Neubaus neuer Bezirksvorsteher Markus Reiter: "Ich bin ein Macher"
Der neue Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne) im großen Antrittsinterview über aggressive Radler, Klarinetten und ein zweites MuseumsQuartier für den siebten Bezirk.
NEUBAU. Erstes offizielles Interview, erster offizieller Termin – und das noch nicht mal im eigenen Büro. Für sein Gespräch mit der bz hat Markus Reiter noch in die Räumlichkeiten von Vorgänger Thomas Blimlinger eingeladen. "Das Zimmer durfte ich mir dankenswerter Weise ausborgen", sagt Reiter. Offiziell um- und eingezogen ins Bezirksamt in der Hermanngasse wird also erst – und zwar am Donnerstag. "Aber künftig werde ich hier wohl mehr Zeit verbringen als mit meinen drei Kindern", ist sich Reiter seiner neuen und zeitintensiven Rolle als Grüner Bezirksvorsteher Neubaus bereits durchaus bewusst.
Als Sie 1996 von Oberösterreich nach Neubau gezogen sind: Hätten Sie gedacht, dass Sie mal Chef dieses Bezirks werden?
Nein, so was hat man ja nicht am Radar. Mein erster Eindruck von Wien war eher: "Wow, das ist ja alles grau in grau hier." Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn man am Land aufgewachsen ist.
Wie kam es trotzdem zu der Begeisterung für den Bezirk?
Durch Kunst und Kultur. Ich habe als Kind Klarinette gelernt, hatte einen Job an der Kunstuni, war bei einer Kulturinitiative in Gmunden. Und ich liebe die Urbanität: Wenn’s vor Menschen nur so wurlt, da fühl ich mich wohl.
16 Jahre war Ihr Vorgänger Thomas Blimlinger Bezirksvorsteher. Wie geht man mit so großen Fußstapfen um?
Ich hab großen Respekt, aber ich fürchte mich nicht. Thomas Blimlinger hatte noch viel vor und ich nehme diese Staffel sehr gerne an. Und bei so einem Angebot kann man nicht Nein sagen – da heißt’s hineinstürzen.
Was unterscheidet Sie von Thomas Blimlinger?
Bei mir wird es wieder mehr um Begrünung im Bezirk gehen – also Parks, Innenhöfe, bepflanzte Fassaden. Dafür werden wir einen richtigen Master Plan erstellen. Der Fokus liegt also ganz stark auf den Zukunftsthemen Klimawandel und Klimaschutz. Thomas Blimlinger setzte auf die Wende in Sachen Mobilität. Diesen Einsatz merkt man auch.
Inwiefern merkt man das?
Es ist schon ein Unterschied, ob man im 7. oder im 10. Bezirk mit dem Rad unterwegs ist. Bei uns ist es einfach ein bisschen entspannter in Sachen Radfahren. Aber klar ist, dass sich da natürlich noch mehr bewegen muss.
Und zwar?
Wir brauchen einen neuen Zugang, um Mobilität zu nutzen. Ich selbst verzichte seit einem Jahr auf meinen alten Familien-Kombi – trotz drei Kinder. Umsteigen auf ein Mietauto, mehr mit dem Zug oder Rad fahren, Carsharing – das ist natürlich eine logistische Herausforderung. Aber man muss das auch vorleben.
Manche würden jetzt behaupten, die Grünen wollen wieder mal alles verbieten...
Nein, darum geht es mir ganz und gar nicht. Es geht darum, alternative Möglichkeiten aufzuzeigen. Da muss man sich auch andere Modellstädte suchen, wo das bereits funktioniert. Und: Man braucht eine liberale Grundeinstellung, auch in Umweltfragen.
Ihr Vorgänger war der erste Grüne Bezirksvorsteher Wiens – ein klarer Erfolg auch für die Partei. Jetzt, bei ihrem Amtsantritt, stehen die Grünen – vor allem nach der vergangenen Wahl – weniger gut da. Glauben Sie, dass dies die Bezirksarbeit beeinflussen wird? Wird man sich jetzt noch mehr anstrengen müssen?
Natürlich ist das eine andere Ausgangssituation: Thomas Blimlinger musste zeigen, ob die Grünen regieren und Verantwortung übernehmen können – ob sie eine Politik machen können, wo ein Großteil der Bevölkerung dahintersteht. Zu zeigen, dass die Grünen auch breite Bevölkerungsgruppen mitnehmen können, da werd ich mich nicht unterscheiden.
Gibt es weitere Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Ihrem Vorgänger Thomas Blimlinger?
Wir sind beide Macher-Typen, können aber auch gut zuhören. Ich bin halt einer, der gern noch eine Schleife mehr dreht.
Thomas Blimlinger hat einmal das Foto eines Falschparkers mit dem Wort „Trottel“ auf Facebook kommentiert. Kann man sich solche emotionalen Ausbrüche in den sozialen Medien auch von Ihnen erwarten?
Auch wenn ich ein Polizistensohn bin – eher nein. Ich bin zwar emotional und energiegeladen, aber in 18 Jahren Neunerhaus hab ich gelernt, auch in schwierigsten Situationen die Contenance zu bewahren. Soziale Medien sind dazu da, sich gegenseitig die Lebenswelten näher zu bringen. Aber Debatten führe ich dann doch lieber face to face.
Apropos Debatten: Welches Projekt packen Sie 2018 als Erstes an?
Den schon erwähnten Grünraum. Dafür wird es eine eigene Studie geben. Werden neue Wasserleitungen verlegt, schauen wir, ob man nicht auch begrünen kann. Beispiele dafür sind etwa die Zieglergasse und die Richtergasse.
Was steht noch auf der Agenda?
Der neue Johann-Strauss-Park: Eine Million Euro wird investiert, etwa in einen Nachbarschaftsgarten, die Sanierung der Salettl und einen Spielplatz. Im Oktober 2018 wird eröffnet. Und natürlich das Sophienspital: Daraus soll ein richtiges Sophienquartier werden, quasi ein zweites MuseumsQuartier mit Kultur, leistbaren Wohnungen, Schulen, Kinderbetreuung. Dass es öffentlich zugänglich bleibt, ist für mich ein Muss. Damit wollen wir auch Akzente in Richtung Außenbezirke, etwa Rudolfsheim, setzen. Der Starschuss mit Experten und der Bevölkerung für die Umgestaltung fällt nächstes Jahr.
Zur Person:
Markus Reiter ist gebürtiger Gmundner, verheiratet und Vater dreier Kinder. Vor seinem Amtsantritt als Bezirkschef war er Geschäftsführer der Obdachlosen-Einrichtung neunerhaus. Seit 2001 ist er Grünen-Bezirksrat am Neubau.
Hintergrund:
Bericht: Thomas Blimlinger tritt zurück
Interview: Blimlinger zum Grünen-Debakel nach der Wahl
Interview: Thomas Blimlinger: "Facebook ist ein Fluch"
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