Kein Milchvertrag - Politik & Kammer nicht zuständig

Martin Kurzmann, Bad Kreuzen
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BAD KREUZEN. Martin und Gabriela Kurzmann haben weiterhin keinen Milchliefervertrag. Mehrere Molkereien sagten ab, die Biomilch abzuholen. Bei einer Molkerei, die letzte Hoffnung vor dem Zusperren des Bauerhofs, ist man in der "Warteschleife".
Die BezirksRundschau holte Meinungen aus Politik und Landwirtschaft zu diesem brisanten Fall ein. Landesrat Max Hiegelsberger:„ Die Agrarpolitik bedauert jeden einzelnen Bauern, der seine Landwirtschaft aufgibt oder aufgeben muss. In diesem Fall handelt es sich aber um eine Unternehmensentscheidung der Genossenschaften, die von der Politik klar zu trennen ist. Es bleibt der Wunsch nach einer zufriedenstellenden Lösung.“
Franz Reisecker, Präsident der Landwirtschaftskammer, LWK, erklärt: „Grundsätzlich unterstützen wir alle Landwirte, dass sie einen Abnehmer finden. Ich habe mit allen Molkereien Gespräche geführt, dass, die, die keinen Liefervertrag haben, möglichst aufgenommen werden. Die LWK betreibt keine Molkerei. Daher kann ich keiner Genossenschaft was anschaffen. Die Entscheidung liegt bei den Molkereien."
Bezirksbäuerin Barbara Payreder: „Ich kann gut nachvollziehen, dass die Familie Kurzmann in einer schwierigen Situation ist. Es tut mir für die Familie persönlich leid. Es war eine unternehmerische, freiwillige Entscheidung des Bauern, die Milch an die freie Milch zu liefern und nicht mehr an die Molkereigenossenschaft. Kurzmann hat sich dort höhere Preise für die Milch erwartet als von der Molkerei. Tatsache ist, dass das Konzept leider nicht aufgegangen ist."
Clemens Stammler, Obmann der Grünen Bauern OÖ in einer Presse-aussendung: „Die Bemühungen der LWK für Milchbetriebe, Lösungen zu finden, waren kauf wahrnehmbar. Franz Reisecker sprach von 'unternehmerischem Risiko' der Milchbetriebe und 'keinem Zwang' der Genossenschaften, Milch übernehmen zu müssen. In dieser Causa nahm er wohl seine Position als Genossenschaftsanwalt wahr, den 'freien' Markt der Mächtigen zu schützen."
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Schriftliche -Stellungnahme Barbara Payreder in voller Länge
Ich bin selber Bäuerin und mit unserem Betrieb im Bereich Galloway-Mutterkuh-Rinder, Direktvermarktung von Wildmasthenderln und Waldwirtschaft tätig.
Ich kann daher gut nachvollziehen, dass die Fam. Kurzmann in einer schwierigen Situation ist und es tut mir für die Familie persönlich leid. Ich bin auch in der Interessensvertretung engagiert und somit für die Interessen aller Bäuerinnen und Bauern tätig. Die Landwirte sind selbstständige Unternehmer, auch wenn man durch öffentliche Mittel Ausgleichszahlungen erhält damit die Lebensmittelpreise für die Konsumenten niedrig bleiben.
Es war eine unternehmerische, freiwillige Entscheidung des Bauern die Milch an die freie Milch zu liefern und nicht mehr an die Molkereigenossenschaft. Herr Kurzmann hat sich dort höhere Preise für die Milch erwartet als von der Molkerei. Tatsache ist, dass das Konzept leider nicht aufgegangen ist. Dies zeichnete sich bereits lange ab, denn die Preise waren in den letzten Jahren dort weit unter den Preisen die die Molkerei zahlen konnten. Die Begründer und von Herrn Kurzmann als Milchrebellen Bezeichneten, haben bereits lange zuvor den Ernst der Lage erkannt und wieder neue Lieferpartner gesucht und auch zumeist gefunden. Dies gilt für einen Großteil der Milchbauern die bei der IG-Milch waren. Warum das bei Herrn Kurzmann letztendlich nicht geklappt hat, kann ich nicht beurteilen. Eine konkrete Anfrage von Herrn Kurzmann bei der Landwirtschaftskammer hat es – soweit mir bekannt ist - bisher nicht gegeben.
Es ist für alle Bauern hart, auf Produktpreise zu kommen, die das Fortbestehen der Betriebe langfristig absichert. Für Herrn Kurzmann ist der UBV seine politische Vertretung. Ich verstehe daher nicht, warum ihm dann nicht von genau dort auch Unterstützung zuteil wird, wo dort ja auch gute Kontakte zu einer Milchliefergemeinschaft existieren, die ins Ausland liefert. Ich wünsche der Familie wirklich nur das Beste, denn wir als Interessensvertretung der Bäuerinnen und Bauern kämpfen darum, alle bäuerlichen Familienbetriebe zu unterstützen wo es nur geht, egal in welcher Form sie ihren Hof bewirtschaften.
Deshalb veranstaltete der Bauernbund auch am vergangenen Samstag, 8. April 2017 wieder bei vielen Handelsfilialen eine Aufklärungsaktion um die Konsumenten dazu zu bewegen mehr darauf zu achten, dass Österreich im Einkaufswagerl ist (siehe beiliegenden Flyer). Denn das ist letztendlich die beste Hilfe für die bäuerlichen Betriebe: wenn sie Absatzmöglichkeiten zu guten Preisen haben. Würden 10% mehr österreichischen Produkte gekauft werden, dann ergäbe das immerhin ca. 20.000 Arbeitsplätze und dazu noch die Absicherung der Arbeitsplätze auf unseren Höfen.

Presseaussendung von Clemens Stammler, Obmann der Grünen Bauern OÖ
:
Aus für 35 Milchbäuerinnen und Milchbauern?
Mit Ende Mai stellte die „Alpenmilchlogistik“, die Nachfolgerin der „Freien Milch Austria“ (bekannt auch als Vermarktungsorganisation der IG Milch „Milchrebellen“) ihre Tätigkeiten ein. Zu groß waren die Sammelwege, zu groß war das Preistief, zu groß die Konkurrenz, die den Markt dicht machte.
160 Bäuerinnen und Bauern wurden auf den Weg geschickt, sich neue Partner zu suchen. Jeder für sich. Denn eines war klar: die Leader der IG Milch konnten nicht als Vermittler und Verhandler in den Ring der Genossenschaftsmolkereien steigen. Dies würde nur schlecht verheilte Wunden aufreißen. Die Bäuerinnen und Bauern stellten Anträge an Molkereien, in deren Sammelgebiet sie liegen. Ohne erkennbares System nahmen Molkereien einzelne Betriebe unter Vertrag, andere im selben Dorf liegende Betriebe jedoch nicht. Die durch die von der IG Milch jahrelang angeprangerte Marktmacht der Raiffeisen Genossenschaftsmolkereien schlug für 35 Milchbäuerinnen und Milchbauern erbarmungslos zu. Sie blieben ohne Vertrag.

Die Genossenschaft ist nur dem treuen Genossen verpflichtet
Die Raiffeisen Genossenschaftsmolkereien verarbeiten 95% der in Österreich gesammelten Kuhmilch. So sehr sich diese oft untereinander uneins sind und in Konkurrenz zueinander stehen - schert eine Gruppe Bäuerinnen und Bauern aus, so stehen die Reihen eng.
Diese Marktmacht muss kartellrechtlich geprüft werden! Das Verhältnis zwischen LieferantIn und Molkerei basiert keineswegs auf Augenhöhe. Der „Vereinigung der Milchverarbeitungsbetriebe“ (VÖM) mit Sitz im Raiffeisentower in Wien steht keine Organisation der Milchbäuerinnen und Milchbauern gegenüber. Deren Einrichtung wird von der EU zwar gefordert, Branchenverbände werden aber aus Angst vor Machtverlust von der österreichischen Milchlobby (Molkereien, VÖM, Raiffeisen, Landwirtschaftskammern) massiv blockiert.
Wer den Markt hat, hat die Macht, aber auch die Verantwortung. Daher luden die Grünen Bäuerinnen und Bauern die Vertreter der betroffenen Molkereien und die Vertreter der Kammerfraktionen am 27.02.2017 zum Milchdialog in die LK OÖ, um die einzelnen Meinungen abzugreifen, aber auch um vermittelnd nach Lösungen für die Milchviehbetriebe zu suchen. Immerhin konnten wir protokollieren: „Unter den Teilnehmern herrschte Konsens darüber, dass kein Betrieb gezwungen sein soll, die Milchproduktion einzustellen.“ Für einige waren dies wohl nur hohle Worte.
Die Bemühungen der Landwirtschaftskammer für die Milchbetriebe Lösungen zu finden waren kaum wahrnehmbar. Obwohl es sich um die ureigenste Aufgabe einer Kammer handelt, sich als Interessensvertretung für ihre Mitglieder einzusetzen. Der OÖ Landwirtschaftskammerpräsident Franz Reisecker sprach von „unternehmerischem Risiko“ der Milchviehbetriebe und „keinem Zwang“ der Genossenschaften, Milch übernehmen zu müssen. Damit stellte er seine eigene Funktion und die der LK in Frage. In dieser Causa nahm er wohl seine Position als Raiffeisen-Genossenschaftsanwalt war, den „freien“ Markt der Mächtigen zu schützen. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter belohnte indes die Härte und Ignoranz der Molkereien gegenüber den LandwirtInnen, die ab 1. April keinen Abnehmer mehr für ihre Milch haben, indem er dieser Tage 18 Millionen Euro “Bauerngeld“ aus dem Programm für ländliche Entwicklung an eben diese Verarbeitungsbetriebe umschichtet. Dir Grünen Bäuerinnen und Bauern fordern eine EU-weite flexible Mengensteuerung, die Installierung echter Branchenverbände und die kartellrechtliche Überprüfung der Milchwirtschaft.

Auch die Bezirksbauernkammer Perg wurde eingeladen, zu diesem Thema ihre Meinung zu sagen. Es gab keine Antwort. Insgesamt sind 37 Milchbauernfamilien betroffen.

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