Gedanken zur Corona-Krise
Industrieller Peter Mitterbauer: Müssen EU mit neuem Leben erfüllen

Industrieller Peter Mitterbauer, langjähriger Vorstandschef der Miba und früherer Präsident der Industriellenvereinigung Österreich sorgt sich vor dem Hintergrund der Corona-Krise um den Fortbestand der EU. | Foto: Miba
  • Industrieller Peter Mitterbauer, langjähriger Vorstandschef der Miba und früherer Präsident der Industriellenvereinigung Österreich sorgt sich vor dem Hintergrund der Corona-Krise um den Fortbestand der EU.
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Das Ausbreiten des Corona-Virus und der Kampf dagegen haben weltweit dazu geführt, dass für das öffentliche Leben die Pause-Taste gedrückt wurde. Die damit verbundene Vollbremsung der Wirtschaft wird nicht nur gravierende ökonomische sondern auch gesellschaftliche Folgen nach sich ziehen – immer wieder ist von einer "neuen Normalität" nach Corona die Rede. Die BezirksRundschau hat deshalb Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher gebeten, ihre Gedanken zur Corona-Krise und dem Leben danach öffentlich zu teilen.
Der folgende Text stammt von Peter Mitterbauer (77), früherer Vorstandsvorsitzender der Miba und bis 2004 Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung.

Wir müssen die EU mit neuem Leben erfüllen

Wie die österreichische Regierung gehandelt und die Bevölkerung die Konsequenzen und Maßnahmen mitgetragen hat, verdient großen Respekt und Bewunderung – ich bin stolz. Ich verstehe, dass jetzt Kritik geäußert wird, was besser gemacht hätte werden können. Aber das ist verschüttete Milch: Als die Entscheidungen gefällt werden mussten, war die Lage sehr fragil und forderte ein rasches und beherztes Eingreifen. Und das ist beeindruckend gut gelungen.

Internationalisierung ist Wohlstandsmotor

Die Corona-Krise hat auch Schattenseiten der Globalisierung aufgezeigt und wie fragil die Wertschöpfungsketten teilweise sind. Sie war ein Test, den wir bisher nicht hatten. Trotzdem ist eines klar: Für Österreich war die Internationalisierung ein maßgeblicher Wohlstandsmotor – und muss es auch bleiben. Der Wohlstand in Österreich ist das Ergebnis des Fleißes Aller – das gilt es auch in der neuen Normalität in veränderter Weise fortzusetzen, und dazu sehe ich gute Ansätze und Chancen.

Öffnung gegenüber Digitalisierung in Bildung

Angefangen bei den Kindern: Dass sie zuhause von Lehrern und maßgeblich von den Eltern unterrichtet wurden, war etwas ganz Neues – und es hat eine unglaubliche Öffnung gegenüber der Digitalisierung und Vernetzung durch moderne Medien gebracht. Es hat Vertrauen erzeugt, dass es auch so geht. Dass das Ganze am Anfang etwas holpertatschig gelaufen ist, war ein Weckruf: Für die weitere Entwicklung braucht es eine geeignete digitale Lernplattform, dann können wir aus den gemachten Erfahrungen etwas Positives entwickeln. Die Lehrerinnen und Lehrer haben jedenfalls eine tolle Bewährungsprobe abgeliefert. Meine Tochter hat mir gesagt, welchen Respekt sie durch den Heimunterricht vor der Aufgabe der Lehrer bekommen hat. Heißt zusammengefasst: Wir brauchen in der Bildung keinen Neuanfang, sondern neue Ansätze.
Und wir brauchen noch mehr Wertschätzung für lebenslanges Lernen – das ist auch bei uns in der Miba einer der Kernwerte. Die Österreicher und speziell die Oberösterreicher sind wahnsinnig fleißige Leute. Wir müssen das lebenslange Lernen ermöglichen, aber es ist die Verantwortung der Mitarbeiter, sich weiterzubilden – tun sie das nicht, fallen sie irgendwann aus dem Arbeitsmarkt raus und sind daran auch selbst schuld.


Österreich in Corona-Wirtschaftskrise exponiert

Der Wohlstand wird sich nicht so weiterentwickeln, wie gewohnt. Denn Österreich ist in der momentanen Situation besonders exponiert. Einerseits als Industrienation und Exportkaiser. Andererseits durch die starke Abhängigkeit vom Tourismus, der durch ein Stahlbad gehen wird. Beide Bereiche hängen maßgeblich von den Chancen und Möglichkeiten auf den internationalen Märkten ab. Was uns langfristig zu dem gebracht hat, wo wir vor Corona als österreichische Wirtschaft gestanden sind, haben wir durch Tüchtigkeit, Kreativität und Unternehmertum erreicht. Diese Tugenden muss man fördern, nicht behindern – vor allem von Seiten der öffentlichen Apparate. Es wird beim Neustart viele Fehler geben, trial and error. Aber Österreich und speziell Oberösterreich haben eine gute Startbasis für die Zeit nach Corona, weil ja der Schuldenstand reduziert und das Budget gut aufgestellt worden ist.

Müssen in EU professionell weiterwurschteln

Worüber ich mir Sorgen mache, ist die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union – nicht nur, weil der Nationalismus stark im Kommen ist. Eine Union mit 27 Nationalstaaten in so kritischen Zeiten auszurichten, ist fast unmöglich. Wir müssen da professionell weiterwurschteln, es ist Geduld und Resilienz gefragt, denn: Wir haben das Ausscheiden Großbritanniens noch nicht im Ansatz verdaut – ich halte es auch für einen großen Fehler. Italien und Spanien wurden von der Corona-Krise besonders schwer getroffen, auch Frankreich. Es bedeutet für Europa viel, wie diese Länder wieder in die Gänge kommen. Wir müssen Vertrauen und Visionen haben, um die EU am Leben zu erhalten – und wir müssen sie mit neuem Leben erfüllen. Das wird uns intensiv beschäftigen.
Es gibt derzeit viele Ansätze und Meinungen: Die Globalisierung habe versagt, der Neoliberalismus sei eine Ideologie der Vergangenheit. Aber: Ich kenne keine bessere Chance auf eine gute Zukunft – jedenfalls nicht durch Verstaatlichung und gelenkte Marktwirtschaft.

Mit ökosozialer Marktwirtschaft aus der Krise?

Dass derzeit die ökosoziale Marktwirtschaft immer wieder als Chance für den Neustart aus der Corona-Krise gesehen wird, freut mich. Ich schätze die Ansätze des früheren Vizekanzlers Josef Riegler, mit dem ich einen intensiven Austausch hatte, sehr – er hat ja das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft in Österreich in den 90er-Jahren vertreten. Wir haben in Österreich eine soziale Marktwirtschaft, die ein gängiges Modell in Europa ist. Die Ökologisierung kommt nun immer stärker dazu und wird sich durchsetzen – vorausgesetzt, man findet die marktwirtschaftlichen Möglichkeiten.
Peter Mitterbauer

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