Die Mutter starrte einen kleinen Obstkuchen, aber entnahm kaum ein Stück davon. Sie hatte eine richtig einsame Geburtstagsfeier verbracht. Es war ihre letzte.
Einsam verließ die Mutter die Welt

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Text und Bild von Yu Hui

Ihre beiden Söhne sitzen still im Café. Der starke Kaffee bietet ihnen plötzlich einen faden Geschmack im Mund, ihre Geruchssinne werden plötzlich so abgestumpft, dass sie den Duft des Kaffees nicht mehr wahrnehmen können. Ihre Mutter wurde heute früh auf dem Boden ihres Zimmers in einem Altheim der Stadt von einer Pflegekraft tot aufgefunden.

An diesem 30. August, einem Sonntag wurde ihre Mutter endlich von ihrer Krankheit befreit und sie geht in eine paradiesische Welt, wo es keinen Schmerz und keine Einsamkeit gibt. Ob die beiden Söhne vom Ereignis überrascht wurden oder es doch erwartet hatten, lässt sich schwer an ihren komplizierten Emotionen erkennen.

Ihre Mutter, die sie nun wiedersehen dürfen, um sich von ihr zu verabschieden, liegt immer noch auf dem Boden, wohin sie gestürzt war. Ihr Körper ist von einer Decke bedeckt, auf die ein Blumenstrauß aufgesetzt wurde. Niemand von den Beiden will oder traut sich, das Gesicht ihrer Mutter freizulegen. Sie liegt einfach ruhevoll und alle warten darauf, dass sie vom Personal der Bestattungsanstalt abgeholt wird.

Darauf warten ihre beiden Söhne ebenfalls, um zum letzten Mal ihre Mutter zu begleiten. Im Zimmer der Mutter steht eine Vitrine aus Glas, 2 Meter hoch und einen halben Meter breit. Sie ist voll mit Fotos ihrer Familie, den Söhnen, Schwiegertöchter, Enkel, Urenkel und ihrem schon früher verstorbenen Mann. Die Fotos nehmen die 4 Wände der Vitrine ein und sind durch das Glas auf einen Blick gut erfassbar. Auf den Fotos lächelt jeder glücklich. Die Mutter konnte so allen Tag und Nacht begegnen, aber jeder war doch so weit von ihr entfernt. Enkel und Urenkel besuchten sie nur zu Weihnachten, und die monatlichen Besuche der Söhne wurden aufgrund der Epidemie zu Telefongesprächen reduziert.

Die Mutter konnte nur ihr primitives Tasten-Handy bedienen, in dem es kein Bildvergnügen und keine Nachrichten aus Internet gab. Natürlich konnte sie sich nicht durch WhatsApp oder irgendeiner anderen App visuell mit ihren Familienangehörigen oder Freunden austauschen. Sie hatte lange gebraucht, um überhaupt ein Handy zu nutzen und wollte am Liebsten ihr Schnurtelefon zurück. Glücklicherweise konnte sie Fernsehen, Radio hören und Zeitung lesen, aber das konnte ihre Sehnsucht nach Liebe nicht auslöschen.

Die Mutter wurde immer älter und ihre Sinne schwanden langsam. Sie sah nicht mehr gut und am Telefon taten ihr bald die Ohren weh, so dass ein Anruf meistens nur einige Minuten dauern konnte.

Vor zehn Jahren wurde Brustkrebs bei ihr  diagnostiziert. Sie ging aber erst in Behandlung, nachdem ihr schwer erkrankter Ehemann gestorben war, um den sie sich gekümmert hatte. Dadurch wurde ihr Körper erschöpft und es schien, dass es ihr nie mehr wieder besser gehen sollte.

Vor einem Jahr musste die Mutter, die zu Hause oft in Ohnmacht fiel, ihre eigene Wohnung verlassen und in ein Altenheim ziehen. Als alles Licht der Hoffnung ausgelöscht war, hatte sich aber doch der Gesundheitszustand ihrer Mutter im Altenheim verbessert. Ihre Söhne bereuten sogar, dass sie ihre Mutter nicht früher dazu überreden konnten. Die Mutter war auch mit der Versorgung zufrieden und hatte keine Angst mehr vor einem Leben im Altenheim. Da sich viele ältere Menschen dort befinden, können sie miteinander kommunizieren und es gibt eine spezielle Kantine, wo nach den Rezepten für die Alten gekocht wird. Die Aktivitäten werden auch täglich organisiert. Sollte dies ein Paradies für ältere Menschen sein?

Ohne diese Epidemie wäre die Mutter vielleicht wegen ihrer Einsamkeit nicht so früh gegangen? Zuerst gab es ein komplettes Besuchsverbot, dann war es Familienmitgliedern wieder erlaubt, unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen zu Besuch zu kommen, bei einer verkürzten Aufenthaltszeit auf 30 Minuten und maximal 2 Gästen gleichzeitig. Der Parkplatz ist nicht weit von ihrem Balkon entfernt, so konnte die Mutter ihnen lange auf dem Balkon zusehen, bis sie ins Auto einstiegen und das Auto zum Verlassen starteten.

Am Geburtstag der Mutter im März erhielt sie von ihren Familienmitgliedern die Geburtstagswünsche nur telefonisch. Aufgrund der Epidemie speisten die Alten nicht mehr in der Kantine, sondern blieben in ihren Zimmern und warteten auf die Lieferung von Mahlzeiten. In einer ernsten Phase der Epidemie wurden ihre Aktivitäten so sehr eingeschränkt, dass sie sich nur in ihren eigenen vier Wänden bewegen konnte. Unter Berücksichtigung der Sicherheitsrisiken wurde das Anzünden von Kerzen nicht erlaubt, so dass die Mutter einen kleinen Obstkuchen nur starrte, aber kaum ein Stück davon entnahm. Sie hatte eine richtig einsame Geburtstagsfeier verbracht. Es war ihre letzte.

Auf dem Bild war die Mutter in ihren schönen und energiegeladenen Jahren. Als sie ihrem jüngsten Sohn nach seinem Pinkeln die Hose anzog, knipste ihr Mann, um diesen interessanten Moment festzuhalten.

Am Ende sagt die Familie: „Liebe Mutter, Du gehst befreit in den Himmel, um dich lang und gut auszuruhen!“

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