Porträt: Eine Armenierin im 20. Bezirk
Seit 1971 lebt Tiruhi Bauer in der Brigittenau. Im Gespräch erzählt sie über Integration und den Bezirk.
BRIGITTENAU. Die Sonne scheint Tiruhi Bauer ins Gesicht. Mit ihren Einkäufen sitzt sie an ihrem liebsten Fleckerl im Bezirk, dem Brigittaplatz. Seit 47 Jahren lebt die Armenierin in der Brigittenau. "Das Schicksal hat mich hierher geführt", erzählt sie. Verbunden fühlt sie sich jedoch nach wie vor auch der griechischen und armenischen Kultur.
Die 69-Jährige wuchs im Armenien der Nachkriegszeit auf. Ihren aus Griechenland stammenden Eltern wurde ein reiches Land versprochen, doch litt Armenien 1947 unter Hungersnöten. Nach dem Schulabschluss verkuppelte ihre Tante sie mit einem Oberösterreicher. 1971 begannen Tiruhi und Walter Bauer ihr gemeinsames Leben in der Brigittenau.
Fehlende Offenheit
Was sie am Bezirk liebt? Die Grünflächen und die gute Verbindung ins Zentrum. "In nur zehn Minuten ist man in der Inneren Stadt und trotzdem hat man es hier so grün", schwärmt Tiruhi Bauer.
Auf die Frage, was ihr in Wien fehlt, runzelt sie die Stirn. "Ich vermisse die Offenheit." In ihrer Heimat werde gefeiert und aufgetischt, auch wenn man selbst nur wenig hat. Die Nachbarn leben miteinander, sie grüßen sich nicht nur, sondern fragen auch, wie es dem anderen geht und was es Neues gibt, erzählt sie. "Wenn ich dann meinen Nachbarn eines Morgens nicht treffe, läute ich und frage, ob alles in Ordnung ist. In Wien kennt man seinen Nachbarn nicht“, so Bauer.
Die Wiener wären glücklicher, wenn sie offener miteinander umgehen würden, ist sich Bauer sicher. Einmal habe sie eine weinende Frau gefragt, was los sei. Noch lange Zeit danach waren die beiden in Kontakt. Dies zeige: Man müsse viel mehr mit offenen Ohren und Augen durch die Welt gehen und mehr auf andere Acht geben. Das könne sich jeder zu Herzen nehmen.
Schlüssel der Integration
Bauer spricht Griechisch, West- und Ostarmenisch, Türkisch und Deutsch. "Vorhin hat mich eine junge, verschleierte Frau gefragt, wo das Bezirksamt ist. In einwandfreiem Deutsch. Die Jungen lernen die Sprache in der Schule sehr gut. Die ältere Generation weigert sich oft", erzählt sie.
Wichtig sei es, sich verständigen zu können. Bis zu einem gewissen Grad sei es auch notwendig, sich anzupassen. Ihrem Sohn brachte die 69-Jährige neben Deutsch auch ihre Muttersprache Armenisch bei. Die Sprache eines Landes zu lernen, ist der erste Schritt der Integration, ist sie sich sicher. Doch liege die Förderung dieser in erster Linie in den Händen der Politik.
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