Das lebendige Christkind 1964

Karl Mittermayr (Mitte) half in Afrika mit, die Not der Menschen zu verbessern. | Foto: Mittermayr
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ARNREIT.  Karl Mittermayr wurde am 30. Juli 1940 als viertes von elf Kindern des Bernhardn-Bauern in St. Peter geboren. Viele kannten ihn über ehemalige Vereinstätigkeiten, die Gemeinde oder seine Firma, die sich mit Erdwärme beschäftigt. Andere kannten ihn als den Abenteurer, der in die Mission nach Afrika ging. "Das war für die damalige Zeit etwas Besonderes. Für mich ist es aber immer etwas ganz Besonderes geblieben", sagte Mittermayr. Deshalb erzählt er seine Geschichte, die er zu Weihnachten vor über 50 Jahren mitten im afrikanischen Busch in Tansania erlebt hat.

Nur zwei Hände

"Aber fangen wir von vorne an: Meine Grundausbildung umfasste die damalige
,Mühlviertler Matura‘ – also acht Klassen Volksschule inklusive einen Tanzkurs. Außerdem machte ich die Ausbildung zum Elektro- und Kühltechniker und war bei einer Firma in Linz beschäftigt. Mit 20 Jahren übernahm ich die Jugendführung der katholischen Landjugend von St. Peter. Irgendwann las ich im Zuge dieser Tätigkeit etwas von „Nur zwei Hände eines Missionars“ – ein Beitrag, der mein Interesse weckte. Etwas später musste ich bei einer Fortbildung ein Referat halten – der Titel war für mich klar: „Nur zwei Hände“. Bald darauf staunte ich nicht schlecht, als ich einen Film mit dem Titel „Nur zwei Hände“ entdeckte. Wenn das nicht eine Fügung Gottes war? Die Gedanken über die Mission vertieften sich – ein paar Gespräche und Treffen später war es dann soweit. Das Schwierigste dabei war, meine geliebte Erna zu fragen, ob sie einverstanden sei, für 3,5 Jahre wieder alleine zu sein und für mich zu beten. Ihre Antwort: „Gehe in Gottes Namen!“

Christbaumsuche in Afrika

Am 2. September 1964 ging es mit Karl Narzt, Josef Lindner, Johanna Pichler und Hannelore Wendtner ab nach Afrika. Nachdem wir in den ersten vier Monaten in Chala die einheimische Sprache Kiswahili erlernten, reisten wir am 23. Dezember 1964 zurück nach Matai, unserem eigentlichen Einsatzort. In unserem bescheidenen Häuschen waren Putzarbeiten notwendig, die für einen Techniker wie mich nicht so leicht von der Hand gingen. Also schickte mich das restliche Team am 24. Dezember auf Christbaumsuche. Mit einer kleinen Säge ausgestattet, ging ich hinaus in den Busch, ohne zu wissen, wie gefährlich dies als Europäer eigentlich war. Anstatt eines Bäumchens fand ich ein schlafendes, zweijähriges Kind am Boden.

Alleine im Busch

Momentan war ich erschrocken und wusste nicht, was ich tun sollte.  Als ich das Kind anfasste, fing es an zu schreien, da es wahrscheinlich noch nie einen Msungu (Europäer) gesehen hatte. Ich brachte das Kind ins Dorf. Dort angekommen, entstand ein furchterregendes Geschrei. Jedenfalls bin ich sofort zurück in die Mission, wo ich mein Erlebnis aufgeregt erzählte. Nächsten Tag erzählte man uns, dass man das Kind lange gesucht hatte, aber leider nicht fand und so schlief es die ganze Nacht alleine im Busch, ohne dass es ein wildes Tier holte. Dass die Freude im Dorf groß war, kann man sich vorstellen. Deshalb auch die Aufregung bei der Rückgabe, wo ich aus Angst davon gelaufen bin. Die Mette in dieser Nacht  war ein wunderbarer Gottesdienst, den ich nie vergessen werde. Als unser "Stille Nacht" auf Kiswahili gesungen wurde, waren meine Augen nass. Dieses Ereignis hat nachhaltig zur guten Verständigung mit den Einheimischen und zur Akzeptanz unseres Daseins beigetragen. Es war für mich und das Dorf das lebendige Christkind 1964.

Nachruf auf Karl Mittermayr

Hier die Geschichte von Karl Mittermayr in Orignalfassung:
"Mein Name ist Karl Mittermayr, ich wurde am 30. Juli 1940 als viertes von elf Kindern des Bernhardn-Bauern in St. Peter am Wimberg im wunderschönen Mühlviertel geboren. Viele in der Region kennen mich über ehemalige Vereinstätigkeiten , die Gemeinde oder meine Firma, die sich mit Erdwärme beschäftigt. Andere kennen mich als den Abenteurer, der in die Mission nach Afrika ging, was für die damalige Zeit etwas besonderes war. Für mich ist es bis heute etwas ganz besonderes geblieben. Eine Zeit mit vielen eindrucksvollen Erlebnissen, Herausforderungen und Entbehrungen – und doch eine Zeit, die in meinen Leben Platz finden musste. Vielleicht war es sogar eine göttliche Fügung – jedenfalls möchte ich eine Geschichte erzählen, die mir zu Weihnachten vor über 50 Jahren wahrlich als Zeichen Gottes mitten im afrikanischen Busch wieder fahren ist.

"Mühlviertler Matura"

Aber fangen wir von vorne an: Meine Grundausbildung umfasste die damalige „Mühlviertler Matura“ – also acht Klassen Volksschule inklusive einen Tanzkurs. Außerdem machte ich die Ausbildung zum Elektro- und Kühltechniker und war bei einer Firma in Linz beschäftigt. Mit 20 Jahren übernahm ich die Jugendführung der katholischen Landjugend von St. Peter a/Wbg. Irgendwann las ich im Zuge dieser Tätigkeit etwas von „Nur zwei Hände eines Missionars“ – ein Beitrag der mein Interesse weckte und deshalb in meinem Hirn abgespeichert blieb. Etwas später war ich auch einer Fortbildungswoche auf Schloss Puchberg bei Wels, wo auch eine Rednerschulung vorgesehen war. Bei der Vorbereitung eines Referates war die Titelwahl für mich klar: „Nur zwei Hände eines Missionars“. Halbe Nächte habe ich daran gearbeitet, bis etwas Ähnliches wie ein Referat fertig wurde.

Ohne Fremdsprache – keine Chance?

Beim Vortrag gab es einen guten Beifall, aber nicht für die Redetechnik, sondern für den Inhalt. Die Reaktion der Teilnehmer war: ,Gehe doch selber in die Mission, du bist doch so überzeugt!' Meine Überzeugung war hingegen, dass ich ohne erlernte Fremdsprache niemals dafür geeignet sein würde. Und trotzdem ließ dieses Seminar die Gedanken in die Mission zu gehen, erneut in meinem Kopf auftauchen. Eine Woche später sollte ich bei einem Pendlerabend einen Film vorführen, der aber wegen eines Schneesturmes nicht rechtzeitig ankam. So musste ich mich schnell bei der Veritas um einen Ersatz kümmern und ich staunte nicht schlecht, als ich den Titel „Nur zwei Hände“ las. Wenn das nicht eine Fügung Gottes war? Die Gedanken über die Mission vertieften sich – sie schlugen wie Samen im Boden erste Wurzeln.

Ich musste mein Mädchen fragen

Am nächsten Tag holte ich bei Dr. Wagner (Landesjugendseelsorger) eine Broschüre für eine Sendungsfeier von Josef Hötzmannseder, der nach Brasilien in den Einsatz ging. Da fragte mich Dr. Wagner, ob ich den einen Maurer kenne, der auch einen Einsatz für drei Jahre in der Diözese Karema (Tansania) wagen würde. „Leider nein“ sagte ich „aber brauchst keinen Elektriker?“, sprudelte es so ungewollt aus meinem Mund. ,Da musst dich aber schnell entscheiden, denn der Vorbereitungskurs in Deutschland läuft schon zwei Monate und da müsstest du gleich einspringen', war die Antwort des Landesjugendseelsorger. Er gab mir eine Frist bis zum kommenden Sonntag, wo wir uns bei einem Dekanatstreffen in Zwettl wieder sahen. Sonntag, Treffen in Zwettl, das erste war die Frage von Dr. Wagner, ob ich mich schon entschieden hätte? Ich verneinte: ,Ich muss zuerst mein Mädchen fragen, ob es einverstanden wäre'.

Die Zeit drängte

Dr. Wagner gab mir sehr bestimmt den Auftrag, dies noch gleich am selben Abend zu machen. Also musste es wohl sein. Nach der Veranstaltung ging es vorerst mutig zu meiner Erna, aber bei ihrem Anblick vergas ich meinen Vorsatz, sie zu fragen sofort. Erst nach einer geraumen Zeit fragte sie mich wegen meines verhaltenen Benehmens und gab nicht mehr nach, den Grund dafür zu erfahren. Als sie hörte, was ich vorhätte, weinte sie vor sich hin, sodass ich gleich wieder meinen Entschluss abschwächte, indem ich ihr sagte, dass ich ein Tropentauglichkeitszeugnis brauchen würde und das wegen meines Herzfehlers schwer zu bekommen sei...

Gehe in Gottes Namen!

Ein paar Tage später: Untersuchung beim Herzspezialisten. nach dem Belastung EKG fragte mich der Arzt, was ich in Afrika überhaupt wollte? ,Als Missionshelfer möchte ich arbeiten', war meine Antwort. Da sagte er, es werde wohl nicht leicht werden aber dass ich es schon irgendwie schaffen würde. Nun war der Entschluss gefallen: Es folgte die Kündigung in der Firma. Die Wahrheit meiner Erna zu sagen, fiel mir mehr als schwer. Erna entschloss mit den Worten „Gehe in Gottes Namen“ für 3,5 Jahre wieder alleine zu sein und für mich zu beten. Ich werde diesen Moment nie vergessen: Ich denke sie hatte Recht – ich ging wahrlich in Gottes Namen nach Afrika, es musste so sein! Am darauffolgenden Sonntagabend ging schon ab nach Dingden in Westfalen, wo der Vorbereitungskurs schon zwei Monate lief. Nachdem ich als bitterer Anfänger keinen Englisch Unterricht besuchen brauchte, da mein Lehrer dort meinte: „You are a hopeless case“ (übersetzt: „Du bist ein hoffnungsloser Fall“), konnte ich in den anderen Fächern einholen. Nachdem aber ein Unwetter die Wasserversorgungsanlage des schönen Ortes zerstörte, konnte ich zusätzlich ein dreiwöchiges Praktikum bei einem Installateur im Ort absolvieren. Der Chef wollte mich unbedingt mit dem doppelten Lohn von Österreich abwerben, aber ich blieb bei meinem Entschluss in die Mission zu gehen.

Nach London zum Sprachkurs

Nach den vier Monaten ging es für eine Woche nach Hause, dann bekam ich 50 DM und die Adresse der ,Land Lady' und der Kensingtenschool, damit sollte ich nach London fahren. Gesagt getan: Um 5 Uhr früh kam ich am Victoria Bahnhof an, wo ich in meiner Naivität glaubte, ein Polizist könnte mir den Weg zur ,Land Lady' erklären. Aber das funktionierte nicht. Nach einem ausgiebigen Spaziergang fragte ich wieder einen Polizisten, der fing an zu lachen – es war der gleiche Mann wie am Bahnhof. Daraufhin nahm mir der Polizist die Adresse ab und setzte mich in ein Taxi, ohne zu fragen, ob ich genug Geld dabei hätte. Am Zielort kam die große Überraschung: zu wenig englisches Geld. Die ,Land Lady' half mir aus und die Polizeiandrohung konnte rasch behoben werden.

Sieben harte Sprachwochen

Im Kurs war ich dann als Deutsch-Sprechender alleine, es waren daher sieben harte Wochen, die mich erwarteten. Es war ein Intensivkurs für drei Monate vorgesehen, aber leider musste ich abbrechen, da der Einsatz in Afrika früher beginnen musste. Es blieb nur eine Woche zum Packen, dann ging es ab nach Tansania.

Abschied schweren Herzens

Der Abschied war doch etwas schwer, besonders von meiner lieben Erna und auch von der Familie. Am 2. September 1964 ging es mit unserer Gruppe, Karl Narzt, Josef Lindner, Ich, Johanna Pichler und Hannelore Wendtner ab nach Wien – Amsterdam – Rom, wo es für den Missionsflug eine Audienz beim Papst gab. Dann ging es weiter nach Entebbe in Uganda. Am Flug über die Sahara gab es eine heilige Messe, da fast lauter Geistliche an Bord waren. Mit einer kleinen Maschine flogen wir nach Mwanza und dann weiter nach Mbeya. Im Bischofshaus durften wir übernachten, um nächsten Tag hinten auf einem Lastwagen zirka 250 Kilometer zum Einsatzort Matai zu kommen. Dort angekommen wurden wir von der ersten Gruppe, die wir ablösen mussten, herzlich empfangen.

Viele Aufgaben in Afrika

Nächsten Tag haben wir die verschiedenen Aufgaben bzw. Projekte von den Einzelnen übernommen. Es war die Farm, der Bau, die Technik, die Dispensary (Krankenstation) fertig zu stellen. Am Abend ging es dann nach Sumbawanga zum Bischof Msakila, der uns herzlich empfangen hat. Nächsten Tag wurden wir drei Boys nach Chala gebracht, um dort vier Monate die einheimische Sprache Kiswahili zu erlernen. Unsere Lehrerin war die Schwester Mara, eine deutsche Klosterschwester, die ganz toll vortragen konnte. Mit dem „Vater unser“ als Basis lernten wir auch die Grammatik vernünftig kennen. Baba yetu ulie mbinguni, jina lako litukuzwe, ufalme wako ufike, utakalo lifanyike duniani kama mbinguni. Utupe leo mkate wetu wa kila siku, utusamehe makosa yetu, kama tunavyowasamehe na sisi waliotukosea. Usitutie katika kishawishi, lakini utuopoe maovuni. Amina.

Christbaumsuche im Busch

Nach dem Unterricht am Morgen folgte meist ein arbeitsreicher Tag auf der Missionsstation, wo ja immer Reparaturen und Verbesserungen am Gebäude notwendig waren. Abends waren Dorfbesuche angesagt, um die neue Sprache zu üben. So vergingen die vier Monate schnell und schon standen die ersten Weihnachten vor der Tür. Am 23. Dezember 1964 ging es zurück nach Matai, zu unseren eigentlichen Einsatzort. In unserem bescheidenen Häuschen waren Putzarbeiten notwendig, die für einen Techniker wie mich nicht so richtig leicht von der Hand gingen. Also schickte mich das restliche Team am 24. Dezember in der Früh auf Christbaumsuche. Ich ging also mit einer kleinen Säge ausgestattet, hinaus in den Busch und suchte sowas Ähnliches wie einen Christbaum. Ich wusste noch nicht, wie gefährlich es eigentlich war, als einziger Europäer im Busch zu sein – aber das erfuhr ich erst später. Anstatt eines Bäumchens fand ich ein schlafendes, zirka zweijähriges Kind am Boden.

Kind ins Dorf gebracht

Momentan war ich sehr erschrocken und wusste nicht, was ich tun sollte, aber dann fasste ich den Entschluss, das Kind ins Dorf zu bringen. Als ich das Kind anfasste, fing es an zu schreien, da es wahrscheinlich noch nie einen Msungu (Europäer) gesehen hatte. Endlich kamen wir im Dorf an, da entstand ein furchterregendes Geschrei, was ich natürlich nicht verstand, da man dort Kifipa sprach. Jedenfalls bin ich sofort zurück in die Mission, wo ich mein Erlebnis aufgeregt erzählte. Um 22 Uhr war die Mette angesagt, die Kirche füllte sich bis zum letzten Platz, dann begann ein wunderbarer Gottesdienst, den ich nie vergessen werde. Zum Schluss sang man noch unser Stille Nacht natürlich auf Kiswahili, sodass meine Augen nass wurden. Nächten Tag erzählte man uns, dass man das Kind bis zur eintretenden Finsternis suchte, aber leider nicht fand und so schlief es die ganze Nacht alleine im Busch, ohne dass es ein Schakal oder sonst ein wildes Tier geholt hat. Dass die Freude im Dorf groß war kann man sich vorstellen, deshalb auch die Aufregung bei der Rückgabe, wo ich aus Angst davon lief. Dieses Ereignis hat nachhaltig zur guten Verständigung mit den Einheimischen und zur Akzeptanz unseres Daseins beigetragen. Es war für mich und das Dorf das lebendige Christkind 1964."

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