Gerhard Loibelsberger: "Der Wiener Dialekt ist in der Defensive"
Der Neubauer Autor Gerhard Loibelsberger legt mit "Schönbrunner Finale" den sechsten und letzten Band der Oberinspector Nechyba-Reihe vor. Dieses Mal löst der grantige Polizist einen Fall im Jahr 1918.
Am Ende von "Schönbrunner Finale" wird Joseph Maria Nechyba Ministerialrat. Wird er keine Fälle mehr lösen?
GERHARD LOIBELSBERGER: Nein, ein Ministerialrat mit 58 Jahren ermittelt nicht mehr. Der Roman spielt 1918. Die Ära der Donaumonarchie endet und es ist damit auch der perfekte Zeitpunkt, die Nechyba-Saga zu beenden.
Fällt Ihnen der Abschied von Oberinspector Nechyba schwer?
Nein. Ich habe an den sechs Romanen insgesamt 20 Jahre gearbeitet – es reicht. Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist und ich finde, "Schönbrunner Finale" ist ein würdiger Abschluß. Außerdem habe ich keine Lust, Nechyba als alten Mann, noch grantiger als er eh schon ist, zu beschreiben.
Die Krimireihe spielt in der Zeit von 1903 bis 1918. Was fasziniert Sie so an diesem Zeitabschnitt?
Das war die Zeit der Genies und Verrückten mit Brennpunkt Wien. So etwas hat es danach nie wieder gegeben. Wien war Tummelplatz für Genies wie Arnold Schönberg, Hugo von Hofmannsthal, Ludwig Wittgenstein, Felix Salten – von den bildenden Künsten gar nicht erst zu sprechen. Aber auch Hitler war damals in Wien und Fan von Otto Weininger, der sicher auch ein Genie, aber ein verwirrter Geist war. In diesen 15 Jahren wurden in Wien unheimlich viel Weichen gestellt. So etwas hat es danach nie wieder gegeben.
In den Nechyba-Büchern ist wenig von diesem Glanz zu spüren.
Ich wollte die letzten eineinhalb Jahrzehnte der Donaumonarchie aus der Sicht der einfachen Leute zeigen. Für sie war diese Zeit lange nicht so wunderbar und glänzend wie der Jugendstil!
Ihr Roman gibt historische Abläufe wie die Abfahrt von Kaiser Karl aus Schönbrunn im November 1918 detailgetreu wieder. Wie und wie lange haben Sie recherchiert?
Auch ein Großteil der geschilderten Kriminalfälle sind echte Mordfälle, wie der Koffer mit der Leiche in Ottakring. Ich recherchiere in Tageszeitungen aus dieser Zeit in der Onlinebibliothek der Nationalbibliothek. An "Schönbrunner Finale" habe ich zwei Jahre gearbeitet.
Sie verwenden viele Dialektausdrücke, die in Fußnoten erklärt werden. Stirbt der Wiener Dialekt aus?
Er ist in der Defensive. Aussterben wird er nicht, und dazu trage ich mein Teil bei. Aber er ist vom deutschen Idiom überlagert, hauptsächlich hat das Fernsehen daran schuld. Die Jugend kennt diese Wiener Ausdrücke, die ich noch von meinen Großeltern hörte, nicht mehr. Es gibt aber noch einige Kokons. Wenn ich beim Heurigen in Floridsdorf bin, höre ich diese Ausdrücke noch und rede selber auch breiter.
Der erste Band hieß "Die Naschmarkt-Morde" und auch alle weiteren Romane spielen rund um den Naschmarkt. Hat der Markt heute an Bedeutung verloren?
Als Markt wie er früher war, hat er abgebaut, aber er ist ein wichtiges Kommunikationszentrum und natürlich ein Touristenmagnet. Er ist der Bauch von Wien.
Apropos Bauch: In Schönbrunner Finale wird der österreichischen Küche viel Raum eingeräumt. Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Die heutige österreichische Küche mag ich nicht sehr. Aber die altösterreichische Küche aus der Zeiten der Donaumonarchie liebe ich, besonders Dukatenschnitzel. Das habe ich gestern gekocht, mit Erdäpfel-Vogerlsalat. Gut sind aber auch Reis und Apfelkompott dazu.
Warum schreiben Sie kein Kochbuch?
Es gibt immer wieder Verhandlungen, ich würde es aber nur mit einem Top-Koch gemeinsam schreiben. Aber ja, vielleicht veröffentliche ich noch ein Aurelia und Joseph Maria Nechyba-Kochbuch!
Darf man auch nach dem Ende der Nechyba-Bücher mit Krimis von Gerhard Loibelsberger rechnen?
Ja, ich veröffentliche nächstes Jahr einen Kurzgeschichtenband mit dem Titel "Morphium, Mokka und Mördergeschichten".
Zur Sache
"Schönbrunner Finale" von Gerhard Loibelsberger ist als Taschenbuch im Gmeiner Verlag erschienen und kostet im gängigen Buchhandel 15 Euro.
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