...und der Pfarrer heißt Imam
In der Plunkergasse steht die Moschee "Aziziye", wo jeden Tag das Nachmittagsgebet stattfindet.
RUDOLFSHEIM-FÜNFHAUS. Als wir eintreten, ist Jubel zu hören. Der gilt aber nicht uns, sondern kommt aus einem Raum neben dem Eingang zur eigentlichen Moschee, dem Gebetsraum. Wir begrüßen erst einmal unseren "Reiseführer" durch das Kulturzentrum "Aziziye" der Islamischen Föderation (IFW) in der Plunkergasse, Harun Erciyas. "Sollen wir zuerst einen Tee trinken oder erst nach dem Nachmittagsgebet?", fragt er freundlich, während er uns durch das Café führt, in dem einige ältere Männer mit der Zeitung in der Hand beim Tee sitzen. Assoziationen zu einem Pfarrcafé werden geweckt, hat das Kulturzentrum "Aziziye" doch durchaus Ähnlichkeit mit einem Pfarrzentrum.
Gibt es in den weitläufigen und hellen Räumlichkeiten doch nicht nur ein Café und einen Gebetsraum, sondern auch eigene Frauen-, Mädchen- und Jugendräume, dazu Klassenräume für den Koran-Unterricht der jüngeren Gläubigen. "In den Medien wird der Islam nur mehr mit Hasspredigern und Terrorismus verbunden. Das macht uns große Sorgen. Wir kommen in die Moschee, um zu beten und gemeinsam unsere Freizeit zu verbringen. Extremismus lehnen wir ab", erklärt uns Harun und schaut auf die Uhr. Auf einer Anzeigetafel neben dem Fernseher stehen die fünf Gebetszeiten des Tages.
Vor dem Nachmittagsgebet ist noch genug Zeit für unseren Rundgang durch das Kulturzentrum. Wir kommen am Gebetsraum vorbei, in dem einige Männer mit dem Koran in der Hand still dasitzen, und erreichen den Jugendraum, wo vor ein paar Minuten laut gejubelt wurde. Jetzt wissen wir auch, warum: Hier findet gerade ein kleines Billard-Turnier statt. Einer der Teilnehmer ist der Imam, zu erkennen an seinem traditionellen weißen Gewand samt Käppchen. Er genießt hohes Ansehen, auch weil er den Koran auswendig kann. Gerade hat er wieder eine Billardkugel eingelocht, woraufhin ihm seine Mitspieler laut zujubeln.
Der Muezzin ruft
Plötzlich ertönt aus dem Lautsprecher die Stimme des Muezzins, der zum Nachmittagsgebet aufruft. Aus allen Richtungen strömen jetzt die Gläubigen in den Gebetsraum. Weil alle vor der Tür ihre Schuhe ausziehen, ist der Raum mit einem hochflorigen, blauen Teppich ausgelegt. Links in der Ecke ist die Gebetsnische, die in Richtung Kaaba in Mekka ausgerichtet ist. Ganz vorne hat der Imam Platz genommen, der nun mehrmals hintereinander "Allahu akbar" ruft, "Gott ist groß". Die 30 bis 40 Männer stehen, knien und werfen sich nach den Rufen des Imams nieder. Mucksmäuschenstill ist es zwischen den Gebetsrufen.
Plötzlich geht neben uns eine kleine Tür auf und zwei Kinder wuseln herein. Vom Gebet nehmen sie zuerst keine Notiz und spielen Nachlaufen, bevor sie sich leise an den Betenden vorbei bis zum Imam vorschwindeln. Dort setzen sie sich in die Gebetsnische und schauen den Knieenden leise kichernd zu, bis sie einer von ihnen – offenbar ihr Vater – zu sich winkt, sie zärtlich an sich drückt und zur Ruhe mahnt. Bald ist das Nachmittagsgebet zu Ende, alle ziehen sich die Schuhe wieder an und verlassen den Gebetsraum. Besonders eilig hat es die Gruppe rund um den Imam, schließlich muss die Billardrunde ja noch fertig gespielt werden.
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