Mit Umfrage:
Wenn das Kinderzimmer zur Schulklasse wird
BEZIRK MÖDLING. Bald ist es ein Jahr her, dass die Schulen Corona-bedingt erstmals geschlossen blieben und die Schüler ins "Home Office" wechselten. Seither gab es nur zum Anfang des Schuljahres 20/21 annähernd Normalität, Homeschooling oder (wie aktuell) Schichtbetrieb überwiegen. Für Schüler und Eltern wird die Situation zusehends zur Belastung, wie eine exklusive repräsentative Umfrage im Auftrag der Bezirksblätter Niederösterreich und der RMA-Medien, durchgeführt von Karmasin, ergibt: 75,7 Prozent der Niederösterreicher sagen, dass Kinder die fehlende Schule und persönlichen Kontakte sehr vermissen, zwei Drittel der (Ende Jänner) Befragten finden die ständigen Veränderungen, Verschiebungen und neuen Regeln belastend.
Verschiedene Bedürfnisse
Auch für Astrid Koch, Mutter zweier Söhne, ist die Situation schwierig: "Wir haben einen sehr stressigen Job, der gerade in der Coronakrise mehr Einsatz erfordert als vorher. Oft ist es schwierig, den einen Sohn zum Lernen zu motivieren, da wir noch ein Kindergartenkind haben, das noch nicht lernen muss. Der Kleinere hat kein Verständnis dafür, wenn niemand Zeit hat, um mit ihm zu spielen und der Größere fühlt sich vom Kleinen gestört, wenn er lernen soll. Oft sitzt man dann abends noch lange und hat auch leider weniger Energie für den nächsten Tag. Im Volksschulalter ist das selbständige Lernen noch nicht so einfach wie in höheren Schulstufen. Prinzipiell wäre ich dafür, die Sommerferien zu verkürzen. Die Kinder haben viel Stoff verpasst, nicht nur in den Hauptfächern. Auch in Sachunterricht ist vieles auf der Strecke geblieben und das Allgemeinwissen kommt zu kurz." Koch betont zudem, dass es nicht nur um das Lernen alleine geht: "Den Kindern haben die sozialen Kontakte sehr gefehlt. Vor allem dem Jüngeren, dem Kindergartenkind, fehlt es sehr, mit Gleichaltrigen zu spielen. Auch der Große hat sich wieder sehr auf die Schule gefreut, da auch für ihn die Situation schon sehr frustierend war. Die Motivation zum Lernen ist wieder viel größer seit die Schulen offen sind, der Alltag ist wieder leichter zu gestalten und alle sind zufriedener. Präsenzunterricht ist vor allem für die jungen Schüler enorm wichtig.“
Das Beste daraus machen
Claudia Zellhofer ebenfalls Mutter zweier Söhne meint: „Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, versuchen positiv zu bleiben, das auch den Kindern zu vermitteln. Wir nutzen und genießen die Familienzeit. Die sozialen Kontakte fehlen den Kindern, daher bin ich sehr froh, dass wieder Regelbetrieb in Schule und Kindergarten ist. Und hoffe das die Lösung mit den regelmäßigen Tests eine langfristige Strategie ist, die funktioniert, damit die Schulen offen bleiben. Ich bin nicht für die verkürzten Sommerferien.“
Zusammenarbeit ist wichtig
Michael Päuerl, Direktor des Mödlinger Gymnasiums Keimgasse, sieht auch die Lehrenden und Schul-Mitarbeiter derzeit besonders gefordert, zeigt aber auch Verständnis: "Selbstverständlich sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, alle Lehrenden und auch die Schulleitungen jetzt besonders gefordert. Ja, es gibt laufend neue Maßnahmen, deren Umsetzung in allen Schulen einen bedeutenden Arbeitsaufwand darstellt und eine zusätzliche Belastung darstellen. Es gibt auch immer wieder Maßnahmen, die zu großen Diskussionen und zur Missstimmung führen. Es muss aber auch klar sein, dass im Zusammenhang mit unseren Schulen viele verschiedene Gruppen von den Maßnahmen in unterschiedlichster Weise betroffen sind." Dass es angesichts der Herausforderungen nicht immer einen klaren Weg geben kann, sei zwar nervenaufreibend, wichtig sei es aber, lernfähig zu bleiben: " Wir stehen vor einer Situation, die sich mit nicht routinemäßigen Vorgaben in bekannten Mustern bewältigen lässt. Auch innerhalb einer Schule wurden und werden viele Maßnahmen erst entwickelt, dann verbessert, einige wieder auf Grund des großen Aufwands oder der Probleme bei der praktischen Umsetzung wieder weggelassen und manche erst im Nachhinein vervollständigt, da sich deren Effizienz erst im Lauf der Zeit herausgestellt hat. Dass es dabei zu Fehlern und auch zu Missstimmungen kommt ist für mich nicht weiter verwunderlich. Ich halte in einer solchen Krisensituation aber eines für besonders wichtig: Je größer die Zusammenarbeit bei der Lösung der Krise, desto eher gelingt auch deren rasche Bewältigung. Kritik an bestimmten Maßnahmen, darf und muss es immer wieder geben. Diese muss aber zur Verbesserung von Maßnahmen zum Ziel haben. Die Kritik darf den Raum der Kooperation nicht verlassen und hat das Denken im Sinne des Wohls aller mehr denn je im Blick zu behalten. Die Verweigerung der Kooperation in einer Pandemie führt vor allem zu weiteren Opfern. Fast alle, die im pädagogischen Bereich mit Menschen arbeiten, haben durch Ihre Bildung und Tätigkeit eine hohe Sozialkompetenz und haben eine hohe Sensibilität für die Werte der menschlichen Gemeinschaft entwickelt. Vermutlich ist deshalb auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zur Bewältigung der Krise in dieser Pandemie sehr groß", so Päuerl.
Keine Verkürzung der Ferien
Der von manchen geforderten Verkürzung der heurigen Sommerferien, um Versäumtes aufzuholen, steht Direktor Päuerl kritisch gegenüber: "Es geht ein für alle Schülerinnen und Schüler und alle im pädagogischen Bereich Tätigen sehr anstrengendes Schuljahr zu Ende. Neben den Lehrinhalten der (Fach-)Lehrpläne wurden in diesem Jahr viele zusätzliche Kompetenzen und Fähigkeiten erworben, zum Beispiel im Bereich der digitalen Medien und dem eigenverantwortlichen Lernen. Der Großteil der Kinder und Jugendlichen hat nicht weniger, sondern mehr geleistet als in jedem anderen Schuljahr. Der Großteil der Kinder und Jugendlichen benötigt jetzt nach der vielen Zeit vor den Geräten und Übungsaufgaben nicht weitere Lerneinheiten, sondern Zeit für soziale Kontakte, für Freundschaften und freie Zeit für Kreativität.
Das schließt nicht aus, dass für eine Minderheit an Schülerinnen und Schülern eine spezielle Förderung zum Aufholen von Lernstoff, der für das Erreichen der Ziele im weiteren Bildungsweg fehlt. Dies jedoch als Verpflichtung für alle einzufordern, ignoriert und diskreditiert die gewaltigen Anstrengungen und Leistungen fast aller in diesem Schuljahr, der vielen Schülerinnen und Schüler, aber auch aller im Bildungsbereich tätigen Menschen."
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