Oberwart um 1918: Zentrum des Schmuggelwesens

Proklamation des Staates "Leithabanat" 1921 | Foto: Momentothek - Langer/Schober
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OBERWART (ms). Nach Ende des 1. Weltkriegs war die Region "Deutsch-Westungarn" zu der auch der Bezirk Oberwart gehörte bis 1921 im "politischen Niemandsland" zwischen Ungarn und Österreich gefangen.
Gerade im Bezirk Oberwart war damals der Gegensatz deutlich zu spüren, während die Stadt Oberwart eher zu Ungarn tendierte, waren die umliegenden - großteils deutschsprachigen Gemeinden - für einen Anschluss an Österreich.

150 Gefallene Oberwarter

"Die meisten Oberwarter dienten im k.u.k. Infanterieregiment 83 an mehreren Fronten, 1917 kam es an die italienische Front und nahm an der 12. Isonzo-Schlacht teil. Wegen der schweren Verluste wurden die westungarischen Regimenter 76 und 83 unter dem Kommando von Oberst Anton Lehar, dem Bruder von Franz Lehar, als Regiment 106 zusammengeschlossen. Dieses kämpfte u.a. an der Piave und sicherte im Oktober 1918 den Rückzug einiger Einheiten", berichtet Wilhelm Hodits aus Oberwart.
Etwa 150 Mann aus Oberwart fielen im 1. Weltkrieg. Das Regiment 106 wurde am 14.11.1918 in Szombathely aufgelöst und die Soldaten kehrten zurück, aber ihre Heimat gab es quasi nicht mehr. "Der Landstrich gehörte zur ungarischen Republik, der letztendliche Status war aber ungeklärt, da viele Gemeinden zu Deutsch-Österreich wollten. Oberwart wollte das nicht, weil man fürchtete, dass man als ungarischsprachige Menschen in Österreich eine Minderheit wäre", so Hodits.

Hungersnot und Schmuggel

Bereits in den ersten Kriegsjahren herrschte in der Region Hungersnot und diese wurde bis Kriegsende immer größer. Die Landwirtschaft musste die Städte, Industriegemeinden und vor allem die Armee versorgen, so kam es am Land zu Engpässen. Das führte zu Preissteigerungen. Die Leute versuchten durch Zurückhalten von Produkten dem entgegenzuwirken.
"Die gesamte Situation führte zu einem Aufkommen des Schmugglerwesens. Oberwart war sozusagen das Zentrum im Schmuggel von Pferden und Rindern zwischen Ungarn und der Steiermark. Die Gendarmen waren oft selbst mitbeteiligt, da sie ja selbst nichts hatten", berichtet der Stadtführer. Dazu wütete 1918 auch die "Spanische Grippe" in Oberwart und Umgebung - alleine in Unterwart starben 76 Menschen.

November-Unruhen

Am 1. November 1918 kam es zu Unruhen, nachdem von einer Revolution in Budapest zu hören war. Von Soldaten organisiert forderte eine Menschenmenge von Oberstuhlrichter Stefan Lauringer Hausdurchsuchungen bei Beamten, um geheime Lebensmittellager aufzuspüren. Dieser Aufmarsch wurde zunächst aufgelöst, aber nachdem einige Beamte flohen, wurden deren Häuser und auch Geschäfte von Juden geplündert. Soldaten und Gendarmerie aus Szombathely beendeten die Unruhen und es gab etliche Verhaftungen", so Hodits. Von 125 angeklagten Personen wurde der Großteil bei einem Prozess 1920 freigesprochen. Eine von Johann Posch aufgestellte Nationalgarde sorgte schließlich für Ruhe und Ordnung.

Gegen Räterepublik

Die Ende März ausgerufene Räterepublik stieß in Oberwart auf wenig Gegenliebe. "In Oberwart gab es keine Kommunisten und wenig Sozialisten. Darum wurden auch Befehle aus Budapest kaum oder sehr verzögert ausgeführt. Bei der Wahl des Gemeinderates am 12.4.1919 waren auch Frauen wahlberechtigt, nicht jedoch Kaufleute, Geistliche und Narren. Die Macht hatten danach Volkskommissar Franz Molnar und Johann Posch mit seiner "Roten Garde". Ein Sonderbeauftragter namens Szöcs wurde nach Oberwart geschickt und meinte er müsse durchgreifen. Dieser wurde jedoch als angeblicher "Gegenrevolutionär" verhaftet und nach Budapest gebracht. Dafür gab es für Posch und den Gendarmerie-Kommandanten Czeiner später eine Rüge.
Der Widerstand gegen die Räterepublik von Bela Kun wuchs und so kam es auch in Oberwart zu einem Aufstand, der allerdings nach kurzer Zeit niedergeschlagen wurde. Einige Offiziere flohen in die Steiermark und reihten sich ins Kommando von Anton Lehar ein. Aber auch die Räterepublik selbst hielt sich nicht lange und so kam es auch in Deutsch-Westungarn zum Machtwechsel.

Hauptstadt von Leithabanat

Am 10.9.1919 sah der Vertrag von St. Germain vor, dass Deutsch-Westungarn an Österreich geht, wobei dies aufgrund Verzögerungen aus Ungarn und einigen Konflikten noch bis 1921 dauerte. "Während in den meisten Gemeinden dies positiv aufgenommen wurde, war man in Oberwart weniger begeistert und versuchte das zu verhindern. Es gab zähe Verhandlungen und den Versuch Gebiete um Oberwart an Ungarn zu binden", schildert Hodits.
Dabei gab es auch in mehreren Gemeinden Angriffe von ungarischen Freischärlerverbänden, die 1921 in Oberwart die einmarschierende Gendarmerie besiegten und zurückdrängten. Am 4.10.1921 wurde in Oberwart von Pal Pronay der unabhängige Staat "Leithabanat" ausgerufen, der allerdings von keinem Staat weltweit anerkannt, nur wenige Wochen existierte und Anfang November als die letzten Freischärler das Burgenland verließen verschwand. Am 26.11.1921 wurde Oberwart schließlich endgültig ein Teil von Österreich.

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