"Anschluss": „Fast alle waren von Hitler begeistert“
Der „Anschluss“ an Hitler-Deutschland jährt sich am 12./13. März das 75. Mal. Eine Zeitzeugin aus dem Bezirk erinnert sich zurück.
BEZIRK. 82 Jahre ist Zeitzeugin Anna Hackl heute alt. Die „Nanni aus Winden“ bei Schwertberg war 1938 beim „Anschluss“ gerade einmal sieben Jahre alt. „Fast alle in der Umgebung waren von Hitler begeistert. Jetzt kommt einer, der die Welt umdreht hieß es“, erinnert sich Hackl zurück, die kopfschüttelnd hinzufügt: „Und er tat es ja auch“. Das Greiner Wochenblatt berichtete euphorisch vom „Anschluss“: „Die vom Rathaus wehende Hakenkreuzflagge löste den unbeschreiblichen Jubel der Menschenmassen aus.“ In Grein wurden im März 1938 aber auch sieben Widersacher verhaftet und ins KZ Dachau gebracht. Eine Gegnerin der Nazis war Anna Hackls Mutter Maria Langthaler.
"Zur Mutter haben sie oft gesagt, sie werden dich holen"
„Ich weiß noch, dass sie viel geweint hat. Sie hat Hitler von Anfang an nicht gemocht und gesagt er bringt nur Unheil. Bei uns ist auch nie ein Hitler-Bild gehängt oder eine SS-Fahne. Zur Mutter haben sie oft gesagt, sie werden dich holen.“ Hohe Arbeitslosigkeit und die Armut in den 1930er-Jahren waren ein fruchtbarer Boden, auf den Hitler auch im Bezirk gestoßen ist. „Als der Krieg anfing, waren sehr viele Leute enttäuscht. Sie hätten gedacht, Hitler bringt uns nur Arbeit“, sagt Hackl, die aus einer Großfamilie mit sechs Burschen und drei Mädchen kommt. Fünf Brüder mussten einrücken, alle überlebten. Das KZ Mauthausen sperrte am 8. August 1938 auf. „Aber was dort passierte, war damals in der Bevölkerung kein Gesprächsthema. Es ist erst zum Ende des Krieges durchgesickert“, so Hackl. Im KZ Mauthausen wurden rund 100.000 Menschen getötet, 40.000 starben in Gusen. Viele Bilder wird Hackl nie aus dem Kopf bekommen.
Vortragstätigkeit an Schulen
„Wenn ich etwas über einen Krieg sehe, gruselt es mich.“ Bei Sirenengeräuschen schreckt sie wie viele ältere Mitbürger heute noch auf. Auf der Nachbarwiese lagen 1944 nach einem Fliegerkampf die Einzelteile des Fliegers und tote englische Piloten, erzählt sie. Geprägt hat Hackl die „Mühlviertler Hasenjagd“. Ihre Mutter hat zwei geflohene russische KZ-Häftlinge drei Monate lange am Bauernhof der Familie versteckt. Noch heute hält Hackl rund 30 Vorträge im Jahr an Schulen. „Eine Nachbarin sagte: ‚Das ist die Mission, die du für deine Mutter machen musst‘. Ich werde aber auch oft angesprochen, dass ich endlich mit der Vergangenheit aufhören soll.“ Ob Adolf Hitler jemals im Bezirk Perg war, ist nicht bekannt. Fest steht nur, dass er in Linz war und nie im KZ Mauthausen.
Zur Sache
Am 12. März 1938 marschierten SS und Wehrmacht in Österreich ein. Am 13. März trat das „Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ in Kraft. Das KZ Mauthausen ging am 8. August 1938, das KZ Gusen am 25. Mai 1940 in Betrieb. Am 5. Mai 1945 wurde das KZ Mauthausen befreit.
Walter Hofstätter im Interview
„Es hat klein angefangen und plötzlich war es groß“
MAUTHAUSEN. Walter Hofstätter ist Vorsitzender der antifaschistischen Gruppe perspektive mauthausen.
BezirksRundschau: Haben Sie Angst, dass so etwas wieder passieren könnte?
Hofstätter: Ja, ich habe Angst, dass der Faschismus nicht der Vergangenheit angehört. Arbeitslosigkeit und soziale Nöte schaffen Ängste, die Nährboden für rechte Demagogen sind. Die rassistischen Aktivitäten nehmen leider zu.
Warum engagieren Sie sich?
Ich erinnere mich sehr gut an die Worte eines Zeitzeugen: „Es hat ganz klein angefangen und plötzlich war es ganz groß“. Ich engagiere mich, damit es nicht wieder groß wird. Wesentlich ist, das Erinnern mit Entwicklungen und Gefahren der Gegenwart zu verbinden.
Und in welcher Form?
Die perspektive will Mut machen, Zivilcourage zeigen und wenn nötig „nein“ sagen. Ich trage keine Verantwortung für damals, aber wir tragen Verantwortung für Gegenwart und Zukunft. Der Schwur der Überlebenden „Nie mehr Faschismus, nie mehr Krieg“ ist ein Auftrag, für eine gerechte, demokratische, solidarische Gesellschaft zu wirken.
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