Ein Weltbürger der Musik auf Verwandtenbesuch in Gattendorf
Ein goldenes Klavier für Franz Liszt
Er war der Superstar der Musikszene des 19. Jahrhunderts. Franz Liszt - Wunderkind, Klaviervirtuose, Komponist und Hofkapellmeister. Er wurde am 22. Oktober 1811 in Raiding, im damaligen Westungarn geboren und war immer auf seine ungarische Herkunft stolz gewesen. Ungarn war damals ein mächtiges Königreich, dreimal so groß wie heute.
Autoren: Andrea Glatzer und Ingrid Nagl-Schramm
GATTENDORF. Liszt's Vater Adam plante bereits kurz nach seiner Geburt, ihn zu einem Genie zu machen. Früh erteilte er seinem Sohn Klavierunterricht. Bereits im Alter von 9 Jahren gab Franz Liszt erste Konzerte und wurde als Wunderknabe in Wien mit dem jungen Mozart verglichen.
In Paris, wohin die Familie 1823 übersiedelte, starb der Vater vier Jahre später. Um sich und seine Mutter durchzubringen, gab Franz Liszt Klavierstunden.
Liszt und Richard Wagner
Wie ein Komet stieg der begabte Klaviervirtuose in der europäischen Musikwelt auf. Liszt wurde zum Star und zu einem hervorragenden Netzwerker, um den sich viele Künstler seiner Zeit drängten, unter anderem Richard Wagner, von dem er nicht ahnen konnte, dass er eines Tages sein Schwiegersohn sein würde.
Als schöner Mann mit magischer Ausstrahlung, war Liszt an den europäischen Höfen als Klaviervirtuose gerne gesehen. Er wurde von den Damen sehr verehrt. Nach ausgedehnten Konzerttourneen ließ sich der Weltbürger Liszt in Weimar nieder, wo er von Großherzog Carl Friedrich zum Hofkapellmeister ernannt wurde. Eine besondere Gönnerin fand er in der Gemahlin des Großherzogs, der Zarentochter Maria Pawlowna. Dank ihres aus dem Zarenhaus stammenden Vermögen förderte sie das aufwendige höfische Leben und die Kunst in Weimar.
Doch der hochgefeierte Liszt war nicht nur auf seine eigene Karriere fixiert, sondern wurde auch zum wichtigen Förderer des damals wenig bekannten Richard Wagner, den er als Genie verehrte. Er führte einige seiner Opern auf, und unterstützte ihn auch finanziell, so gut wie er konnte.
Krönungsmesse für das Kaiserpaar
Einer der Höhepunkte seiner Karriere war die Komposition der Krönungsmesse, ein Auftragswerk für die Krönung des Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth 1867 in Budapest.
Zu Gattendorf, einer damals wichtigen Herrschaft, wegen seiner Nähe zur ehemaligen Residenzstadt Pressburg, hatte Franz Liszt freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen. Eine gediegene Freundschaft verband ihn mit Graf Kasimir Esterházy, bei dem er in Preßburg oftmals eingeladen war.
Liszt widmete seine 4. Ungarische Rhapsodie dem Grafen, wohl auch als Dank für dessen Großzügigkeit. So spielte er bei einem Konzert in Pest auf einem vergoldeten Flügel, zu dem er von zwölf in ungarischer Tracht gekleideten Pagen hingeleitet wurde.
Wenn er sich in Pressburg aufhielt, besuchte er auch gerne seine Verwandten in Gattendorf. Bei den Aufenthalten im Haus seines Cousins, dem Arzt Dr. Johann Nepomuk Henning in Gattendorf wurde ihm häufig seine Lieblingsspeise, nämlich Kalbskopf, Hirn und gemischter Salat aufgetragen. Nach dem Abendessen musizierte man. Der Meister am Klavier, sein Cousin am Cello, und dessen Töchter sangen.
Trauer um Wagner
Bei seinem letzten Aufenthalt in Gattendorf 1883 kam es allerdings zu einem Eklat mit den Verwandten. Dem voraus ging die Nachricht über den plötzlichen Tod seines Schwiegersohnes Richard Wagner in Venedig. Liszt's Tochter Cosima war in zweiter Ehe mit Richard Wagner verheiratet. Liszt konnte die schlimme Nachricht gar nicht fassen. Sogleich telegrafierte er seiner Tochter: „Wie geht es Wagner?“ Die Todesnachricht, die ihn darauf ereilte, war für ihn nun traurige Gewissheit.
Also, dann bin ich auch ein Komödiant?
Liszt war deswegen den ganzen Tag in depressiver Stimmung. Trotzdem wurde nach dem Abendessen in gewohnter Weise musiziert. Dem Meister gefiel die Singstimme von Anna, die wenige Tage später heiraten sollte. Liszt dachte möglicherweise nicht daran und machte seinem Cousin den Vorschlag, Anna mitzunehmen und sie als Sängerin auszubilden. Darauf erwiderte sein Cousin: „Ich lasse meine Tochter keine Komödiantin werden!“ Worauf Franz Liszt beleidigt reagierte: „Also, dann bin ich wohl auch ein Komödiant?“ Liszt warf den Flügel zu und ging. Das Haus seines Cousins betrat er nie wieder.
Unser Dank für Informationen gilt den Historikern Dr. Klaus Derks und Ewald Metzl aus Gattendorf. Die Geschichte ist Teil unseres Buches "Pannonische Streifzüge", dass im Verlag MyMorawa erschienen ist und auch bei den Autorinnen erhältlich ist.
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