„Lasst den Alten vor, sonst friert er an“

„Zum 60er „zah“ ich noch einmal richtig an“: 26 Wettkämpfe – 13 Siege: Alfred Pisslinger läuft zum Erfolg.

AIGEN-SCHLÄGL. 2004 hätte die Sportlerkarriere von Alfred Pisslinger beinahe geendet: Zuerst der Sieg beim Bärnsteinlauf, dann Bandscheibenvorfall, unerträgliche Schmerzen in den Waden. Der Arzt: „Du musst mit dem Laufen überhaupt aufhören. Radfahren geht gerade noch.“ Physiotherapeut Max Karlsböck wusste Abhilfe: Dehnungsübungen wirkten Wunder.
Heuer reifte bei „Pisi“ der Entschluss: Zum 60er „zah“ ich noch einmal richtig an. „Das meiste spielt sich im Kopf ab“, erklärt der gelernte Elektriker seinen Siegeswillen.

Die Bilanz 2014: 26 Wettkämpfe, 13 Siege, insgesamt 22 Stockerlplätze (Läufe und Radrennen in der Klasse 60+). Mentale Stärke ist gefragt: „Der Kopf ist der stärkste Muskel im Körper. Ich motiviere mich bei jedem Wettkampf, immer an meine Grenzen zu gehen“, erzählt er. Er überwindet sich jedes Mal, beim Kampf Mann gegen Mann wirklich das Letzte zu geben. Genugtuung inklusive: „Es spielt sich voll im Kopf ab. Beim Kürnberglauf überholte ich einen, von dem ich wusste: Der ist schneller als ich. Mit 60 kannst du keine dicken Bäume mehr ausreißen.“ Dünne anscheinend doch noch.

Frechdachs überholt
Gut in Erinnerung blieb ein Erlebnis beim Silvesterlauf 2003 in Linz: „Bei der Startaufstellung hat ein Jugendlicher in meine Richtung geschrien: Lasst den Alten vor, sonst friert er an. Ich habe ihn dann bei der Siegerehrung von oben vom Treppchen aus betrachten können." Ähnlichen Kommentar gab’s beim Treppenlauf auf die Hochhäuser am Harter Plateau: „Am Start waren viele junge Burschen, die meine Söhne sein könnten. Hinter mir stand ein sportlicher Junge. Er sagte mir ins Ohr: Wenn ich pfeife, musst du zur Seite ausweichen und mich vorbeilassen. Ich bin bis in den 16ten Stock Vollgas gelaufen. Als ich ganz oben am Ziel war, kam der Nachwuchsstar eine Minute später an. Seine größte Sorge, ich würde ihn aufhalten, hat sich also erledigt. Ich fragte ihn: Warum hast du nicht gepfiffen?“

Wettkampf-Start mit 45
Richtig mit Wettkämpfen begann er mit 45 Jahren, in einem Alter, in dem die anderen meist aufhören. Von Alois Humenberger zum Mitmachen beim Bärnsteinlauf überredet, war für Pisslinger auf Anhieb ein Top-Ten-Platz drin.
Ein weiterer Grund für mehr Sport: Beim „Schichteln“ sah er ein: „Ich muss etwas tun, damit ich nicht zu dick werde und nicht zu schnell altere.“ Eine Ernährungsumstellung brachte Erfolg: Zum Frühstück gibt es jetzt nur mehr einen Teller Gemüse.

Taktik gefragt
„Beim Start versuche ich, hinter einem guten Läufer zu stehen. Schnell beschleunigen und mit dem Oberkörper durchdrängen ist gefragt“, schildert er die Anfangsphasen, wo du trotzdem „links und rechts die Ellenbogen in die Rippen bekommst.“ Größte Distanz beim Training: 35 Kilometer. Einen Marathon hat er nicht am Radar. Die Bilder beim Zieleinlauf beim Linz Marathon reichten: „Einige Finisher wurden mit der Tragbahre weggebracht. Das muss ich mir nicht mehr antun“, kennt sein Wille, sich „gerne zu schinden“, auch Grenzen.