machte sich der "Auto-Arzt" schnell einen Namen, Barnearestaurierte Autos wurden bis in die USA und Neuseeland verkauft. "Manchmal hat es schon weh getan, ein restauriertes Auto herzugeben", gibt Barnea zu, der mit seiner eigenen Sammlung einen florierenden Oldtimerverleih aufbaute. "Wir vermieten Autos für alle Bedürfnisse. Unser Hauptgeschäft sind Hochzeiten, hier ist vor allem Rolls-Royce gefragt – derzeit meine Lieblingsmarke, eine Legende!"
Wer stilvoll die Fahrt zum Standesamt antreten möchte, muss mit rund 500 Euro rechnen; Blumenschmuck, Chaffeur, Just married-Schild und Wein inklusive. "In den 80er und 90er Jahren hatten wir mit dem Filmgeschäft eine gute Welle. Von Müllers Büro über Radetzkymarsch bis zu Schloß Gripsholm, überall sind meine Autos zu sehen. Damals habe ich viel Geld verdient und alles wieder in neue Oldtimer investiert." Für die Zukunft hat Jackob Barnea bereits ein Großprojekt in Planung: "Ich möchte in Wien ein Automobilmuseum eröffnen, Himberg ist Touristen zu weit entfernt. Derzeit bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Areal."
Zur Sache
Am Samstag, 8. Dezember findet in der Sie Garage in der Rinnböckstraße 60a, 1110 Wien, von 11 bis 17 Uhr ein Tag der offenen Tür statt. Info:0664-1010300.
Nähere Infos über Autos, Museum und Vermietung finden Sie im Internet unter www.oldtimertreff.com.
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