Lokales
Die unverhältnismäßige Faust im THEO
OBERZEIRING. Regisseur Peter Faßhuber vom Theater Oberzeiring ist bekennender Horváth-Fan. Wegen „erschreckender Zeitnähe“ nahm er als viertes Horváth-Stück „Glaube, Liebe, Hoffnung“ auf den Spielplan.
Am 24. Juli 2019 bekam die grandios gespielte, glanzvolle Faßhuber-Inszenierung des Dramas etliche „Vorhänge“.Die Mühlen der „kleinen“ Paragraphen
Vor und zwischen ein paar schrägen Pilonen, etwas Kunstschnee, einigen raffiniert gesetzten Lichtspots als Bühnenbild stellt Faßhuber seine Akteure in den Mittelpunkt des Dramas, das sich rücksichtslos gegen Dummheit und Lüge, wie es Ödön von Horváth nannte, stemmt, gegen die unverhältnismäßige Faust der kleinen Paragraphen.
Die junge Elisabeth
Ninja Reichert modelliert diese in der Zeit von Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise der 30er-Jahre angelegte Rolle zwischen Hoffnung und Verzweiflung enorm intensiv - will aus dem Teufelskreis der „kleinen“ Paragraphen ausbrechen.
Die 150 Mark ihrer Chefin für den Wandergewerbeschein als Vertreterin für feine Damenwäsche hat sie gebraucht, um eine Strafe zu bezahlen. Die sie erhielt, weil sie eben keinen Gewerbeschein hatte. Jetzt versucht sie, ihre Leiche bei Lebzeiten um 150 Mark an ein anatomisches Institut zu verkaufen.
Der Herr Oberpräparator
Christian Krall spielt den blutverschmierten, erst Überheblichen, dann Auftauenden und als Doppelrolle auch einen fiesen Kriminalisten - hat Mitleid, er zeigt ihr seine Sammlungen und borgt ihr das Geld.
Thomas Sima kommt als junger Polizist Alfons ins Spiel, der sich in Elisabeth verliebt und sie heiraten will.
In berührenden Szenen taucht er mit Blumen auf, man kommt sich näher. Endlich scheint es für Elisabeth aufwärtszugehen. Doch Neid und Mißgunst schlagen zu. Da ist der Kriminalist, der den Polizisten fragt, ob er sich mit einer Vorbestraften die Karriere vermasseln wolle.
Dem Herrn Oberpräparator wird gesteckt, dass Elisabeth ja schon einmal Geld für den Gewerbeschein bekommen habe und ihr Vater „nur“ Versicherungsinspektor gewesen sei.
Julia Faßhuber fasziniert als präpotente Chefin, die Elisabeth rhetorisch niedermacht - und später als Prostituierte, der ebenfalls übel mitgespielt wird.
Ute Veronika Olschnegger spielt die gestresste Assistentin des Präparators - und die Frau des Amtsgerichtsrates, eine Meisterin im Quertragen, Beeinflussen.
Gregor Schenker schließlich gibt mit seiner Gitarre fast dem ganzen Stück von dezent bis dramatisch musikalischen Background, bringt sich unter anderem als Baron, als Amtsgerichtsrat, ins Geschehen.
Naja, die Geschichte mit der Obduktion der so schnell verstorbenen Gattin, Herr Oberpräparator, die ist doch längst erledigt, ja?„Eine Ehre, dieser Figur Leben einzuhauchen!“
Ninja Reichert über ihre Rolle als Elisabeth: „Eine wunderbare Rolle, ein wunderbares Stück. Es ist eine Ehre, dieser Horváth-Figur, die sich auf einer Abwärtsbahn befindet, Leben einzuhauchen!“
Mit einer ihrer Schauspielschülerinnen, die diese Rolle spielen wollte, hat sie das Stück schon einmal erarbeitet: „Das hat sehr geholfen, dadurch war ich schon von Anfang an drinnen!“Weitere Spieltermine
30. 7., 3. und 7. 8., 6., 17., 22. und 25. 9., jeweils 20 Uhr.Horváth, Büchner, Tschechow!
Peter Faßhuber: „Horváth, Büchner, Tschechow sind jene Autoren, die mich begleiten, seit ich Theater denken kann. Bei Horváth passiert von der ersten Minute an etwas, das erreicht mich ganz tief drinnen.
Es steigen Bilder auf, ich sehe das ganze Stück. Die Problematik der Menschen, die durch soziale Netze fallen, gibt es ja auch in unserer Wohlstandsgesellschaft, in dem reichen Land, in dem wir leben dürfen.
Horvath beschäftigt sich immer mit dem Schicksal der ,kleinen‘ Menschen, obwohl er aus dem alten Großbürgertum stammt!“ Es klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte. Der 1901 im altösterreichischen Susak geborene Diplomatensohn Ödön von Horváth wurde 1938, gerade geflüchtet, in Paris während eines Gewitters von einem herabstürzenden Ast erschlagen.
Als Bühnenautor hatte er sich längst einen Namen gemacht. 1936 wurde er aus Deutschland verwiesen, 1938 auf die deutsche Liste des „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt.Nackte Männer auf Rekordkurs
Alle bisherigen Rekorde bricht im THEO die Sebastien-Thiery-Komödie „Zwei Männer - ganz nackt“. 27 Aufführungen bisher, kein Ende abzusehen. „Ein Selbstläufer! Vielleicht kommen wir da auf 40 Vorstellungen!“, freut sich Peter Faßhuber, der in diesem Stück mit Christian Krall, Ninja Reichert und Julia Faßhuber auf der Bühne steht.
Autor: H. G. Ainerdinger
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