Autor Jürgen Berlakovich
"Tobman zerbricht an unserer gefakten Welt"
Der Neubauer Autor Jürgen Berlakovich entführt die Leser seines Debütromans "Tobman" in die gescannte Gedankenwelt des melancholischen Frank Tobman. Was wie Science Fiction klingt, ist eine ungeschönte Auseinandersetzung mit der digitalisierten Gegenwart.
NEUBAU. Stellen Sie sich vor, Ihre Gedanken werden gescannt und direkt in eine Cloud übertragen. Dieses Experiment lässt der Neubauer Autor Jürgen Berlakovich den Protagonisten Frank Tobman seines ersten Romans "Tobman" durchleben. 24 Stunden lang durchlebt der Leser den 22. November 2017 aus der Sicht des vom Leben ermüdeten und depressiven Journalisten Tobman.
Tobman erhält von seinem Therapeuten eine Smartwatch mit der Psychotracker-App Narravatar, die Gedanken in einer Cloud hochlädt. Wird es in der Realität je einen Narravatar geben?
JÜRGEN BERLAKOVICH: Ein bisschen gibt es ihn schon. Facebook arbeitet daran, dass Gedanken gescannt werden. Morgen wird es noch nicht gelungen sein und in zehn Jahren auch nicht, aber wer weiß: vielleicht in dreißig Jahren? Man denke nur an Google Glass oder den Sprachcomputer von Stephen Hawking – es wird geforscht, aber noch ist der Narravatar utopisch.
Kann man Ihren Roman, obwohl er 2017 spielt, als Science Fiction bezeichnen?
Nein, dazu sind zuwenig Science-Fiction-Elemente da. Die utopische Idee ist Science Fiction, aber ich wollte die heutige Zeit mit ihrer Digitalität thematisieren. Der digitale Erzähler wird in den ersten Kapiteln eingeführt, ist aber im weiteren Roman nicht mehr wichtig. Es geht um Tobman, wo er sich befindet und seine Gedanken.
Wieviel Berlakovich steckt in Tobman?
Nicht mehr oder weniger, als in jedem anderen fiktiven Werk. Ich wollte etwas sehr Verbreitetes beschreiben, nämlich die Schwierigkeit, mit der Welt umzugehen. Laut Statistiken ist das ein massives Problem, das viele Leute betrifft. Tobman zerbricht an unserer gefakten Welt und der Frage, wer noch halbwegs authentisch ist.
Also ein gesellschaftskritischer Roman?
Das Wort Gesellschaftskritik möchte ich nicht verwenden. Ich befasse mich mit momentanen gesellschaftlichen Verhältnissen, digitalen Transformationsprozessen mit ihren negativen wie positiven Begleiterscheinungen.
Sehen Sie die Digitalisierung positiv?
Ja, Technologie kann ein tolles Werkzeug sein. Wir kommunizieren in einer Sekunde mit der ganzen Welt; durch die Globalisierung wird die Sinnlosigkeit des nationalen Staates aufgezeigt – wir leben in einer Welt und sollten für einander da sein. Die Menschheit hat mächtige Werkzeuge zur Verfügung, mit denen man natürlich auch manipulieren kann, wie man an einem twitternden US-Präsidenten gut sieht. Auch Tobman wird mit politischen Fragen konfrontiert. Er verweigert sich den Antworten, da er erkennt, dass es sich um eine Inszenierung statt einer ernsthaften Auseinandersetzung handelt.
Wie kam Ihnen die Idee zum Roman?
Das Buch habe ich 2017 geschrieben, die Ideen kamen stufenweise. Ich wollte Soundscrapes, wie ich sie bereits in Hörspielen umgesetzt habe, in Textform veröffentlichen. Das warf die Fragen auf: Wer hört die? Und wer erzählt? So entstand eine Figur, die die Zustände der Welt abarbeitet und daran scheitert. Der digitale Erzähler überwacht, stürzt mehrmals ab und lässt den Leser überlegen: Was ist zensuriert? Hören wir eine manipulierte Form von Frank Tobman?
Ihr Buch ist anspruchsvolle Kost.
Es regt vielleicht zum Nachdenken über die Gegenwart, in der wir uns bewegen, an. Eine bewegte, beängstigende und seltsame Gegenwart.
Werden wir Frank Tobman in weiteren Büchern begegnen?
Ich plane derzeit zwei weitere Bücher, die ganz andere Themen abdecken. Aber es kann durchaus sein, dass Frank Tobman nicht zum letzten Mal aufgetaucht ist.
Zur Sache
"Tobman" von Jürgen Berlakovich ist im Klever-Verlag erschienen, hat 200 Seiten und kostet im gängigen Buchhandel 22 Euro.
Jürgen Berlakovich ist Musiker, Texter, Autor und Ensemblemitglied des Vegetable Orchestras. Der studierte Germanist und Philosoph wurde im Burgenland geboren und lebt seit 15 Jahren im 7. Bezirk.
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