Episoden aus meinem Leben - Jemenistan
96. Splitter - Ich bitte um einen aussagekräftigen Titel
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Wir schreiben 1995. Ich reise über Griechenland, Jordanien, Libanon und Oman nach Jemen, um von dort über Zypern nach Wien zurück zu fliegen. Auf den Messen in Deutschland habe ich schon einige, genau gesagt zehn jemenitische Firmen kennengelernt. Ich habe mir vorgenommen, die wichtigsten davon persönlich aufzusuchen.
Griechenland kenne ich seit vielen Jahren sehr gut, in Amman war ich oft, im Libanon bisher noch nie. Auch diesmal wird nichts daraus, weil ich wieder einmal kein gültiges, weil abgelaufenes Visum bei mir habe. Der Oman ist mir vertraut, aber Jemen kenne ich noch nicht. Er hat für mich den Reiz des Exotischen.
Ich treffe in Sanaa ein und logiere im besten Hotel der Stadt, viel Auswahl gibt es nicht.
Der Jemen ist anders. Dem Jemen mangelt es an medizinischer Versorgung. Die Grundschulen sind gesetzliche Pflicht und kostenfrei, aber es gibt viele Schulabbrecher und Analphabeten. Der Jemen hat eine sechs mal so große Fläche als Österreich und nur 12 Millionen Einwohner.
Am Platz, auf den ich unbehelligt vom Hotel-Fenster aus blicke, sehe ich viele Leute in ärmlicher Kleidung. Ich entdecke auch einen Mann, dessen Bein durch ein simples hölzernes Standbein ersetzt ist.
Taxis sind Mangelware und ich werde von den Kunden im eigenen Auto abgeholt. Damit bleibe ich abgeschottet von der
Bevölkerung hier in Sanaa. Der Hotel-Portier warnt mich, auf eigene Faust einen Spaziergang zu machen. Es reizt mich auch nicht, obwohl es viele Bauten in wunderschöner arabischer Architektur gibt. Aber ich bin nicht wegen der Sehenswürdigkeiten hier, sondern um Papier zu verkaufen. Vor Reisen auf’s Land, wo bemerkenswerte Attraktionen zu finden sind, wurde ich schon in Österreich gewarnt. Jeder Reisende nach Jemen sollte auch eine aktuelle Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Masern und Kinderlähmung haben.
Jemen Nor-Sued-Jemen
Einer der Kunden erzählt mir, dass der Zusammenschluss zwischen Nordjemen mit Sanaa als Hauptstadt und dem Südjemen rund um Aden erst 1990 stattgefunden hat. Die beiden Teilstaaten würden sich jedoch immer noch nicht trauen. Örtlich begrenzte Übergriffe, speziell auf Touristen, sind jederzeit zu befürchten. Das wird mir hautnah bewusst, als ich im Kofferraum eines Firmenchefs ein Maschinengewehr entdecke, was für diesen - und das schockiert mich besonders - vollkommen üblich zu sein scheint.
Ein Gefühl dauernder Gefahr befällt mich und lässt mich immer vorsichtiger werden. Auch bei der Taxifahrt zum Flughafen hüte ich mich davor, mich in irgendeiner Form zu exponieren.
Beim anschließenden Aufenthalt in Zypern kann ich mein Unbehagen wieder ablegen und verkaufe ohne Stress Papier wie immer.
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