Textiles Zentrum Haslach
Als Wanderschneiderin quer durch Europa unterwegs
Die Münchnerin Birgit Wagner war nach ihrer Meisterprüfung als Damenschneiderin viereinhalb Jahre „auf der Walz“ quer durch Europa. Aktuell schneidert sie Bauberufsbekleidung nach Maß in der Nähwerkstatt Haslach.
HASLACH, MÜNCHEN (hed). Abenteuerlust und im Beruf neue Erfahrungen zu sammeln – Das wollte Birgit Wagner, nach dem Abschluss der Meisterschule als Damenschneiderin, als sie sich „auf die Walz“ begab. Zur Erklärung: Die Walz ist in einigen Berufssparten eine Tradition, sich nach erfolgreich abgelegter Gesellenprüfung auf eine mehrjährige Wanderschaft zu begeben, mit dem Ziel der beruflichen Weiterbildung. So verschlug es Birgit Wagner in den Oberammergau, wo sie für die Akteure der Passionsspiele Kleidungsstücke anfertigte. Einige Monate war sie bei den Art vor Art Kreativ-Werkstätten in Wien beschäftigt, die Kostüme nicht nur für die Wiener Opern- und Theaterhäuser anfertigen, sondern auch international bedeutende Bühnen, Festivals und Filmstudios ausstatten und beraten, so auch Artevent von André Heller.
Seit letzten Herbst wieder auf Wanderschaft
Ihre Walz führte sie auch zu einem Trachtenproduktionsbetrieb in den Chiemgau, die exklusive Tracht und Accessoires produzierten. Wie man zu den Arbeitgebern kommt? „Man begibt sich von Ort zu Ort und erkundigt sich nach freien Stellen, öfters habe ich auch im Internet recherchiert“, erklärt sie. Ein Höhepunkt war die Arbeit in einem isländischen Betrieb, der Modelabels kreiert. „Da war auch die Sprache eine zusätzliche Herausforderung.“ Was ihr Resümee ist? „Ich habe sehr viele Betriebsstrukturen kennengelernt und mir auch viele Anregungen geholt. Dabei habe ich viele nette und offene Leute getroffen.“ Nach ihrer Wanderschaft machte sie sich als Damenschneiderin sesshaft. Nebenbei begann sie ein Studium an der Kunstuniversität in München, bevor sie letzten Herbst erneut auf Wanderschaft ging.
100 bis 140 Stunden Arbeit an einem Stück
Ein Erasmus- Studiensemester führte nach Linz, wo sie die „Textilkunst–Design Klasse“ an der Kunstuniversität besucht. Zu Studienzwecken kam Wagner ins Textile Zentrum nach Haslach, wo sie an den Jacquardwebstühlen gefallen fand. Die Wanderschneiderin hörte von einer freien Stelle in der örtlichen Nähwerkstatt. Seit Februar designt und schneidert sie nun dort Bauberufsbekleidung nach Maß aus Moleskin, einem kräftigen einfärbigen Baumwollstoff. „Die Kluft, so die Bezeichnung der dreiteiligen Arbeitskleidung, ist eigentlich eine Mischung aus Zimmermannskleidung und Seemannskleidung. Sie wird gerne von Wandergesellen auf der Walz getragen“, erklärt Wagner. 100 bis 140 Stunden arbeite sie im Schnitt an einem Stück, ein Monat braucht es bis zur Fertigstellung. Ihre Kundschaften stammen aus Deutschland und Österreich, aber auch aus Frankreich. Durch die Corona-Krise ist ihre Tätigkeit derzeit eingeschränkt. Nun sitzt sie in Deutschland fest.
Wer mit Birgit Wagner aktuell Kontakt aufnehmen will, kann das über Barabra Pröll unter 0677/63515933 bewerkstelligen, die als Änderungsschneiderin und Nähberaterin mit ihr die gemeinsame Nähwerkstätte betreibt.
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