Das Jahr 1918 in unserem Bezirk
Vor hundert Jahren waren unsere Dörfer von Armut, Hunger und der Frage nach der staatlichen Identität geprägt.
Ende Oktober 1918 ging der Erste Weltkrieg nach vier Jahren schweren und blutigen Ringens zu Ende. Auch der Bezirk Mattersburg hatte einen schweren Blutzoll zu leisten, 1180 Gefallene waren zu beklagen.
Die im Spätherbst 1918 heimkehrenden Soldaten kamen in eine für sie völlig neue Welt zurück. Es gab keine Monarchie mehr, keinen Kaiser und keinen König. Man gehörte zur Ungarischen Republik, in den Dörfern herrschte große Not, ein Großteil der Bevölkerung hungerte, industrielle Produkte, Kleider und Schuhe waren Mangelware, Krankheiten und Seuchen grassierten, und ein strenger Winter stand vor der Tür.
Unruhen auf allen Ebenen
Das Verhältnis zwischen den staatlichen Behörden und der Bevölkerung wurde unter diesen Bedingungen immer gereizter. Auch das Militär zeigte Zerfallstendenzen, und in den Wäldern des Rosalien- und Ödenburgergebirges sammelten sich "grüne Kader", Gruppen von Soldaten, die den kaiserlichen Fahnen den Rücken gekehrt hatten.
Allein am 25. September 1918 wurden in den Wäldern um Loipersbach 40 fahnenflüchtige Soldaten aufgegriffen. Ähnliche Zerfallserscheinungen machten sich auch bei der Exekutive bemerkbar.
Offene Revolte
Als sich schließlich Anfang November 1918 die Nachricht von der Revolution in Wien und Budapest verbreitete, kam es auch in vielen Dörfern des Bezirks zur offenen Revolte. Gemeindeämter wurden gestürmt und die ungarischen Kreisnotäre vertrieben. In Pöttsching wurde das Gemeindeamt von 300 teils bewaffneten Ortsbewohnern gestürmt. Erst am 25. November konnten die Komitatsbehörden die staatliche Ordnung wiederherstellen.
Die Republik Heanzenland
Während man sich in Ödenburg bemühte, der um sich greifenden Anarchie Herr zu werden, bildete sich in einer am 8. November stattfindenden Versammlung in Mattersburg (damals noch Mattersdorf) eine 164 Mann starke Nationalgarde, die eine Trennung von Ungarn und den Anschluss an Deutsch-Österreich propagierte. Treibende Kräfte waren die Mattersburger Hans und Joseph Suchard sowie der Walbersdorfer Anton Schreiner.
Am 2. Dezember 1918 wurde unter der Führung von Hans Suchard in Sopron die Republik Heanzenland ausgerufen. Der gleichzeitige Aufruf an die 309 Gemeinden Deutsch-Westungarns, sich dieser neuen Republik anzuschließen, scheiterte allerdings aufgrund mangelnder Kommunikationsmöglichkeiten. Lediglich in Mattersburg konnte Hans Suchard für einige Tage die Führung übernehmen. Danach marschierten ungarische Militäreinheiten in Mattersburg ein, verhafteten Suchard und verurteilten ihn noch am Bahnhof von Mattersburg zum Tode. Das Urteil wurde jedoch nicht vollstreckt, vielmehr wurden die Delinquenten bereits am 26. Dezember 1918 amnestiert und nach Hause geschickt.
Quelle: Allg. Landestopographie des Burgenlandes, 3. Band, Der Verwaltungsbezirk Mattersburg
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