Psychologie /LGBTIQA*
Bisexuell - Klischees und Vorurteile

Was ist Bisexualität?

Bisexuelle Menschen fühlen sich romantisch und/oder sexuell zu Menschen beider oder mehrerer Geschlechter hingezogen.
Bisexuelle Menschen werden immer wieder mit schweren Vorurteilen und dummen Sprüchen konfrontiert. Insgesamt haben bisexuelle Menschen eine schlechtere Lobby als homosexuelle Menschen und bleiben oft unsichtbar, indem sie sich etwa als schwul, lesbisch oder heterosexuell outen, aber eben nicht als bisexuell.

1. Vorurteil: Bisexuelle Menschen können sich nicht entscheiden.

Dieses Vorurteil suggeriert, dass es unserem freien Willen unterläge, ob wir auf Männer, auf Frauen, auf beide oder mehrere Geschlechter stehen. Tatsache jedoch ist, dass wir uns nicht einmal aussuchen können, ob wir blaue oder braune Augen, blonde Haare oder schwarze Haare bevorzugen. Die sexuelle Orientierung entwickelt sich in der frühesten Kindheit und ist keine Frage der freien Entscheidung. Bisexuelle Menschen fühlen sich gefühlsmäßig, romantisch, erotisch und/oder sexuell zu beiden Geschlechtern hingezogen. Insofern ist Bisexualität genauso gesund und gleichwertig wie Heterosexualität oder Homosexualität.

Bisexualität ist ein buntes und breites Kontinuum

Im Übrigen sollten wir anderen Menschen auch viel Zeit und Raum geben, um zu spüren, wie ihre Bisexualität ausgebildet ist. Auch Bisexualität hat nämlich viele Schattierungen und Facetten, ist bunt und divers. So gibt es bisexuelle Menschen, die:

  • voll und ganz auf beide Geschlechter stehen
  • auf mehrere Geschlechter stehen (auf Männer, Frauen, inter* und trans* Personen, nicht-binäre Menschen)
  • lieber mit dem anderen Geschlecht eine Partnerschaft eingehen und mit demselben Geschlecht eher One-Night-Stands, Affären oder unverbindliche Sexualkontakte haben
  • lieber mit dem gleichen Geschlecht eine Partnerschaft führen möchten und mit dem anderen Geschlecht eher One-Night-Stands etc. haben
  • im realen Leben ausschließlich heterosexuell leben, aber homosexuelle Phantasien haben
  • im realen Leben ausschließlich homosexuell Leben, aber heterosexuelle Phantasien haben
  • asexuell sind, also keine Lust auf sexuelle Handlungen haben, sich aber in beide Geschlechter verlieben (die so genannte „Biromantik“)
  • sich mehr zu einem Geschlecht hingezogen fühlen, aber auch zu nicht-binären Personen oder mehreren Geschlechtern
  • sich von Menschen romantisch und/oder sexuell hingezogen fühlen, unabhängig von deren Geschlecht oder Geschlechtern
  • nur ab und zu mit dem anderen Geschlecht sexuelle Handlungen praktizieren
  • nur ab und zu mit dem gleichen Geschlecht sexuelle Handlungen praktizieren
  • heterosexuell lieben und leben, sich manchmal aber in Menschen desselben Geschlechts verlieben, ohne eine
  • sexuelle Anziehungskraft zu verspüren (heterosexuell und biromantisch)
  • homosexuell lieben und leben, sich manchmal aber in Menschen des anderen Geschlechts verlieben, ohne eine sexuelle Anziehungskraft zu verspüren (schwul, lesbisch und heteroromantisch)
  • u.v.m.

Mein Filmtipp: "Nicht nur "eine Phase": Was es wirklich bedeutet bisexuell zu sein"

Bisexualität ist eine gesunde Spielart der menschlichen sexuellen Orientierungen.

Bisexualität ist keine freie Wahl oder freie Entscheidung

Es gibt hier auf der Ebene der Gefühle, Emotionen und des Spürens somit kein Muss einer freien Entscheidung und auch nicht die Möglichkeit einer freien Entscheidung zu bisexuellen Gefühlen. Hilfreich kann hier die Haltung der Akzeptanz sein: Ich bin wie ich bin und nehme mich selbst so an, weil das mein Leben freier, leichter und erfüllter macht.
Was ich jedoch gestalten kann und was insofern meinem Willen unterliegt, ist, wie ich meine Bisexualität gemäß meiner individuellen Wertvorstellungen authentisch leben möchte, etwa nur heterosexuelle oder homosexuelle Partnerschaften oder polyamor oder Monogamie mit einem Partner*/einer Partnerin*, Enthaltsamkeit u.v.m. Ich richte dann mein konkretes Handeln, Tun und Gestalten an dem aus, wie es für mich im tiefsten Innersten stimmig ist.

Fakt ist: Das oben genannte Vorurteil ist stigmatisierend, weil es an bisexuelle Menschen die Botschaft richtet, dass ihre Gefühle, Bedürfnisse und Emotionen falsch seien. Das Eigene und Authentische im Menschen darf dann nicht zum Vollzug kommen. Ein sinnerfülltes Leben wäre aber ohne den Vollzug der eigenen authentischen (hier bisexuellen) Bedürfnisse gar nicht möglich.

2. Vorurteil: Bisexuelle fänden alle attraktiv und hätten ständig Lust

Ein weiteres Vorurteil ist, dass bisexuelle Menschen jeden attraktiv und erotisch fänden und ständig Lust auf Sex hätten. Dieses Klischee ist natürlich falsch. Es gibt bisexuelle Menschen, die jeden Tag mehrmals Sex wollen, manche wollen einmal in der Woche Sex, manche haben nur einmal im Jahr Lust, und dann gibt es jene Menschen, die asexuell sind, sich aber in beide Geschlechter verlieben (Biromantik). Wie stark die sexuelle Lust eines Menschen ist, hängt von seinen individuellen genetischen, psychologischen und sozialen Voraussetzungen ab und hat nichts mit seiner sexuellen Orientierung zu tun.
Das oben genannte Vorurteil suggeriert, dass bisexuelle Menschen weniger wählerisch seien und stimmt natürlich so nicht. Auch eine heterosexuelle oder homosexuelle Person kann sich nicht mit jedem anderen Menschen eine Partnerschaft oder Sexualität vorstellen und bei bisexuellen Menschen ist das genauso.

3. Vorurteil: Bisexuelle seien untreu und promisk

Viele bisexuelle Personen kämpfen auch gegen das hartnäckige Vorurteil an, dass bisexuelle Menschen angeblich nicht monogam leben könnten. Outet sich etwa ein Mann gegenüber seiner Partnerin als bisexuell, so wird ihm häufig von seiner Partnerin unterstellt, dass er gewiss mit Männern fremdgehen würde. Manche Partner*innen beenden dann auch sofort die Partnerschaft, weil sie mit ihren Verlustängsten nicht umgehen können oder nun auf alle Männer und Frauen eifersüchtig werden. Dies kann für bisexuelle Menschen sehr kränkend und verletzend sein, wenn sie in ihrer Individualität und als Person nicht gesehen werden, vor allem dann, wenn sie keine Chance bekommen, ihre Treue zu beweisen. Viele bisexuelle Personen verheimlichen deshalb ihre Bisexualität und bezeichnen sich selbst als homo- oder heterosexuell, um nicht derartige schlimme Erfahrungen erneut machen zu müssen.
Dies könnte einer der Gründe sein, warum bisexuelle Menschen in unserer Gesellschaft kaum sichtbar sind. Schätzungen zufolge sind mindestens 20 Prozent der Gesamtbevölkerung bisexuell. Dennoch gibt es viel mehr Personen, die sich als schwul oder lesbisch denn als bisexuell bezeichnen, obwohl nur etwa sieben Prozent aller Menschen homosexuell sind.
Monogamie hat somit nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun. Es gibt heterosexuelle, bisexuelle und homosexuelle Personen, die streng monogam leben und dann gibt es heterosexuelle, homosexuelle und bisexuelle Menschen, welche heimlich fremdgehen, in einer offenen Partner*schaft, polygam oder polyamor leben. Monogamie und sexuelle Orientierung bedingen sich nicht gegenseitig, und bisexuelle Menschen sind nicht mehr oder weniger sexuell treu als die Gesamtbevölkerung.
Vielen bisexuellen Menschen reicht ein Partner*/eine Partnerin* und sie sind völlig zufrieden. Lebt etwa eine bisexuelle Frau in einer Partnerschaft mit einer anderen Frau, so unterliegt es ihrer bewussten Entscheidung, ob sie monogam lebt oder heimlich oder offen fremdgeht.

Film: "Das solltest du NICHT zu Bisexuellen sagen - Bisexualität Q&A"

Bisexualität wird von der Gesellschaft kaum anerkannt, ernst genommen oder akzeptiert.

Bisexualität und Polyamorie/Polygamie

Übrigens: Bisexuelle Personen fühlen sich auch nicht innerlich zerrissen oder hin und hergerissen zwischen ihrer Affinität zu beiden Geschlechtern. Ihre Fähigkeit und ihr romantisches, erotisches und sexuelles Potential ist einfach nur breiter als das von hetero- oder homosexuellen Menschen. U.U. kann es natürlich für einen bisexuellen Menschen stimmig und passend sein, polygam zu leben, aber genauso oft spüren bisexuelle Personen, dass sie monogam leben möchten. Hier gibt es kein richtig oder falsch, sondern es unterliegt der Freiheit des einzelnen Menschen, seine Bedürfnisse nach Polygamie oder Polyamorie zu spüren und sich dann bewusst zu entscheiden, wie er mit diesen Bedürfnissen umgeht.
Jedes Beziehungsmodell hat seine gleiche Berechtigung, falsch ist es nur dann, wenn Menschen sich in ein Beziehungsmodell hineinzwängen, das ihnen in ihrem tiefsten Innersten gar nicht entspricht und ihren Bedürfnissen zuwiderläuft.
In einer Partnerschaft kann es hilfreich und konstruktiv sein, derartige Vorurteile oder Sorgen offen anzusprechen, damit diese nicht die Paardynamik belasten. Das Mitteilen von Sorgen und Ängsten kann alles viel leichter machen: „mit-TEILEN“ im Sinne von „geteiltes Leid ist halbes Leid“.

Bisexualität als eigenständige sexuelle Orientierung

Immer wieder werden bisexuelle Menschen in ihrer sexuellen Orientierung nicht ernst genommen. Bisexualität als eigenständige Orientierung wird gesellschaftlich kaum anerkannt. So wird bisexuellen Männern und Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, gerne unterstellt, dass sie schwul oder lesbisch seien. Bisexuelle Menschen hingegen, die in einer heterosexuellen Partnerschaft leben werden gesellschaftlich als heterosexuell abgestempelt, ihre Bisexualität wird einfach ignoriert. Bisexualität wird somit im Gegensatz zur Homosexualität nicht oder kaum anerkannt und als „Unentschiedenheit“ gebrandmarkt. Dies kann bisexuelle Menschen extrem verletzen, da eine wesentliche Seite ihrer sexuellen Identität damit abgewertet und nicht beachtet wird. Zudem droht bisexuellen Menschen Diskriminierung und sozialer Ausschluss, auch von schwulen Männern und lesbischen Frauen.

Bisexualität besteht übrigens auch dann, wenn die bisexuellen Seiten nicht ausgelebt werden. Hat z.B. eine bisexuelle Frau immer nur männliche Partner, so wird ihr oft nicht geglaubt, dass sie bisexuell ist. Dabei kann es verschiedene Gründe geben, warum ein Mensch seine bisexuellen Neigungen nicht lebt. Diese reichen von gesellschaftlicher Diskriminierung, Homophobie bis hin zu mangelnden Gelegenheiten, Sex, Liebe und Erotik mit gleichgeschlechtlichen Partner*innen ausleben zu können. Die bisexuellen Neigungen sind dann natürlich trotzdem immer vorhanden, auch wenn dies von außen nicht sichtbar ist.
Es besteht zudem keine Verpflichtung, anderen Menschen die eigene Bisexualität zu beweisen, wenn auch hier ein sozialer Druck zu beobachten ist.

Bisexualität ist heute sichtbarer

Bisexualität ist heute sichtbarer als früher und findet medial viel mehr Aufmerksamkeit, d.h. aber nicht, dass sie heute verbreiteter oder gar eine Modeerscheinung ist. Früher mussten sich LGBTs (lesbische Frauen, schwule Männer, bisexuelle Menschen und trans*idente Personen) verstecken und konnten ihre sexuellen Orientierungen nicht ausleben. Taten sie dies, so drohte ihnen bis in die 1970er Jahre eine Haftstrafe. Zudem galten Bisexualität und Homosexualität lange Zeit als psychische Erkrankungen, wurden pathologisiert und bi- und homosexuelle Personen durften viele Berufe nicht ausüben oder wurden fristlos entlassen, wenn sie zu Ihrer Bisexualität standen.

Wie kann ich Bisexuelle unterstützen?

Sie können bisexuelle Menschen am Besten dann unterstützen, wenn sie sie so akzeptieren, wie sie sind, ihnen Rückenstärkung geben und für sie da sind. Drängen Sie bisexuelle Menschen niemals dazu, sich für „eine Seite“ zu entscheiden, denn genau das geht bei Bisexualität eben nicht. Natürlich kann sich ein Mensch bewusst dafür entscheiden, ob er seine homosexuellen oder seine heterosexuellen Seiten auslebt, aber er kann nicht seine emotionalen Bedürfnisse nach Bisexualität abstellen.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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