Mit der „Michelangelo-Prothese“ zu Olympia-Silber

Patrick Mayrhofer | Foto: „©ottobock“
7Bilder

Paralympionike Patrick Mayrhofer gewann in Südkorea eine Medaille. Er spricht über sportliche Erfolge und blickt auf seinen Unfall zurück.

HELFENBERG (gawe). Ein schwerer Arbeitsunfall war ein gewaltiger Einschnitt im Leben
von Patrick Mayrhofer. Im Interview mit der Bezirksrundschau schildert der mutige Sportler seinen Weg nach dem Unglück zurück in das Berufsleben und in den Sport.

BezirksRundschau: Wie passierte der Unfall, der dein Leben veränderte?
Mayrhofer: Am 02.02.2008 arbeitete ich als Elektroenergietechniker auf einer Baustelle in einem Zementwerk in Niederösterreich. Durch einen fatalen Fehler eines Arbeitskollegen, der die falsche Hochspannungsleitung in Betrieb nahm, geriet ich unverschuldet in einen 6000 Volt Starkstromkreis.

Was ist mit deinen Händen geschehen? 
Die Strom-Eintrittsstelle war am rechten Oberschenkel. Der Strom floss durch meinen Körper durch und an der rechten Hand und am linken Unterarm wieder raus und versursachte dort drittgradige Verbrennungen. An der Eintrittsstelle am rechten Oberschenkel hatte ich ein sieben Zentimeter tiefes, etwa handflächengroßes Loch. An der rechten Hand habe ich den Daumen und Mittelfinger verloren. Der linke Unterarm war am schlimmsten betroffen. Dort habe ich sämtliche Nerven, Muskeln und Sehnen verloren, welche für eine Handfunktion nötig sind. Ab dem Unfall war meine linke Hand funktions- und gefühllos.

Was hat der Unfall beruflich für dich verändert?
Ich war früher auf Montage in ganz Österreich unterwegs. Das war natürlich nicht mehr möglich, weshalb ich über die AUVA, eine zweijährige Weiterbildung zum Automatisierungstechniker absolvierte. Während dieser Ausbildung, war ich aber bereits in der alten Firma im Büro wieder berufstätig.

Welche Gefühle hattest du nach diesem Unfall?
Am Anfang habe ich mir natürlich gedacht „warum ich“. Ich wollte anfangs auch nicht mehr wirklich weiterleben weil ich meine Verletzungen gesehen habe und wusste, wie schlimm es um mich steht. Diese Gedanken sind aber in den ersten Tagen im Krankenhaus verflossen.

Wie schaut der Alltag nach so einer Verletzung aus, wenn gewisse Tätigkeiten im Leben nicht mehr möglich sind?
Nach dem Unfall lag ich neun Wochen im Krankenhaus, sechs davon auf der Intensiv. Als ich dann nach Hause gekommen bin, war von Selbstständigkeit keine Rede. Ich hatte nur noch drei funktionsfähige Finger an der rechten Hand: Zeige-, Ring- und kleiner Finger.
Meine damalige Freundin, jetzt Frau, hat ihre Lehre abgebrochen und ist bei mir Zuhause geblieben. Der Alltag war geprägt von Hilflosigkeit, täglichem Verbandswechsel, Therapie. Wie ein kleines Kind habe ich lernen müssen mit meiner neuen Situation klarzukommen.

Was war das Schwerste auf dem Weg zurück nach dem Unfall. Wer hat dir am meisten geholfen?
Das Schwierigste war sich einzugestehen, dass sich mein Leben von heute auf morgen schlagartig geändert hat und dass nichts ist und wird wie früher. Dass ich ständig auf fremde Hilfe angewiesen war, das war anfangs auch sehr belastend für mich. Am meisten geholfen hat mir ein Psychologe in meiner ersten Reha. Er hat gesagt, ich darf nicht an das denken, was vor dem Unfall war. Denn egal wie sehr ich mich anstrenge, meine Finger kommen nicht wieder zurück. Ich muss an dem Punkt starten, wo ich im Krankenhaus aufgewacht bin. Wo Maschinen mich am Leben gehalten haben. Und dann, muss ich stolz sein auf dass, was ich seit diesem Tag geleistet und weitergebracht habe.

Welche Möglichkeiten gab es für dich, die Funktion der Hände wieder herzustellen – was haben die Ärzte alles versucht?
Ein halbes Jahr nach dem Unfall wurde mir der Ringfinger der linken Hand amputiert und als Fingerersatz für meinen verlorengegangenen Daumen an der rechten Hand transplantiert. Nach 12 Wochen Reha war der neue Daumen recht gut zu gebrauchen und meine rechte Hand deutlich funktioneller. Einige Monate später wurde mir dann aus dem linken Oberschenkel Muskel und Sehnen, und aus dem rechten Unterschenkel Nerven entnommen und alles in meinen linken Unterarm verpflanzt. Die Hoffnung war, dass zumindest eine geringe Funktion der linken Hand erreicht wird. Über ein Jahr später mussten wir uns eingestehen, dass die OP nichts brachte. Die linke Hand war immer noch funktions- und gefühlslos und schmerzte ununterbrochen. Eine Hand zu haben, welche nichts taugt, war sehr belastend für mich.

Wie bist du auf die Möglichkeit gekommen, als erster Mensch eine bahnbrechende Technologie zu erproben, eine bionische Handprothese zu erhalten?
Ich habe mich in meiner aussichtslosen Situation über die Themen Handtransplantation und Handprothese informiert. Über meinen Arzt, Prof. Oskar Aßmann, bin ich dann zur Firma Ottobock gekommen, dem Weltmarktführer im Bereich der Prothetik. Dort wurde es mir ermöglicht, eine noch in der Entwicklung befindliche Handprothese mit dem Namen „Michelangelo Hand“ auszutesten.  Innerhalb weniger Minuten hat die Handprothese durch meine Muskelimpulse reagiert. Ich konnte mit der Prothese wieder greifen und da war mein Entschluss klar: Ich will mir meine nutzlose Hand amputieren lassen und durch eine Handprothese ersetzen lassen.

Wie funktioniert so eine myoelektrische Prothese genau – wie eine „Gedankensteuerung“?
Auch nach einer Amputation, sind Muskeln am verbliebenen Stumpf vorhanden. Diese können vom Anwender aktiv angesteuert werden, indem der Anwender z.B. an ein „Hand öffnen“ denkt. Dabei kontrahieren die verbliebenen Muskel am Stumpf welche dann eine kleine Spannung an der Oberfläche der Haut erzeugen. Oberflächenelektroden welche in der Prothese verbaut sind, messen diese Spannung und senden sie als Steuersignal an die künstliche Hand. Die Prothesenhand öffnet.

Wie schwer war die Entscheidung, sich die Hand freiwillig amputieren zu lassen?
Überhaupt nicht schwer. Nach unzähligen erfolglosen Versuchen, die Hand chirurgisch wiederherzustellen, war die Amputation für mich der einzig logische Weg.

Wie waren die ersten Erfahrungen mit der neuen Handprothese?
Unbeschreiblich schön und extrem motivierend. Bereits sechs Wochen nach der Amputation hatte ich meine vorläufige Prothese. Ich habe täglich große Fortschritte gemacht, so dass ich sehr schnell selbständiger wurde, und nur noch bei wenigen Dingen fremde Hilfe benötigte.

Wie seid ihr auf den Namen „Michelangelo“ für die Prothese gekommen?
Als die Firma Ottobock in Wien eine neue Handprothese entwickelte, suchten sie nach einem klingenden Projektnamen. Es gibt ja das Bild von Leonardo Da Vinci, wo Gott dem Menschen die Hand reicht. Und der erste Design-Entwurf der neuen Prothesenhand sah der Hand vom Gemälde sehr ähnlich, sodass daraus der Projekt- und schlussendlich auch der Produkt-Name „Michelangelo Hand“ wurde.

Wie erklärst du einem Außenstehenden deine Snowboardsportart „Banked Slalom“?
Ein Banked Slalom (Übersetz Steilkurven Slalom) ist ein aus Steilkurven bestehender Slalomkurs auf Zeit.

Was waren die größten Erfolge in deiner sportlichen Karriere?
• Weltmeister Banked Slalom 2015 La Molina, Spanien.
• Gesamtweltcupsieger 2014/2015
• Österreichs Behindertensportler des Jahres 2015
• Gesamtweltcupsieger 2015/2016
• Silber Banked Slalom Paralympics PyengChang

Eine schlimme Verletzung hat dich 2017 in der Vorbereitung auf die Paralympics gebremst – Was waren die Folgen?
Trümmerbruch des linken Schienbeinkopfes bei der WM in Kanada. 7 Monate Krankenstand. 12 Woche Reha.

Wie schwer war der Weg zur Silbermedaille in Korea?
Sehr schwierig. Eine so schwere Verletzung genau ein Jahr vor den Paralympischen Winterspielen war der schlimmste Fall. Der Unfall passierte in Kanada. Ich wurde dort zuerst operiert, mein Knie stabilisiert, sodass ich nach Österreich geflogen werden konnte. Dort wurde ich ein zweites Mal operiert. Mir wurde ein Beckenknochen entfernt und mit zehn Schrauben und zwei Plattem der Schienbeinkopf neu geformt.
In den ersten Prognosen war nur die Rede von „wieder gehen lernen“ – ob Snowboard fahren wieder möglich sein wird, war eher unwahrscheinlich. In der Reha habe ich aber gute Fortschritte gemacht und 224 Tage nach dem Sturz war ich das erste Mal wieder am Snowboard

Wie viel trainierst du und wie motivierst du dich immer wieder zum Training?
In der Wettkampfzeit bin ich drei Tage pro Woche am Schnee und zwei Tage pro Woche im Fitnessstudio. Die Erfolge, die ich habe, und die Unterstützung meiner Familie und Freunden motivieren mich.

Verrätst du uns bitte ein paar Fakten über dich: Beruf, erlernter Beruf, Alter, Wohnort?
• Erlernter Beruf: Elektroenergietechniker
• Derzeitiger Beruf: Experte für Handprothetik Firma Ottobock
• Alter 30
• Wohnort: Wien

Was sind deine persönlichen Stärken?
Meine Ruhe und Gelassenheit

Was ist dein Traumziel?
Ich habe bereits alles erreicht: eine einzigartige Frau, ein süßer Sohn, eine tolle Familie und Freunde. Spaß im Job und Erfolg im Sport.

Was ich noch sagen wollte
Danke für das Interview und schöne Grüße in den Bezirk Rohrbach.

Anzeige
Foto: encrier/PantherMedia
5

schöner reisen mit Wiesinger
Traumurlaub an der Costa Smeralda auf Sardinien

schöner reisen mit Wiesinger GmbH – in die Karibik des Mittelmeeres! Erleben Sie Sardiniens Smaragdküste "Costa Smeralda" eine Woche lang mit Direktflug ab Linz inklusive Halbpension. Ab sofort buchbar! SCHWERTBERG, LINZ. Träumen Sie von Karibik-Feeling? Nutzen Sie diese einmalige Gelegenheit und lassen Sie sich von "schöner reisen mit Wiesinger GmbH" nach Sardinien an die Costa Smeralda entführen. Oft als die mediterrane Karibik bezeichnet, liegt die Insel von türkisfarbenem Wasser umgeben im...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Rohrbach auf MeinBezirk.at/Rohrbach

Neuigkeiten aus Rohrbach als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Rohrbach auf Facebook: MeinBezirk.at/Rohrbach - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Rohrbach und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.