Geschichte
Vortrag mit Filmemacher Andreas Sulzer: Was geschah im Lager Gusen?

Herwig Siegl (Seniorenbund Wartberg), Martha Gammer (Gedenkdienstkomitee Gusen), Filmemacher Andreas Sulzer, Rudolf Haunschmied (Gedenkdienstkomitee Gusen) und Seniorenbund-Obmann Heinrich Schützeneder.
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  • Herwig Siegl (Seniorenbund Wartberg), Martha Gammer (Gedenkdienstkomitee Gusen), Filmemacher Andreas Sulzer, Rudolf Haunschmied (Gedenkdienstkomitee Gusen) und Seniorenbund-Obmann Heinrich Schützeneder.
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Bei einem Vortrag mit dem Titel "Lager Gusen – was geschah dort wirklich?" stellte Filmemacher Andreas Sulzer Ausschnitte seines jüngsten Films in Wartberg/Aist vor.

Zwei Tage danach fand im Aktivpark St. Georgen an der Gusen zum selben Thema eine Veranstaltung mit staatlichen und lokalen Historikern, Behörden- und Gemeindevertretern statt. Mehr dazu im Beitrag.

WARTBERG/AIST, LANGENSTEIN, ST. GEORGEN/GUSEN, MAUTHAUSEN. "Die geheimste Unterwelt der SS" nennt sich der neue Film des Wartbergers Andreas Sulzer, der am 8. September im ZDF ausgestrahlt wurde und für Aufsehen und viele offene Fragen sorgte. Obmann Heinrich Schützeneder und Bildungsreferent Herwig Siegl vom Seniorenbund Wartberg luden Sulzer sowie Martha Gammer und Rudolf Haunschmied vom Gedenkdienstkomitee Gusen ins Wartberger Veranstaltungszentrum. Mehr als 250 Besucher lauschten zweieinhalb Stunden lang gebannt den Worten der drei Vortragenden. Sulzer präsentierte seine neuesten Forschungsergebnisse, Dokumente aus in- und ausländischen Archiven, alte Fotos und auch Ausschnitte aus seinem Film. Sein Fazit: Das Konzentrationslager Gusen soll weit größer gewesen sein als bisher angenommen – ein "dunkles Kapitel" der Geschichte. "Diese Forschungsergebnisse kann man nicht mehr ignorieren", ist er überzeugt. Die Menschen müssten bereit sein, "der Wahrheit ins Auge zu sehen". Bisher erntete der Filmemacher von vielen Historikern und den verantwortlichen Behörden Skepsis bis Ablehnung. Seit der Veröffentlichung des neuen Films sei laut Sulzer aber "ein konstruktiver Dialog" entstanden.

Gusen II war "Hölle aller Höllen"

Fest steht, dass die SS bereits im Jahr 1938 begann, in Mauthausen und Gusen Grundstücke für den Granitabbau zu erwerben. Gefangene mussten in den Steinbrüchen der Deutschen Erd- und Steinwerke GmbH (Dest) Zwangsarbeit verrichten, wurden geschunden bis zum Tod. Hunger und Seuchen prägten den Alltag der Inhaftierten. Es ist auch bekannt, dass ab 1944 unter dem Tarnnamen "Bergkristall" in unterirdischen Stollen Flugzeugteile für die deutsche Luftwaffe gebaut wurden. Die Arbeitskräfte wurden im Lager "Gusen II" untergebracht, von Überlebenden als "Hölle aller Höllen" bezeichnet. Wenige Tage nach der Befreiung im Jahr 1945 wurde es von den US-Amerikanern wegen der akuten Verseuchung niedergebrannt.

"Bergkristall" angeblich nur Bruchteil von unterirdischer Anlage

Die "Bergkristall"-Stollen sind nach offiziellem Stand acht Kilometer lang. Sulzer ist es gelungen, in Militär- und Geheimdienstarchiven Dokumente zu finden, die angeblich belegen, dass Hans Kammler, General der Waffen-SS und Bauleiter sämtlicher KZ-Anlagen, wesentlich größere unterirdische Projekte als bloß den Stollen von "Bergkristall" verwirklicht habe. Wegen seiner "Geheimwaffenproduktion" sei Kammler der von alliierten Geheimdiensten meistgesuchte Mann gewesen. Sulzer geht davon aus, dass die Amerikaner Kammlers Tod vorgaben, um sein Wissen vor den Sowjets geheim zu halten. Mit originalen Plänen und Zeichnungen will der Filmemacher belegen, welche Befliegungen und Auswertungen die Amerikaner in den Jahren 1943/44 durchführten. Messungen von Höhenniveaus sollen ergeben haben, dass die US-Amerikaner von einer "großen unterirdischen Fabrik" in Gusen gewusst haben. In einem Filmausschnitt spricht Historiker Stefan Karner davon, dass nicht nur eine unterirdische Etage, sondern womöglich eine "zweite, dritte, vierte oder fünfte" existiert.

Zeitzeuge hat Raketenbau gesehen

Nicht nur eine Fabrik, sondern auch ein unterirdisches Lager für Häftlinge könnte sich laut Sulzer in Gusen befunden haben. Flugzeug-Aufnahmen von Luftschächten würden diese Theorie bekräftigen, außerdem unerklärliche Lieferungen nach Gusen, Originalpläne mit unterirdischen Bahneinfahrten und Rettungspläne, die Häftlinge für den Fall eines Angriffs gezeichnet haben sollen. 80.000 Häftlinge seien laut Sulzers Theorie zu Kriegsende bei einem Scheinangriff in diesen Stollen von den Nazis getötet worden. Walter Chmielewski, Sohn des ehemaligen Lagerkommandanten von Gusen, erinnert sich im Film daran, mit eigenen Augen einen Raketenrumpf unter der Erde von Gusen gesehen zu haben. Auch vom "unterirdischen KZ" habe er die SS sprechen hören.

Stollen womöglich 40 Kilometer lang

Wie lange die Stollen tatsächlich gewesen seien? Sulzer wagt eine Prognose von 40 Kilometern, wobei er sich unter anderem auf das österreichische Staatsarchiv beruft. Brisant: Die SS habe nach seinen Informationen hochrangige Wissenschaftler dazu gezwungen, ihre Forschungsergebnisse zu Atomenergie preiszugeben. Sulzer zitierte in Wartberg aus einem Dokument der Amerikaner, in dem wörtlich von "Anlagen der geheimen Atombomben" unter der Erde die Rede ist. Sulzer schließt: "Es wird nicht ausbleiben, Grabungen und Bohrungen durchzuführen, weil die SS so viele Akten vernichtet hat." Was er als besonders verdächtig einstuft: "Wieso sind so viele Akten bis heute gesperrt?"

Skepsis zu Sulzers Forschungen

Während Sulzer und das Gedenkdienstkomitee davon überzeugt sind, dass Gusen weit mehr als nur ein Nebenlager von Mauthausen ist, kommt von anderen Seiten entschiedener Widerspruch. Eine Expertenkommission befand Sulzers Theorien bereits vor Jahren für unschlüssig. Barbara Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, äußerte außerdem Unmut darüber, dass der Filmemacher seine Forschungsergebnisse nicht herausgeben würde. Auch St. Georgens Bürgermeister Erich Wahl meint: "Bei der Aussage, dass es möglicherweise ein unterirdisches KZ gab, bin ich ausgesprochen skeptisch."

Mehr Berichte zu Andreas Sulzer und dem KZ Gusen

Oktober 2014: Filmemacher Andreas Sulzer im Interview
Oktober 2014: Expertengruppe startet in Kürze
Oktober 2016: "Universum History" sucht "Hitlers Atombombe"
Oktober 2014: Infoabend in St. Georgen/Gusen
Juli 2019: KZ-Gedenkstätte Gusen soll erweitert werden
September 2019: Martha Gammer vom Gedenkdienstkomitee Gusen im Interview
September 2019: Stellungnahme von Bürgermeister Wahl
Oktober 2019: Infoabend mit Experten in St. Georgen/Gusen

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