Zukunftssorgen trotz Musterintegration
Junger Afghane beeindruckt Topmanager und internationale Staatsgäste

Produktidee mit Potential: Faramarz Karimis Clip-On Ladegerät bekommt Energie vom Dynamo und kann als Beleuchtung und Handyladegerät eingesetzt werden. | Foto: Eckhart Herbe
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  • Produktidee mit Potential: Faramarz Karimis Clip-On Ladegerät bekommt Energie vom Dynamo und kann als Beleuchtung und Handyladegerät eingesetzt werden.
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Er hat 2015 als 18-Jähriger sein erstes Wort Deutsch gesprochen und wird 2021 an der HAK Perg maturieren. In gut fünf Jahren hat der junge Afghane Faramarz Karimi, mit seinen Eltern und zwei jüngeren Geschwistern vor den Taliban nach St. Georgen an der Gusen geflüchtet, einen beeindruckenden Weg beschritten. Er erfand ein smartes Produkt und gewann mit vier Klassenkameraden dafür einen internationalen Businesspreis inklusive Smalltalk mit Topmanagern. Sein Lieblingsfach ist Ethik, er spricht vor internationalen Staatsgästen und KZ-Opfern und vernetzt St. Georgener Bürger, denen er durch Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit auffällt. Jeder Personalchef würde sein Profil wohl mit einem dicken Rufzeichen versehen. Trotz dieser Topleistungen muss Faramarz noch immer bangen, in Österreich bleiben zu dürfen.

ST.GEORGEN/GUSEN. Seit seiner Ankunft in St. Georgen auf der Flucht vor der Zwangsrekrutierung durch radikalislamische Taliban-Rebellen hatte Faramarz in nur neun Monaten so gut deutsch gelernt, dass er im Herbst den Einstieg in die HAK Perg schaffte. Viele erinnern sich an ihn während dieser Zeit: Stets mit  Handy und Kopfhörer unterwegs, deutsche Sätze seines Audiokurses murmelnd, die er bei jeder Gelegenheit ausprobierte.

Sechs Sprachen gelernt, "FaRADmarz" erfunden

Mittlerweile beherrscht er sechs Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Farsi (Persisch) und Arabisch. Wie schwierig es ist, eine Fremdsprache zu erlernen, die nicht in der eigenen Muttersprache, sondern in wieder einer anderen Fremdsprache erklärt wird, kann sich jeder Schüler gut vorstellen.
Doch Faramarz mobilisierte noch weitere Energien. Als 2018 im Gegenstand BPQM (Businesstraining, Projekt- und Qualitätsmanagement, Übungsfirma und Case Studies) Ideen für eine Übungsfirma gefragt waren, hatte „FaRADmarz“ Premiere: "Ich bin begeisterter Radfahrer und hatte ein altes Smartphone, dem dauernd der Akku ausging. Der Dynamo fürs Licht hat mich auf die Idee gebracht, ihn als Energieerzeuger für eine Powerbank zu nutzen, die gleichermaßen als LED-Beleuchtung aber auch als Ladestation für ein Handy einsetzbar ist.  Ich habe wochenlang recherchiert, mir fehlten aber einige technische Grundlagen. Die hat mir mein Freund Daniel Haun aus Luftenberg, ein Technikstudent mit HTL-Matura, vermittelt.  Wir haben die nötigen Teile eingekauft und an ein paar Wochenenden einen Prototyp gebaut. Ich möchte ihm für alles danken, ohne ihn würde dieses Projekt nicht existieren", erzählt Faramarz in der für ihn typischen Bescheidenheit.
Sein Gerät ermöglicht den Anschluss von Mobiltelefonen, Navigatoren, PDAs oder MP3-Playern an einen Fahrraddynamo und verfügt über eine USB-A-Buchse. Es ist somit möglich, Ladekabel verschiedenster Geräte zu verwenden. Das Ladegerät verfügt über eine rote LED-Energieanzeige, die man auch als Rücklicht nutzen kann und ist einfach zu installieren.

Businessplan-Sieger unter 640 Projekten

Seine Klassenkollegen waren von der Produktidee begeistert und benannten sie ihm zu Ehren in Anlehnung an seinen Vornamen "FaRADmarz". Mit Faramarz, Anna-Maria Scheiblhofer, Lukas Auböck und Mirnes Golubic als Kernteam entstand ein Businessplan, dem im wahrsten Sinne des Wortes leuchtender Erfolg beschieden war. Nach dem OÖ-Sieg fuhr das Projekt unter 640 Einreichungen berufsbildender mittlerer und höherer Schulen aus ganz Österreich, Südtirol, Albanien und Bulgarien beim Bundesfinale in Innsbruck einen überlegenen Sieg ein. Faramarz und seine Kollegen wurden mit einer Einladung zum "Global Peter Drucker Forum Vienna", bei dem sich das  Who is Who internationaler Topmanager der Elektronikbranche trifft, belohnt . Beste Gelegenheit also zum Smalltalk mit den Chefs von Wirtschaftsgiganten wie etwa Samsung .

Engagiert in Bewusstseinsregion und Gemeinde 

Ergänzt durch sein umfangreiches Know-How in der Social Media Kommunikation, das er mit mehreren Praktika in einer Werbeagentur vertiefte, hat der 23-jährige wohl schon vor der Matura beste Karten für den Berufseinstieg bei vielen Personalisten. Diese würden in seinem Lebenslauf bei den sozialen Kompetenzen weitere interessante Facts entdecken: So hielt Faramarz 2018 auf Einladung der Organisatoren der internationalen KZ-Befreiungsfeier in Gusen vor hochrangigen Staatsgästen und Überlebenden aus Europa und Übersee eine berührende Rede zu Toleranz und Menschenrechten und meldete sich auch erst kürzlich bei der Eröffnung des "Hauses der Erinnerung" zu Wort. Sein zeitgeschichtliches und gesellschaftliches Interesse führte ihn gemeinsam mit seiner Schwester Marziyeh zum ehrenamtlichen Einsatz in der Bewusstseinsregion. Aber auch Livestreams und Social Media Reports von Bürgerbeteiligungsprojekten wie "L(i)ebenswertes St. Georgen" zählen zum Portfolio seiner Hobbys. Bildung steht bei den Karimi-Geschwistern generell hoch im Kurs. Bruder Edris besucht erfolgreich die dritte Klasse der Handelsschule, Schwester Marziyeh hat diese schon absolviert und macht gerade den Aufbaulehrgang in die HAK Auhof. Und bei der vierjährigen, in St. Georgen geborenen Schwester Helia ist der Mühlviertler Dialekt neben ihrem Hochdeutsch, das ihr die Geschwister beibringen, bereits gut hörbar.

Noch immer kein positiver Asylbescheid

Angesichts dieser mustergültigen Integration klingt es wie Hohn, dass wenige Tage vor endgültiger Erlangung des humanitären Bleiberechts nach sechs Jahren kurzfristig eine erneute Asylverhandlung angesetzt wurde. Nächste Woche wird die Familie am Bundesasylgericht in Wien befragt. Faramarz erhält eine eigene Verhandlung, weil er bei Ankunft in Österreich schon volljährig war. Also wieder banges Warten für die Karimis. Es bleibt zu hoffen, dass praktische Vernunft und Humanität siegen werden - Nachbarn wie Faramarz und seine Familie wünschen sich in St. Georgen viele.

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