Wolkersdorf gedenkt: Opfer und Täter unter uns

Foto: Sammlung Semrad

WOLKERSDORF. Stefan Eminger weiß wie man Säle füllt. Schon der erste Teil seiner Vortragsreihe zum Gedenkjahr über die jüdische Vergangenheit Wolkersdorfs war zum Bersten voll. Zum zweiten Teil über die Oper und Täter in der lokalen Bevölkerung mussten im Pfarrsaal Sessel dazu gestellt werden. 
Anhand lokaler Ereignisse und Personen aus dem Ort und der Umgebung bricht Stefan Eminger die Weltgeschichte auf Wolkersdorf herunter.

Schrittweise Vertreibung

Schon sehr rasch nach dem Anschluss begann die Isolation der jüdischen Bevölkerung. Für Einschüchterungen, Verhaftungen und Beschlagnahmungen ließen sich die Wolkersdorfer Braunhemden gerade mal sechs Tage Zeit. Bereits am 18. März erpressten sie vor allem von wohlhabenden Juden Geld, Wertpapiere und Kraftfahrzeuge. So musste der Gemischtwarenhändler Kurt Diamant sein eigenes Auto zurück mieten, samt Chauffeur, der ihn bespitzelte. Als dieser fungierte der Bruder der NS-Ortsgruppenleiters Ludwig Zwiauer. Man kannte sich aus der gemeinsamen Zeit beim Wolkersdorfer Fußballclub.
"Der Terror geschah außerhalb der NS-Rechtsordnung. In vielen Orten fanden sich Menschen, die hier Übererfüllung leisteten", erklärt Historiker Stefan Eminger.
In der Nacht vom 16. September wurden die Juden gänzlich aus Wolkersdorf vertrieben. Die NS-Administration rechtfertigte den Schritt mit der Eingliederung der Sudetengebiete. Juden wurden als Sicherheitsrisiko in den Grenzregionen gesehen.
Offenen Widerstand gab es nur vereinzelt. Gleich mit dem Anschluss wurden vier Verhaftungen, sicherlich auch zur Abschreckung, vorgenommen. Darunter zwei Kinder des jüdischen Gemeindearztes Hermann Loew. 
Denunzierungen stabilisierten das System – ein Regime aufgebaut auf Angst.

Schuld-Teilung

Die Verbrechen erfolgten oft arbeitsteilig. Dies senkte Hemmschwellen, verteilte Schuld und Verantwortung auf viele. Beispielgebend dafür listet Eminger die Euthanasieopfer auf.  Bereits dem ersten streng geheimen Programm "T4" fiel der 1912 geborene Johann Stöckl zum Opfer. Wegen einer psychischen Erkrankung lebte er seit 1933 in Gugging. Im Zuge der immer angespannteren Versorgungslage während des Krieges entwickelte Berlin immer perfidere "Einsparungspläne". Ab 1940 prüfte eine eigene Kommission Pflegeanstalten auf "unwertes Leben". Dieser fiel letztlich auch Johann Stöckl zum Opfer. Er wurde 1940 in Schloss Hartheim bei Linz vergast.
Trotz größter Geheimhaltung des Euthanasieprogramms sickerten Informationen an die Bevölkerung durch und erregten Widerstand. Das Programm wurde offiziell eingestellt, aber dezentral durch systematische Vernachlässigung und/oder medikamentöse Überdosierung weitergeführt. Sechs Opfer aus Wolkersdorf und Umgebung fielen in diese Phase.
Das einzige Wolkersdorfer Fall der Kindereuthanasie traf die 1941 geborene Tochter des Ortsgruppenleiter Edda Zwiauer. Heinrich Groß attestierte dem Mädchen "Mongolismus und einen Herzfehler". Die Eltern nahmen das Kind nie aus dem Krankenhaus mit, auf dem Familiengrab wird sie nicht erwähnt.

Das Leben danach

Nach 1945 kehrten manche Juden, wie die Familie Diamant zurück. Die Situation beschreibt Stefan Eminger: "Opfer und Täter arrangierten such. Zumeist auf Kosten der Opfer."
www.wolkersdorf.at

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