„Weg mit dem schlechten Gewissen!“ – Frauenbeauftragte Stranzinger über Mütter, die ihre Berufstätigkeit wegen der Kinder jahrelang zurückstecken

Dagmar Stranzinger | Foto: Cornelia Grobner

Frauen wird immer öfter die Möglichkeit geboten, in Teilzeit zu arbeiten. Was vor allem Wiedereinsteigerinnen nach der Kinderpause anfangs entgegenkommt, entpuppt sich Jahre später immer öfter als Falle, denn: Jede zweite Ehe wird geschieden und dann stehen die Frauen da: Die Kinder sind groß, es gibt wenig oder keinen Unterhalt, und mehr als eine Mindestpension ist nicht in Aussicht.

STADTBLATT: Alle im Vorjahr neu geschaffenen Frauenarbeitsplätze waren einer Studie zufolge Teilzeit-Arbeitsplätze. Was ist problematisch an dieser Entwicklung?
DAGMAR STRANZINGER: „Man muss natürlich anerkennen, wenn Frauen sagen, sie trauen sich neben der Kindererziehung keine Vollzeit-Beschäftigung zu. Faktum ist aber, dass das nicht nur bei Müttern von Kleinkindern der Fall ist, sondern auch bei Müttern Zehnjähriger und Älterer. Es gibt bei uns einfach die Haltung, ein Weltbild, demnach die Betreuung von Kindern in der Familie als besser und höherwertig betrachtet wird als eine außerfamiliäre Betreuung.“

STADTBLATT: Und das stört Sie?
DAGMAR STRANZINGER: „Ich frage mich, warum ist das so? In anderen Ländern, etwa Frankreich oder den skandinavischen Ländern ist das ganz anders. Vollzeit berufstätige Mütter werden bei uns gerne einmal schief angeschaut. Leider gerät man hier sehr schnell in eine ideologische Diskussion. Das, worum es mir geht, ist: Für Frauen kann die Situation Teilzeit-Arbeit ganz schnell problematisch werden.“

STADTBLATT: Aber die meisten teilzeitbeschäftigten Frauen wollen ja nicht ganztags arbeiten, es zwingt sie niemand dazu, einen Teil ihrer Zeit bei den Kindern zu verbringen.
DAGMAR STRANZINGER: „Dieses Modell funktioniert dann gut, wenn Familien stabil bleiben. Die Realität sieht aber anders aus: In der Stadt Salzburg wird mittlerweile jede zweite Ehe geschieden. Und bei den Frauen, die zu uns in die Scheidungsberatung kommen, fragen sich dann sehr viele, warum sie ihre Erwerbsarbeit hinten angestellt haben.“

STADTBLATT: Was sind da die größten Probleme?
DAGMAR STRANZINGER: „Wir bemerken, dass die Frauen immer älter werden, bis sie zu uns in die Beratung kommen. Mittlerweile sind mehr als ein Drittel über 50 Jahre. Und die trifft es dann voll: Sie wissen nicht, wie sie auf eine ordentliche Pension kommen sollen und mit mehr als 50 einen neuen Job zu finden, ist sehr schwierig. Da tappt man sehr schnell in die Armutsfalle.“

STADTBLATT: Was müsste denn passieren, damit Frauen weniger Teilzeit- und mehr Vollzeit arbeiten?
DAGMAR STRANZINGER: „Es wäre so wichtig, das schlechte Gewissen abzuschaffen. Denn das ist es, was die Frauen daran hindert. Ich habe es eingangs gesagt, bei uns werden berufstätige Mütter gerne als Rabenmütter betrachtet. Was keiner sagt: Kinder, die zu Hause betreut werden, haben auch Leerlaufzeiten, sitzen einmal vor dem Computer oder dem Fernseher. Und tun wir doch nicht so, als würden Mütter zu Hause den ganzen Tag Kinderprogramm machen. Da kann es gut sein, dass eine funktionierende Nachmittagsbetreuung, ein Hort, in dem die Kinder pädagogisch betreut werden und immer viele Freunde für Spiele um sich haben, sogar besser für die Kinder ist.“

STADTBLATT: Stichwort Nachmittagsbetreuung: Wie gut ist das Angebot aus Ihrer Sicht?
DAGMAR STRANZINGER: „Hier gibt es leider große Defizite, weil sehr viel in Quantität gesteckt wird. Die Politik wirbt auch mit den ansteigenden Zahlen der Betreuungsplätze. Dabei finden leider manche Nachmittagsangebote an den Schulen in Kellerräumen statt. Da bräuchten wir dringend eine bessere Ausstattung an unseren Schulstandorten und geringere Gruppengrößen.“

STADTBLATT: Noch einmal zurück zum Thema Teilzeit. Auch Männer arbeiten Teilzeit – haben sie diesselben Probleme wie Frauen?
DAGMAR STRANZINGER: „Nicht einmal zehn Prozent aller berufstätigen Männer arbeiten Teilzeit. Und die, die es tun, machen es nicht wegen ihrer Familien, sondern um sich weiterzubilden und dann mit entsprechenden Aufstiegschancen wieder zur Vollzeitarbeit zurückzukehren.“

STADTBLATT: Wie ist die Situation der weiblichen Magistratsbediensteten im Vergleich zur freien Wirtschaft?
DAGMAR STRANZINGER: „Der Magistrat spielt da in derselben Liga. Fast alle Wiedereinsteigerinnen kommen in Teilzeit zurück. Sehr oft teilen sich dann zwei Frauen einen ganzen Arbeitsplatz. Und sobald die Kinder dann größer werden und die Frauen nachfragen, ob sie mehr arbeiten, vielleicht sogar wieder ihren Vollzeitarbeitsplatz haben können, merken sie: Halt, der ist nicht mehr verfügbar.“

Interview: Stefanie Osman-Schenker

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