auf dem Weg zum Bergsteiger

Am 20. Mai 1998 am Gipfel des 8201 m hohen Cho Oyu. Im Hintergrund der 8848 m hohe Mount Everest, Lhotse 8516 m und Nuptse 7861 m (li. n. re.)
  • Am 20. Mai 1998 am Gipfel des 8201 m hohen Cho Oyu. Im Hintergrund der 8848 m hohe Mount Everest, Lhotse 8516 m und Nuptse 7861 m (li. n. re.)
  • hochgeladen von rudi roozen

Eine Szene aus meiner Jugend – auf dem Weg zum Bergsteiger

Der kleine Kohlenofen im beengten Wohnzimmer ist noch warm vom Nachheizen am späten Abend. Die kleine Wohnung, eine ängstliche Oma, die meine kleine eigene Welt sehr einschränkt, drückt mein jugendliches, unternehmungsdurstiges Gemüt in eine Zündholzschachtel zusammen, deren roten Streichholzköpfen jederzeit zu entflammen drohen. Dieser, für mich zur Verfügung stehender Raum ist zu eng. Der schulische Druck im Gymnasium machen meine Lage nicht gerade leichter. Ich will mich entfalten, wie ein Schmetterling, der gerade aus seinem Kokon schlüpft und seine Flügel ausbreitet. Ich will raus, raus in die befreiende Natur.

Meine kräftigen braun gebrannte Hände stopften hastig die letzten Reste der Kletterseile in den Rucksack. Neugierige Blicke, die mir über die Schulter schauen, als würden ihr irgend etwas entgehen, beobachten mein
Treiben, ohne dass es mir auffällt. Die forsche Stimme meiner Großmutter gleitet wie ein kalten Schreck über meinen Rücken. Leichte Röte schießt mir ins Gesicht. Die Enttäuschung, sie angelogen zu haben, nicht mit meinem Freund wandern, sondern klettern zu gehen, ist groß. Ihre Stimme ist hysterisch und angsterfüllt. Die aufgedunsene Arme wollen die Seile
aus dem Rucksack zerren, sie wegsperren. Meine beruhigenden Worte wie: " Es sei nicht gefährlich", "Es passiert schon nichts",
zeigen keine Wirkung. Kurzer Hand wird die Wohnungstüre zugesperrt, den Schlüssel in den Ausschnitt ihres Kleides, das ihre üppige Oberweite umschließt, gesteckt. Siegessicher und mit erhobenen und drohenden Finger, durchdringt ihre doch unsichere Stimme den kleinen Vorraum: "Da kommst mir nicht raus."
Peter, mein Kletterpartner, der mit seinem Puch 500, sieben Stockwerke tiefer, auf mich wartet, klingelt bei der Fernsprechanlage. Unruhe macht sich in mir breit. Ich möchte ihn nicht warten lassen, mit ihm klettern, den Tag genießen, den mir zu eng gewordener Alltag entkommen.
Der Versuch mit beschwichtigende Worte in bewusst beruhigende Stimmlage, ändert nichts an der Situation. Die Türe bleibt zu, der Schlüssel in ihrem Versteck, eine mit Arme verschränkte Oma den Zugang zur Türe versperrend. Auch zur Fernsprechanlage lässt sie mich nicht. Die Zeit drängt. Der Sekundenzeiger der Wanduhr dreht seine Runden.
Meine Oma geht ins Wohnzimmer und lässt sich im Lehnsessel nieder. Meine Gedanken kreisen. Ungezähmte Ideen. Intuitiv, leise, mit schnellen sicheren Griffen, werden die Seile aus dem Rucksack geholt. In wenigen Schritten bin ich bei der Balkontüre. Die entwirrten Seile um die Metallstreben der Balkonbrüstung gelegt. Geschickte Finger verknoten die Seile miteinander. Behände, als wenn ich dies jeden Tag mache, überklettere ich das Geländer. Das Seil zum Abseilen mit einer Hand um den Körper schlingend,. mit der anderen mich an der Reling festhaltend, tappen meine Füße die ersten Schritte der Hausmauer hinunter. Leichtfüßig, hurtig, die Hauswand nicht verletzend. Die beiden Seilstränge scheuern an meinem Hosenboden.
Es wird warm, erträglich. Noch zehn Meter trennen mich vom sicheren Boden des Innenhofes. Ein ängstlich, kontrollierender Blick hinauf. Die ergrauten Haare meiner Großmutter wehen weit oben über der Balustrade.
Ihre schrille, angsterfüllte Stimme hallt durch den Innenhof: "Du Lauser, ich ruf´ die Polizei, die Polizei".
Unten. Hastig ergreifen die Hände, eine nach der anderen, hinunterziehend, ein Seilstrang und zerren es hinunter.
Das laute Reiben des Seiles am Metall. Angst, von anderen Bewohner gesehen zu werden, treiben mein Puls in die Höhe. Einige Schlingen der Seile lugen noch aus dem Rucksack heraus, als ich ihn auf meinem Rücken schwinge. Schnelle Schritte verhallen im Hof. Peter sieht mich laufen und macht freudig eine Türe seines kleinen Autos auf. Der Motor heult auf. Als der kleine Puch das Haus-Eck erreicht, spüre ich die Blicke meiner Großmutter nicht mehr. Spätere Ausflüge zum Klettern wurden von ihr geduldet.

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