Die Opposition, das Demokratiepaket und die Angst vor dem "Wind of Change"
Analyse: Warum sich die Opposition in Niederösterreich vor mehr Mitspracherecht fürchtet.
Klaus Schneeberger stand da und verstand die Welt nicht mehr. Jahrelang führte der Klubobmann der Volkspartei Niederösterreich seine Fraktion mit Geschick, aber auch mit eiserner Hand - und das nicht immer zur Freude der anderen Parteien.
Polit-Haudegen als "Bindeglied der Parteien"
Minderheitenrechte? Die standen in seiner politischen Laufbahn - nun sagen wir - nicht an oberster Stelle. Warum auch? Wer mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet ist, kann handeln - egal ob es allen passt oder nicht.
Nun stand dieser Polit-Haudegen vom alten Schlag am vergangenen Donnerstag in einer anderen Rolle vor dem Plenum im St. Pöltner Landtag. Seine neue Chefin hatte ihm den Auftrag gegeben, mit allen Fraktionen zu verhandeln, wie die parlamentarischen Rechte der Minderheiten im Land gestärkt werden könnten. Nun war das Paket fertig. Langjährige Forderungen der Opposition sind darin enthalten.
Etwa, dass ein Antrag im Landtag von nur vier Abgeordneten unterstützt werden muss, um behandelt zu werden. Oder dass Untersuchungsausschüsse in Zukunft Minderheitenrecht sind. Auch für Rechnungshof-Prüfanträge genügt in Zukunft ein Drittel aller Mandatare, nicht wie bisher die Mehrheit. Die Kosten für Rechtsberatung in U-Ausschüssen übernimmt das Land. Und nicht nur die Regierungsparteien sondern alle Fraktionen bekommen detaillierte Protokolle der Regierungssitzungen.
-Helga Krismer, Grüne NÖ
Opposition ist gegen die Stärkung der Opposition
Alles langjährige Wunschträume der Oppositions-Parteien - nun schienen sie in Erfüllung zu gehen. Allein jene, welche die Änderungen am lautesten einforderten, waren nun am lautesten dagegen. Allen voran die Grüne Helga Krismer. In einer Brandrede versuchte sie die Abgeordneten davon zu überzeugen, gegen die Verbesserungen zu stimmen. Verbesserungen seien es - ja - aber nicht genug.
Krismer: "Und da fragt sich die ÖVP, warum die Grünen mit dieser Mogelpackung nicht mitgehen? Mit diesem Paket landet Niederösterreich maximal im Mittelfeld. Und das wird jetzt mit Stimmen der Freiheitlichen und der Liste Frank einzementiert. Wir haben es nun ein bisserl ins Mittelfeld geschafft, aber von moderner Demokratie ist das weit entfernt."
Was die Grünen 2013 in einer Presseaussendung forderten, nämlich Antragsrecht ab Klubstärke, Ausweitung der Kontrollrechte und dass U-Ausschüsse Minderheitenrecht werden müssen, es war plötzlich zu wenig.
-Rupert Dworak (SPÖ) zitiert Konfuzius
SPÖ "hält sich an Konfuzius"
Ein weiterer Haudegen der niederösterreichischen Politik, SPÖ Gemeindebundobmann Rupert Dworak, erkannte zwar ebenfalls Verbesserungen, aber nach Lektüre fernöstlicher Weisheitsliteratur konnte er der Reform dann doch keine Zustimmung geben: "Wir waren uns in einigen Dingen sehr nahe, etwa bei der Klubstärke für Anträge, beim Minderheitenrecht für Untersuchungsausschüsse und bei den Infos über Regierungsbeschlüsse. Aber wir halten uns an Konfuzius: Wer bei den Kleinigkeiten keine Geduld hat, dem gelingt kein großer Plan."
Ob dieser Aussagen stand Schneeberger am Donnerstag händeringend am Rednerpult des Hohen Hauses.
"Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ich als Klubobmann der absoluten Mehrheitsfraktion hier den parlamentarischen Minderheiten mehr Rechte aufzwingen muss - gegen den Willen der Minderheiten."
Sichtbarer Aufeinanderprall der Polit-Welten
Kaum jemals war der Aneinanderprall der Polit-Welten deutlicher als in diesem Moment. Auf der einen Seite ein Politiker vom alten Schlag, der mit Mühe, aber bemüht über seinen Schatten gesprungen war. Auf der anderen Seite jene, die seit Jahrzehnten gegen ein System "Niederkorea" - wie sie es nennen - kämpfen, und im Moment der "Befreiung" doch Angst vor dem "Wind of Change" bekommen.
Hobbypsychologen sprechen in solchen Fällen gerne vom Stockholm-Syndrom. Oppositionspolitiker, die sich jahrelang in Geiselhaft eines absoluten Systems sahen, wehren sich nun gegen mehr Rechte und verteidigen den Status quo mit aller Kraft.
Doch nicht alle Oppositionsparteien haben es sich in ihrem imaginären demokratiepolitischen Kellerverlies so kuschelig eingerichtet, dass sie es nun nicht verlassen wollen.
-Gottfried Waldhäusl, FPÖ
Waldhäusl zeigt sich pragmatisch
FPÖ-Klubobmann Waldhäusl sieht es wie so oft pragmatisch: "Wenn man für Minderheitenrechte steht, soll man sie auch beschließen. Wenn man kurz vor der Ernte steht, kann man hundert Gründe suchen, die Ernte zu verschieben. Aber wenn man zu lange sucht, wird man die Ernte nicht einfahren. Wir sind glücklich, dass wir heute Minderheitenrechte beschließen, und da diskutieren wir nicht, dass wir noch ein paar Kleinigkeiten umsetzen hätten können."
Und sogar Ex-Stronach Querkopf Walter Naderer, der es ohnehin nie in parteipolitischen Korsetten aushielt, sieht die Übung gelungen: "Politik ist eine Krätschübung zwischen der Kunst des Machbaren und der Macht des Faktischen. Wir haben die Macht der ÖVP anzuerkennen. Was ist die Kunst des Machbaren? Schau ich, dass wir ein bissl was zustande bringen oder sage ich, dass alles von vornherein schlecht ist, was sie machen? Ich glaube, es ist eine Verbesserung."
Schließlich kam die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Minderheitenrechte mit Stimmen der ÖVP, der FPÖ und der verschiedenen Ex-Stronach-Mandatare doch noch zustande. Nur SPÖ und Grüne stimmten dagegen. Die SPÖ wohl auch deshalb, weil man dort Meister Konfuzius nicht zu Ende gelesen hat. Denn der chinesische Philosoph (551 bis 479 v. Chr) sagt auch: "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."
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