"Jede Veränderung fordert uns"
Psychiater und Psychotherapeut Manfred Stelzig über das Phänomen Frühjahrsmüdigkeit.
SALZBURG (lg). Das Phänomen der Frühjahrsmüdigkeit ist weit verbreitet - das Stadtblatt sprach mit dem Salzburger Psychiater und Psychotherapeut Manfred Stelzig über die Ursachen und was jeder Einzelne dagegen tun kann.
Viele Menschen leiden an der sogenannten Frühjahrsmüdigkeit. Welche Ursachen gibt es dafür und was sind typische Anzeichen?
MANFRED STELZIG: Grundsätzlich gilt: Alles was mit Umstellung und Veränderung zu tun hat, fordert den Menschen. Er muss sich auf neue Situationen einstellen, das kennt man auch beim Übergang vom Kind zum Erwachsenen, von Schule zu Beruf. Speziell im April unterliegt das Wetter starken Schwankungen, man muss sich von kalt auf warm umstellen. Im Winter produziert der Körper mehr Melatonin, das muss sozusagen erst "rausgeputzt" werden und durch das Serotonin ersetzt werden. Typische Symptome sind Mattheit, Trägheit, man verspürt eine gereizte, nervöse Stimmung. Aber auch körperliche Symptome wie Kopfschmerzen oder Verspannungen sind mit dabei.
Es ist sozusagen ein Wechselspiel aus physischen und psychischen Ursachen?
MANFRED STELZIG: Ja, es ist ganz klar ein psychosomatisches Thema.
Herbstdepression, Winterdepression und jetzt Frühjahrsmüdigkeit - würden Sie sagen, dass die Bezeichnung "depressive Verstimmung" mittlerweile inflationär gebraucht wird?
MANFRED STELZIG: Bei mir überwiegt eher die Freude, dass Depressionen kein Tabuthema mehr sind, das war vor einigen Jahren noch ganz anders. Ich denke, dass psychische Erkrankungen nach wie vor zu wenig beleuchtet werden, wenn man es mit anderen medizinischen Bereichen vergleicht.
Im Frühjahr werden die Tage länger, die Sonnenstunden mehr - das müsste sich doch eigentlich positiv und motivierend auf den Menschen auslösen?
MANFRED STELZIG: Es ist der Übergang und die Umstellung die den Menschen so fordert. Einerseits herrscht die Freude über das schöne, warme Wetter, andererseits kann aber genau das eine besondere Belastung sein. Wenn es einem selbst nicht gut geht, man in Trauer ist, dann empfindet man die ausgelassene Stimmung von anderen Menschen eher als belastend. Es wird sozusagen erwartet, dass die anderen sich der eigenen Stimmung anpassen.
Wie kann man der Frühjahrsmüdigkeit am besten entgegenwirken?
MANFRED STELZIG: Man soll auf keinen Fall der Müdigkeit nachgeben, sondern rausgehen an die frische Luft und in die Natur. Anders gesagt: Das tun und jene Plätze aufsuchen, die einem selbst guttun. Das kann für den einen Sport, für den anderen Musik und für den anderen ein gutes Essen mit Freunden sein.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.