29. Mai 2017: Sexismus ist kein politischer Stil - Warum die SPÖ Götz Schrage ausschließen muss
WIEN. Götz Schrage will also „die Tür zu seiner SPÖ nicht zuschlagen“. Weil: „Auf Wunder wird man ja wohl noch hoffen dürfen.“ Das teilte der Neubauer Bezirksrat am Samstag via Facebook mit, nachdem er jenes Posting, das zu Rücktrittsforderungen aus "seiner" eigenen Partei führte, gelöscht hat. Darin hatte er vergangene Woche die neu bestellte ÖVP Generalsekretärin, Elisabeth Köstinger, mit jenen „jungen Damen der ÖVP Innere Stadt aus den frühen 80er Jahren“ verglichen, „die mit mir schliefen“. Darüber, ob diese Aussage sexistisch ist, muss nicht diskutiert werden. Sie gibt tiefe Einblicke, wie es um das Gesellschaftsbild einzelner SPÖ-Mandatare im Jahr 2017 bestellt ist. Und zwar zutiefst rückschrittlich. Das erkennt man nicht nur daran, dass der Herr Bezirksrat selbst auf die 1980er-Jahre rekurrieren muss, um seinen machistischen Blödsinn abzusondern.
Sondern vor allem daran, dass ihm offenbar nichts inhaltliches einfällt, um die ÖVP - die neben der FPÖ der größte Kontrahent der SPÖ im aktuellen Wahlkampf ist - zu kritisieren. Dabei gäbe es Stoff genug. Allein, dass der neue „starke Mann“ in der ÖVP, Sebastian Kurz, inhaltlich offenbar sehr schwach aufgestellt ist und sein Programm erst eineinhalb Monate vor der Wahl im Oktober präsentieren will. Während im Hintergrund natürlich schon die Schlagrichtung der "neuen" ÖVP-Wirtschafts- und Sozialpolitik (Stichwort: Studie zur Umlegung von Hartz IV auf Österreich) durch ÖVP-Ministerien bzw. durch die Medien geistern.
Taktisch ist es schlau von Kurz, keine offensichtliche, inhaltliche Angriffsfläche zu bieten sondern nur die vermeintliche, personelle Erneuerung der ÖVP zum Thema zu machen - sollen sich die Mitbewerber bis September doch in persönlichen Angriffen auf das „Team Kurz“ ergehen. Und so eindrücklich auf der medialen Bühne demonstrieren, dass sie genau jenem „alten Politik-Stil“ (obwohl Sexismus nicht als Stil gelten kann) die Treue halten, der nicht zuletzt von Eva Glawischnig in ihrer Rücktrittsrede treffend analysiert wurde. Chapeau, Herr Schrage!
Das Ende der Macho-Attitüde
Einen größeren Fehler kann sich die SPÖ aktuell kaum erlauben. Denn: viele Menschen haben diesen Stil oder besser - diese Macho-Attitüde - satt. So haben die Grünen sicher die richtige Entscheidung getroffen, als einzige Fraktion, mit einer Spitzenkandidatin, die vor allem durch ihre inhaltsstarke EU-Politik bekannt ist, in die kommende Wahlauseinandersetzung zu gehen. Und sie haben wahrscheinlich noch eine zweite sehr richtige Entscheidung getroffen: Inhaltlich bewusst nach links zu rücken.
Denn dort ist - spätestens seit Bundeskanzler Christian Kern beschlossen hat, mit ÖVP und FPÖ zu einem kaum unterscheidbaren Dreiergespann rechts der Mitte zusammen zu wachsen - viel Platz frei geworden. Damit hat die SPÖ viele potenzielle Wählerinnen und Wähler vergrault, die zumindest für kurze Zeit nach der vielbeachteten Antrittsrede von SPÖ-Chef Kern vor gut einem Jahr, Hoffnung hatten, dass die Sozialdemokratie doch noch einen Stil, jenseits von Inszenierung und Populismus, an den Tag legen wird. Das wurde inzwischen vielfach negiert und der Umgang mit jenem Genossen, der eine ÖVP-Politikerin via Facebook sexistisch angreift, ist ein beispielhafter Höhepunkt.
Einzelne - etwa die Vorsitzende der SPÖ Neubau und NR-Abgeordnete Andrea Kuntzl oder Staatssekretärin Muna Dudzdar - in der SPÖ hatten und haben völlig recht, den Ausschluss von Götz Schrage aus der Partei zu verlangen. Auch wenn das Aussagen der Wiener SPÖ vom Montag, wonach ein Parteiausschluss - sollte Schrage nicht freiwillig zurücktreten - „sowieso kein Thema“ sei, entgegen läuft. Eine Entschuldigung von Götz Schrage wird aber nicht reichen, denn mit solchen Herren - auch wenn sein "Vergehen" dem einen oder anderen harmlos erscheinen mag - wird die SPÖ niemals das werden können, was sie sein sollte, will sie in den kommenden Jahrzehnten bzw. Jahren innenpolitisch noch irgendeine Rolle spielen: Eine Partei, die eine moderne Sozialdemokratie verkörpert. Und in einer solchen kann keinerlei Platz für Sexismus sein.
Positionierung von unten angehen
Auch nicht wenn er von einzelnen, vermeintlich „unwichtigen“ Bezirksfunktionären kommt. Denn genau dort wurzeln die Konflikte, die in den vergangenen Monaten beinahe zur Selbstzerstörung der Wiener SPÖ geführt haben - und immer noch führen können. Und genau dort sollte man ansetzen um sich klar zu werden, wessen SPÖ es nun eigentlich ist und wo man die Zukunft der eigenen Partei sieht. Zwischen machistischen Sprüchen, die genauso gut von Marcus Franz (früher Team Stronach, dann ÖVP, heute fraktionslos) kommen könnten - oder einem vorwärtsgewandten Geschlechterverständnis, also einem feministischen Weltbild und der entsprechenden Politik.
Wenn die SPÖ noch irgendwo den Wunsch verspürt, für jene, die die Zukunft in einer (geschlechter)gerechteren, diversen Welt sehen, eine wählbare Option zu sein, sollte sie klar zeigen, dass Anti-Sexismus, Feminismus und ein respektvoller Umgang mit allen Menschen Werte sind, die von der Sozialdemokratie ernst genommen und tatsächlich gelebt werden. Dementsprechend sollte Herr Schrage aufhören auf ein „Wunder in seiner SPÖ zu hoffen“, sondern lieber der Rücktrittsaufforderung seiner Genossinnen nachkommen. Und all jenen, die solche Aussagen tolerieren und darin keinen Grund für einen Parteiausschluss sehen, sei dasselbe empfohlen.
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