Diskussion zu Flächenfrass und Verschandelung: Der Wettlauf der Schiachheit

St. Martin mit dem neuen Gewerbegebiet direkt an der B 311. Ein anschauliches Beispiel für die von Leitner vorgebrachte Problematik. | Foto: Roland Wieland
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  • St. Martin mit dem neuen Gewerbegebiet direkt an der B 311. Ein anschauliches Beispiel für die von Leitner vorgebrachte Problematik.
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ST. MARTIN. Dem Kulturverein Binoggl ist ein großer Coup gelungen: ORF-Journalist Tarek Leitner konnte im Rahmen der Bildungswoche St. Martin zu einem Vortrag eingeladen werden. Der ZIB-Moderator hat sich durch Bücher wie "Mut zur Schönheit - Streitschrift gegen die Verschandelung Österreichs" und "Wo leben wir denn?", einen Namen als strenger Kritiker von Architektursünden gemacht.

Dramatische Veränderungen

In der Diskussion meldeten sich vor allem Gemeindevertreter zu Wort, die auf Unterstützung in eigener Sache hofften. Es gibt Bestrebungen, die Bauordnung wieder zu verschärfen. "Es müssen strenge Bauvorschriften kommen, die Schachtelformen müssen weg", meinte Anton Millinger (SBG). "Es sind Baustile eingerissen, die hier nicht hergehören. Die Region soll nicht austauschbar sein", bekräftigte Vizebgm. Willi Leitinger (WPS). Tarek Leitner gab zu bedenken, dass Häuslbauer sich eingeschränkt fühlen, wenn sie strengen Regeln wie dem Aussehen der Fenstersprossen unterworfen werden, während für den Gewerbebau daneben keine Vorschriften gelten. "Die Schönheit der Landschaft lassen wir uns oft um wenig Geld abkaufen", mahnte er. "Wenn jemand sagt, das rechnet sich, kippt die Baubehörde um, weil nur der ökonomische Faktor zählt." Er betonte, nicht für den Stillstand zu plädieren, aber man dürfe nicht alles der Wirtschaft unterwerfen. "Die Kommunalsteuer führt zu einem Wettlauf der Schiachheit", fügte er hinzu.

Bautechnische Sünden

Er hält daher Verbände für sinnvoll, die sich die Gewerbezentren und die Kommunalsteuer teilen. Da heute durch die technischen Möglichkeiten praktisch über Nacht riesige Kubaturen in die Landschaft gestellt werden können, hätten seit 1990 in den meisten Gemeinden tiefgreifende Veränderungen stattgefunden, der Platzverbrauch steige enorm. Bgm. Josef Leitinger (ÖVP) bestätigte, dass auch in St. Martin dramatische Veränderungen passiert seien. Ein Wachstum wie bisher sei aber nicht möglich, weil kein Baugrund mehr zur Verfügung stünde. Man stehe als Bürgermeister unter großem Druck, die Bürger zufriedenzustellen. Sein Kollege Norbert Meindl aus Lofer meldete sich zu Wort: "Mir wird hier zu viel gejammert. Es gibt zwar bautechnische Sünden, die als Mahnmal dienen, aber es ist hier sehr lebenswert." Johann Schmiderer, Schafferbauer, sieht jedoch die Politik gefordert: "Was tut die Politik gegen den Bodenverbrauch. Der Mensch ist der Sargnagel der Schöpfung."

Zahlen und Fakten zum Vortrag

- In Österreich wurden in den letzten 10 Jahren täglich 20 Hektar Boden verbraucht. Das ist die Fläche von 30 Fußballfeldern. Die verbaute Fläche nahm von 2001 bis 2016 um rund 24 Prozent zu. Österreich liegt damit im europäischen Spitzenfeld. Damit wuchs die Beanspruchung von Flächen deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung (+8,7%).
- Das ist laut Statistik Austria ein Zeichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels: Ein höherer Lebensstandard führt zu einer Steigerung der Wohnnutzfläche pro Kopf.
Ein durchschnittliches Einfamilienhaus beanspruchte 2008 rund 250 m², im Jahr 2012 waren es 300 m².
- Auch Supermärkte sind Flächentreiber: Pro Kopf stehen in Österreich 1,8 m² Einkaufsfläche zur Verfügung. In vergleichbaren europäischen Ländern sind es nur 1 m².
Österreich verliert jährlich 0,5 % seiner Agrarflächen, Deutschland 0,25.
- Wir haben mit 15 Meter pro Kopf eines der dichtesten Straßennetze. Deutschland 7,9 Meter, Schweiz 8,1 Meter.
- St. Martin hat eine Fläche von 63 km², davon sind 12 km² bebaubar.
- Entwicklung der Versiegelung pro Kopf in Österreich: Seit 2002 ist sie in neun von zehn Gemeinden gestiegen. In St. Martin beanspruchte 2016 jeder Bürger 411 m² Boden, österreichweit sind es nur 265 m². Zum Vergleich: Lofer verbrauchte 365, Zell am See 223, Saalfelden 212.
- Problem Straße: St. Martin ist eine Durchzugsgemeinde, an den Siedlungsgebieten entlang der B311 sei keine 50er Beschränkung möglich, lt. Bgm. Leitinger. Ein Anrainer startete nun eine Unterschriftenaktion für ein Tempolimit.
- Bei der Bürgerversammlung am 23. 11. um 19 Uhr wird das Thema Bauordnung behandelt.

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