Brunn am Gebirge
Der "Vorleser" bringt Freude in den Alltag
BEZIRK MÖDLING. Jeden Montag, exakt um zehn Uhr, hat Wolfgang Pruzsinszky etwas vor. Dann radelt der rüstige 78-Jährige in Mödling los, um einer ebenso rüstigen 90-jährigen ehemaligen Krankenschwester in Brunn vorzulesen. Seine Motivation: „Es macht mir einfach großen Spaß, mindestens so viel wie meiner Zuhörerin.“
"Freude bereiten"
Die Lektüren sind humorvoll geistig geprägt, besonders beliebt im Repertoire des kleinen, feinen Lesezirkels; historische Recherchen zu mehr oder weniger berühmten Persönlichkeiten. Autoren wie Stefan Zweig, Gerald Durrell oder Dietmar Grieser finden dabei Gehör und ganz wichtig: Es wird viel gescherzt und gelacht. „Ich empfinde es als großes Glück, jemanden gefunden zu haben, damit Freude zu bereiten.“ Gertraude Gerger möchte die literarischen Stunden nicht missen und verteilt Lorbeeren: „Sein Wissen, seine Geduld, die sonore Stimme, die von ihm ausgewählten Bücher und seine stets leichtfüßige Freundlichkeit, sind das pure Vergnügen.“ Auch Brunns Bürgermeister Andreas Linhart zeigt sich bewegt „über die helfende Hand, die hier gereicht wird, das ist nicht hoch genug einzuschätzen. Gerade rund um die Feiertage freue ich mich ganz besonders über die Wärme, die von dieser sehr persönlichen Geschichte ausgeht.“
Aufgabe selbst gesucht
Zu geben war für den beruflich weitgereisten Bauingenieur und Lehrer an der HTL Mödling schon immer eine Selbstverständlichkeit. 30 Jahre war er für das Rote Kreuz tätig, 180 Mal Blutspender, sogar auf eine Knochenmarkspende kann er zurückblicken, bevor er altersbedingt auch in die „private Pension“ ging. „Es wird wohl eine Art ,Helfersyndrom‘ in mir schlummern“, bemerkt er mit einem zurückhaltenden Lächeln. Seit 2016 ist der verheiratete Großvater für die Brunnerin „Der Vorleser“. „Einfach war es allerdings nicht, diese Aufgabe zu finden.“ Nach seiner Bewerbung für Gartenarbeit und Vorlesen bei der Mödlinger Aktion „Freiwilligenbörse“ kam kein Echo. „Am besten erkundigt man sich im Bekanntenkreis“, mein Pruzsinszky, denn genau da wurde er auch fündig. „Wenn man dann noch eine so gute Zuhörerin findet, dann ist das wirklich bereichernd“, schwärmt Pruzsinszky, der nach eigenen Angaben „wunschlos glücklich ist“.
Ob Vorlesen süchtig macht, wird von ihm mit einem klaren „Ja“ beantwortet. „Ich freue mich immer sehr auf diesen Fixpunkt und es ist gut, wenn man strukturierte Tage hat.“ Und so hat Herr Pruzsinszky seit 2016 Frau Gerger bereits rund 230 Mal als "Vorleser" eine Freude machen können.
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