29. März, Gründonnerstag: Das Massaker von Deutsch Schützen

Eine Plakette an der Martinskirche in Deutsch Schützen erinnert an den Tag des Massakers. | Foto: Quelle: Commons.wikimedia.org/Autor: Herzi Pinki/Lizenz: CC-BY-SA
  • Eine Plakette an der Martinskirche in Deutsch Schützen erinnert an den Tag des Massakers.
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Es kommt nicht alle Jahr vor, dass der Gründonnerstag auf den 29. März fällt. Das ist heuer so und es war auch 1945 so. An diesem 29. März 1945 betrat der erste sowjetische Soldat bei Klostermarienberg österreichischen, genauer gesagt deutschen, Boden. Fast zeitgleich fand rund 30 Kilometer weiter südlich ein Massaker an mindestens 60 ungarischen Juden statt, die zuvor beim Bau des Südostwalls eingesetzt worden waren.

Hintergrundinfo zum Bau des Südostwalls: Südostwall-Abschnitt Südburgenland

Jüdische Zwangsarbeiter in Deutsch Schützen

Die ersten jüdischen Zwangsarbeiter kamen rund um den Jahreswechsel 1944/45 nach Deutsch Schützen. Im Vergleich zu anderen Abschnitten des Südostwalls, wo es Misshandlungen und Morde durch die Wachmannschaften oder Ausbrüche von Krankheiten gab, ging es den ungarischen Juden in Deutsch Schützen vergleichsweise gut. Bewacht von nur vier steirischen SA-Männern, gut versorgt mit Essen und untergebracht in zwei Gehöften, gab es bis zu diesem 29. März 1945 keinen einzigen Toten unter den Zwangsarbeitern.

Der Haupttäter: Unterabschnittsführer HJ-Bannführer Alfred Weber

Verantwortlich für den Unterabschnitt Deutsch Schützen war HJ-Bannführer Alfred Weber, ein kriegsversehrter ehemaliger Angehöriger des SS-Regiments „Der Führer“. Ihm standen rund zehn 17-jährige Hitlerjugendführer aus dem Kreis Oberwart zur Seite, welche die Aufsicht über andere Hitlerjungen hatten, die turnusmäßig an diesem Teil des Südostwalls schanzten. Im Pfarrhof war unter Aufsicht des Deutsch Schützeners Pfarrers Johann Farkas die HJ-Küche eingerichtet worden, die nicht nur die Hitlerjugen sondern auch die jüdischen Zwangsarbeiter versorgte.

Das Verhängnis nahm seinen Lauf

Dass es zu diesem Massaker überhaupt kam, ist neben der persönlichen Schuld der Haupttäter, auch einem unglücklichen Zufall zu verdanken. Obwohl ein Evakuierungsbefehl der Kreisleitung für die jüdischen Zwangsarbeiter bestand, beschäftigte Alfred Weber die Frage, was er mit den Zwangsarbeitern machen sollte, wenn die Rote Armee Deutsch Schützen erreichte. Der böse Zufall wollte es, dass am 28. März unabhängig voneinander drei Soldaten der 5. SS-Panzerdivision „Wiking“ die Grenze bei Deutsch Schützen überschritten. Einer von ihnen war der SS-Scharführer Adolf Storms, der wie auch die beiden anderen in Ungarn von seiner Einheit versprengt worden war und sich daraufhin alleine in Richtung Reichsgrenze durchschlug. In der Nacht von 28. auf den 29. März heckten HJ-Bannführer Alfred Weber und die drei SS-Männer, ausgerechnet im Pfarrhof, den Mordplan aus.

Das Massaker forderte mindestens 60 Tote

Am nächsten Morgen wurde bei der morgendlichen Befehlsausgabe den HJ-Führern der Entschluss mitgeteilt und man schritt sofort zur Tat. Während die Hitlerjungen die 500 bis 600 Zwangsarbeiter bewachen und in kleine Gruppen einteilen mussten, begannen die SS-Männer mit dem Morden im nahegelegenen Wald. Wie viele ungarische Juden dem Massaker tatsächlich zum Opfer fielen, weiß man nicht genau, genannt wird meist eine Zahl zwischen 60 und 80. Im Laufe des Vormittages wurden die Erschießungen abrupt durch einen neuerlichen Evakuierungsbefehl der Kreisleitung gestoppt.

Evakuierungsmarsch nach Hartberg

Unmittelbar nachdem die Erschießungen aufgehört hatten, formierten sich die Marschkolonnen der Zwangsarbeiter. Einer unbekannten Anzahl von ungarischen Juden gelang in dieser Phase des Geschehens unter Mithilfe der Deutsch Schützener Ortsbevölkerung die Flucht. Die Masse der jüdischen Zwangsarbeiter marschierte aber noch an diesem Tag über St. Kathrein, Kohfidisch, Kirchfidisch und Mischendorf nach Jabing, wo genächtigt wurde. Über Rotenturm an der Pinka, Oberdorf, Litzelsdorf und Wolfau erreichte der Zug am nächsten Tag schließlich Hartberg, wo sich der Sammelpunkt für alle evakuierten Zwangsarbeiter aus dem Kreis Oberwart befand. Unterwegs hatte es bei Jabing zumindest einen weiteren Mord durch Adolf Storms an einem marschunfähigen jüdischen Zwangsarbeiter gegeben. Am nächsten Tag wurden neue Marschgruppen mit den ungarischen Juden zusammengestellt. Wie viele in weiterer Folge unterwegs in der Steiermark den Wachmannschaften zum Opfer fielen oder wie viele das Marschziel, das KZ Mauthausen und seine Außenlager, zwar erreichten aber nicht überlebten ist ebenso unklar.

Gerichtliche Verfolgung – Paradebeispiel für Österreichs problematischen Umgang mit seiner Geschichte

Während die jugendlichen HJ-Führer für ihre Rolle beim Massaker unmittelbar nach Kriegsende in einem sogenannten Volksgerichtsprozess mehrjährige Haftstrafen ausfassten, konnten die ausführenden SS-Männer nie gefasst werden. Dem HJ-Bannführer Alfred Weber konnte erst 1956 der Prozess gemacht werden. Da aber mit dem Abzug der Besatzungsmächte auch die Volksgerichtsbarkeit 1955 geendet hatte, wurde diesem als erster NS-Täter ein Geschworenenprozess gemacht. Da viele Tatzeugen unerklärliche Erinnerungslücken aufwiesen und der Zeitgeist mittlerweile auf Verdrängung umgeschaltet hatte, sprachen die acht Geschworenen den Haupttäter des Massakers frei. Ein erstes Schand- bzw. Fehlurteil in der österreichischen Nachkriegsgeschichte, dem noch viele weitere folgen sollten.

Adolf Storms – „Dann bin ich ja ein Mörder!“

Kein Ruhmesblatt für die österreichische Justiz war auch der Umgang mit Adolf Storms, dem einzigen namentlich bekannten SS-Täter. Nicht einmal als 1995 das Massengrab aufgefunden werden konnte, sah sich die heimische Justiz bemüßigt der Sache nachzugehen. Erst ein Student, der in der Gegend von Deutsch Schützen seinen Assistenzeinsatz absolviert hatte, brachte den Stein ins Rollen. Durch eine einfache Recherche im deutschen Telefonbuch machte er Adolf Storms in Duisburg ausfindig. Sein Professor Walter Manoschek setzte sich mit diesem daraufhin in Verbindung und Adolf Storms stand überraschenderweise dem österreichischen Universitätsprofessor Rede und Antwort. Herausgekommen ist ein beeindruckender Film, der auch bei der Viennale 2012 für Furore sorgte. Anders als in Österreich nahm sich die deutsche Justiz des Falles an, aber drei Wochen vor Prozessbeginn starb Adolf Storms 2010 90-jährig in Duisburg.

Walter Manoscheks Film auf Youtube: "Dann bin ja ein Mörder!"

Hintergrundinfo: Massaker von Deutsch Schützen

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