Fortsetzungsroman
Mühlstraßenbande: Teil 19

Spannende Geschichten von Franz Strasser | Foto: Verlag Bibliothek d. Provinz
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Fortsetzungsroman: Franz Strasser erzählt in "Die Mühlstraßenbande" von seiner Kindheit nach dem Krieg.

......»Weine nicht, Franzl, ich bin froh, dass ich noch so lange hier auf Erden bleiben durfte, um dich aufwachsen zu sehen und großzuziehen.« Dann grinste er noch einmal verschmitzt und sprach leise weiter: »Doch jetzt, Franzl, musst du auf eigenen Füßen stehen, denn jetzt wird es Zeit für mich, jetzt holt mich der Teufel.« Es waren harte Worte von einem harten Mann, den nichts, aber auch gar nichts auf dieser Welt hätte brechen können. Sogar im Angesicht des Todes blieb er stark und tapfer. Seine Worte blieben meinem Vater stets im Gedächtnis, und er vergaß seine schöne Kindheit bei seinen Großeltern nie. So absolvierte er nach dem Tod seines geliebten Großvaters auf Bitten seiner Großmutter bei Verwandten an der Donau eine Lehre als Bäcker und Konditor. Als er später in Deutschland jedoch die Möglichkeit hatte, Polizeibeamter zu werden, ergriff er noch mit 34 Jahren diese Chance und bereute diesen Entschluss niemals. Er war Polizist mit Leib und Seele und galt sogar in der Unterwelt von Essen und Umgebung als der »Franzl« mit dem sympathischen österreichischen Dialekt. Er hatte die Gabe, auf Menschen aus allen Schichten zuzugehen. Darum war es für meinen Vater auch nicht schwer, in Deutschland, in der Nähe seiner leiblichen Mutter, wieder Fuß zu fassen und hier seine Familie zu gründen. Doch wir Kinder wären gerne in Waidhofen aufgewachsen. Darum versuchte mein Vater auch immer, in der Ferienzeit mit uns den Urlaub in seiner alten Heimat zu verbringen. Es ist diese liebliche Landschaft, die noch nicht durch Tourismus und Hektik geprägt ist und dadurch ein »unverfälschtes« Leben ermöglicht.
Zu dieser herrlichen Natur und den dazugehörenden Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten, fiel meinem Vater auch eine nette Begebenheit ein, die vielleicht sogar ein bisschen seine spätere Berufswahl beeinflusste. Und so will ich zum Ende meines Buches niemandem diese Geschichte vorenthalten.

Räuber und Gendarm

In unserer wohlverdienten Schulpause standen wir Buben wieder einmal zusammen, um zu überlegen, wie wir den Nachmittag am besten nutzen könnten. Es ging uns viel durch den Kopf, denn an Ideenreichtum mangelte es uns ja nie. Da rief plötzlich der Schurl von hinten: »Wie wäre es denn mit Räuber und Gendarm? Wir treffen uns um zwei Uhr, nach dem Mittagessen, und gehen dann gemeinsam zum Buchenberg.« Das war ein guter Vorschlag, denn auf dem Buchenberg waren viele Bäume und Büsche, wo man sich herrlich ver¬stecken und ungestört bewegen konnte.
Hinter uns stand eine Mitschülerin, die Rosemarie, und hörte uns gespannt zu. »Da würde ich gerne mitkommen«, sprach sie. »Ich weiß eh noch nicht so recht, was ich am Nachmittag tun soll. Bitte, lasst mich mitspielen.« Wir Buben schauten uns fragend an, denn ein Mädchen in unserer Truppe war etwas ungewöhnlich und nicht unbedingt förderlich für unseren Bandenruf. Aber da die Rosl eigentlich ein »netter Kerl« war, sagten wir nach einiger Überlegung zu. So trafen wir uns, wie immer, um die genannte Zeit bei mir im Hof und zogen gemeinsam los. Es ging ein Stück die Mühlstraße entlang, dann links hoch zum Ochsenplatz, durch den Schillerpark und hinauf zum Buchenberg. Dort suchten wir uns einen Platz, wo viele Bäume beisammen standen, und besprachen die Spielregeln. Eine Gruppe bestand aus den Gendarmen und die anderen waren die Räuber. Wir durften uns lediglich von Baum zu Baum hangeln und wer das Erdreich berührte, der musste ausscheiden. Nachdem wir eine Weile an den Spiel¬regeln gefeilt hatten, ging es endlich los. Fritz, Tschiegerl, der Sepp, Helmut und ich waren die Räuber, der andere Sepp, der Schurl und die Rosl waren die Gendarmen. Schnell einigten wir uns noch darüber, welcher Baum als Gendarmerie fungierte und welcher als neutrale Zone für die erschöpften Räuber zur Verfügung stand, und schon ging das Spiel los. Zuerst verteilten wir uns und kletterten dann so hoch hinauf, bis wir den Baumwipfeln nahe waren. Von dort gab es eine hervorragende Sicht, bis hinunter in die Stadt. Es war eine schwindelerregende Höhe und da beschlich so manchen von uns ein etwas ungutes Gefühl. Doch nun hieß es tapfer zu sein und sich keine Blöße zu geben. Schließlich war dieses Mal ein Mädchen dabei, und da mussten wir Buben uns selbstverständlich von unserer furchtlosesten Seite zeigen. So schwangen wir uns von einem Baum zum anderen, von Ast zu Ast und bald bemerkten wir ganz und gar nicht mehr, wie weit weg sich doch der sichere Erdboden befand. Um der Sache noch ein bisschen mehr Spannung und Enthusiasmus zu verleihen, beschossen wir, uns auch mit Tannenzapfen zu beschießen. Das war ein Heidenspaß, aber diesen mussten wir auch mit einigen blauen Flecken bezahlen. Zu unserer Verwunderung hielt sich die Rosl sehr tapfer in ihrer Position und bald vergaßen wir ganz, dass sie »nur« ein Mädchen war. Nach einer Weile wechselten wir die Rollen und so verging die Zeit wie im Flug. Zwischendurch legten wir kurz eine Pause ein und genehmigten uns eine kleine Jause zur Stärkung. Zu diesem Zweck hatte jeder von uns etwas, das er auf die Schnelle zu Hause finden konnte, mitgebracht. Die Rosl hatte dicke rote Äpfel in einem Weidenkörbchen dabei. Ihre Eltern hatten einen kleinen Bauernhof mit einigen Obstbäumen und davon profitierten wir zu unserem großen Glück des Öfteren. Wir Buben griffen mit Freuden zu und ließen es uns schmecken. Die Großmutter hatte mir Butterbrote mitgegeben und der Schurl sorgte für Getränke. Der Sepp aus dem Redtenbach hatte noch kleine Birnen dazugelegt, die hießen »Nagewitzer« und waren unglaublich süß und lecker. So pausierten wir, überlegten, wie wir die nächste Spielrunde handhaben wollten, und plauderten noch über dieses und jenes. Nachdem wir gestärkt waren und alles auf¬geräumt hatten, ging es wieder hinauf in die Baumkronen. Wir schwangen uns von einem Ast zum anderen. Die Räuber, die erwischt wurden, mussten auf dem sogenannten Zuchthaus-Baum verweilen, bis alle anderen Schurken gefasst waren. Wir wurden immer wilder und waghalsiger, selbst Rosel schwang sich wie ein kleiner Affe von einem Baum zum anderen und ließ sich nicht schnappen. Das war ein mächtiger Spaß. Wir grölten laut umher, was hier oben niemanden störte. Bis plötzlich ein schriller Schrei uns alle aufhorchen ließ. Wir drehten uns blitzartig um und sahen Rosl in der der Luft baumeln. Das war ein äußert seltsamer Anblick...

Mühlstraßenbande

Erzählungen, Franz Strasser
Verlag Bibliothek der Provinz
ISBN 978-3-99028-383-7
19 x 12 cm, 100 S., € 13,00

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