Episoden aus meinem Leben - Klostererinnerungen
85. Splitter - Ich bitte um einen aussagekräftigen Titel
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Saluzzo Piemont
Als ich zusammen mit meiner Frau das Serviten-Kloster im piemontesischen Saluzzo besuche, werden in mir viele Erinnerungen wach.
Bereits der gepflasterte Vorhof ruft mir ins Gedächtnis, wie ich hier vor mehr als 30 Jahren lebte. Dann betreten wir die Kirche. Ab dem ersten Moment fühle ich mich hier wie zuhause. Meine Frau hingegen hat den Eindruck, ins Mittelalter eingetaucht zu sein, wie sie mir sagt. Sie wundert sich daher auch, dass ich hier zielstrebig verschiedene Besonderheiten ansteuere. Komplett verblüfft ist sie allerdings, als ich einen Platz mit Devotionalien anpeile. Im ersten Moment bleibt ihr verborgen, dass mich ein Gefühl der Rührung ergreift, als ich den „Kirchenführer“ erblicke. Dieses Heftchen habe ich als Leitfaden durch Kirche und Kloster im Jahr 1967 zusammen mit einem Freund gestaltet und veröffentlicht.
Gleich darauf erleide ich einen Schock, redet mich doch jemand mit meinem Namen, mit meinem Vornamen Egon an. Hat mich die Vergangenheit tatsächlich eingeholt? Ich sehe einen Pater im Ordensgewand, wie ich es einmal getragen habe. Er nähert sich uns und reicht uns die Hand. Ich kenne ihn doch. Erst langsam fällt mir sein Name ein: Lorenzo. Allerdings bleibt mir ein Rätsel, wieso er mich nicht Clemens nennt, sondern meinen jetzigen Namen kennt, den ich nach meinem Austritt aus dem Kloster wieder angenommen habe. Wir umarmen uns. Ich fühle mich in die Zeit von damals zurückversetzt, als ich hier zuhause war. Zum Beispiel lag ich hier am Boden des Vorplatzes und fotografierte das Kloster. Ich musste mich zentimetergenau positionieren, damit der Kirchturm genau in eine Rundung des dekorativen schmiedeeisernen Bogens über einen Jahrhunderte alten Brunnen passte. Heute könnte man dieses Foto nicht mehr ohne Retusche machen, ist doch eine Stromleitung im Weg.
Gemeinsam mit meiner Frau gehe ich auch auf die Suche nach jenem Gefährten von damals, mit dem zusammen ich diese Broschüre entworfen und verwirklicht habe. Ich war zwar schon einmal bei einem Radausflug der jungen Kleriker in seinem Elternhaus in Poirino gewesen, finde aber seine Behausung nicht mehr. Uns kommt die Idee, beim Postamt nachzufragen. Wir werden vom Erfolg gekrönt, weiß man doch hier in diesem überschaubaren Ort ohne weiteres seine Adresse.
Dieses Wiedersehen fällt noch herzlicher aus, war er doch nicht nur Partner beim Zusammenstellen des „Kirchenführers“, sondern tatsächlich mein Freund gewesen. Meine Frau ist sehr berührt von der Herzlichkeit unseres Treffens.
Tags darauf beschließen wir, gemeinsam ins Saluzzeser Kloster zu fahren. Wir wollen Lorenzo, den einzigen der dort geblieben und jetzt als Pater Prior „Chef“ des Klosters ist, überraschen. Das gelingt uns. Jetzt sind wir zu dritt, die eine gemeinsame Vergangenheit haben. Lorenzo ist der einzige, der ohne Frau geblieben ist. Wir reden davon, dass wir einst zusammen mit unseren Oberen etwa 15 in diesem Kloster waren. Wir Jungen von damals zeigten viel Lerneifer und Frömmigkeit, aber wir trieben auch manchen Schabernack.
Es ist der Moment, in dem wir zwei Abtrünnigen darüber reden, wie wir das gemeinsame Werk des „Kirchenführers" geschaffen haben. Beppino oblag es, die historischen Daten aus der einschlägigen Literatur zusammenzutragen und elegant zu formulieren, mir, die Broschüre mit Fotos zu illustrieren und den deutschen Text zu verfassen. Wir erinnern uns auch, dass wir mit angefeuchteten Spachteln Teile der Fresken von der darüber liegenden Kalkschicht befreien wollten. Schon damals hatten wir den Eindruck, dass man diese Arbeit viel professioneller machen hätte sollen.
Domenico, der jetzt Giuseppe heißt und von uns als Beppino angesprochen wird, überkommt der Übermut. Er legt sich eines von Lorenzo’s Ordensgewändern an und lässt sich zwischen Lorenzo und mir fotografieren. Mit ihm verbindet mich seither immer noch eine Freundschaft. die wir mit gegenseitigen Besuchen bekräftigen. Außerdem schicke ich ihm wöchentlich meine Splitter, obwohl er Deutsch nicht versteht. Diesen hier werde ich ihm wohl ins Italienische übersetzen müssen.
kostenfrei
Das ist das Feedback zu dieser Episode:
Titel-Tipps:
Brigitte:
„Innige Freundschaft über Ordens- und Sprachgrenzen hinweg"
„Zurück zu den (Ordens-)Wurzeln"
Antal:
„Keine Kutte des Schweigens über der Vergangenheit"
Kommentare (autorisiert):
Margret:
„Die Zeit vergeht schneller, als du denkst. Im Herbst müssten es 50 Jahre her sein, seit ich dich mit zwei Kolleginnen in Saluzzo besucht habe. Ich habe 1968 die Fahrprüfung gemacht und mir einen gebrauchten Opel Kadett gekauft. Im Herbst fuhren wir zu dritt nach Italien und kamen unterwegs bei dir vorbei."
Brigitte:
„Ich kann dir nachempfinden wie es ist, Orte und Menschen aus der Jugendzeit wiederzusehen. Mit vier ("echten") Freundinnen aus der Schulzeit habe ich noch immer regelmäßigen engen Kontakt und es macht große Freude gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen wieder aufleben zu lassen."
Antal:
„Du hast es offensichtlich geschafft, aus Deiner religiösen Vergangenheit viel Wesentliches in Dein Leben mitzunehmen, Nostalgie inklusive !"
Beppe:
„Vedo che hai pubblicato su Splitter un paio di belle foto. La prima, campanile dalla piazzetta, mi evoca nostalgici ricordi. La seconda potrebbe essere utile per un quiz: chi dei tre è il frate? Al vincitore, come premio, la tonaca."
Ich sehe, dass du auf einem 'Splitter' zwei schöne Fotos veröffentlicht hast. Das erste, der Kirchturm vom Vorplatz ruft bei mir nostalische Erinnerungen hervor. Das zweite könnte für einen Quiz verwendet werden: wer dieser drei ist ein Ordensgeistlicher? Für den Gewinner als Preis die Soutane.
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