"Für Rössler sollen bei uns Kühe grasen"

Salzburgs Gemeindeverbandspräsident und St. Johanner Bürgermeister Günther Mitterer im Interview mit den Bezirksblättern Salzburg.
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Die Raumordnungsnovelle sorgt für Diskussionsbedarf zwischen Land und Gemeinden. Steht demnächst ein Gespräch mit LH-Stv. Astrid Rössler auf Ihrem Kalender?
GÜNTHER MITTERER:
Nein, es gibt keinen Termin. Ich warte immer noch auf die von LH-Stv. Rössler vor eineinhalb Jahren versprochene Vorlage – sie wollte mich als Gemeindeverbandspräsident thematisch ja einbinden. Aber da ist sie säumig.

Das heißt, die Novelle ensteht ohne Sie?
GÜNTHER MITTERER:
Ich glaube nicht, dass sie umgesetzt wurde, weil die Vorstellungen der Koalitionspartner zu weit auseinander liegen. Und: Das alte Raumordnungsgesetz ist jetzt auch nicht die große Katastrophe. Sicher, ein paar Stellen gehören novelliert – etwa der Passus mit den fünf Wohneinheiten für touristische Nutzung oder die Haltestellen bei Baulandwidmungen. Aber das kann man relativ schnell ändern.

Was spricht dagegen, Wohnbau dort zu forcieren, wo es bereits eine entsprechende Infrastruktur wie Kanal und eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr gibt?
GÜNTHER MITTERER:
Grundsätzlich nichts. Die Aufsichtsbehörde, also das Land, ist nicht für die örtliche Raumplanung zuständig, denn das ist Gemeindesache. So steht es in der Verfassung. Es kann nicht sein, dass sich das Land herausnimmt, in die örtliche Raumplanung einzugreifen. Wenn die Voraussetzungen für eine Gewerbe- oder Baulandwidmung gegeben sind, dann hat das Land als Aufsichtsbehörde nicht die Kompetenz, das zu verhindern. Die Gemeinden machen ihre Hausaufgaben, aber das Land ist beim Landesentwicklungsprogramm säumig.

Aber es gibt doch ein Räumliche Entwicklungskonzept (REK)?
GÜNTHER MITTERER:
Ja, aber es wird ständig in Frage gestellt. LH-Stv. Rössler rückt keinen Millimeter von ihrer Idealvorstellung ab. Sie sieht den ländlichen Raum als Erholungsgebiet für die Ballungszentren. Dort sollte am besten alles aus Grünflächen bestehen, auf denen Kühe und Schafe grasen – das ist ihre Vorstellung. Deshalb müsste man erst einmal Ziele des Landesentwicklungsprogramm definieren. Und noch etwas: Wir Bürgermeister werden als die ärgsten Raumordnungsverbrecher dargstellt, aber es entscheiden ja nicht wir Bürgermeister, sondern die gesamte Gemeindevertretung.

20 Hektar Ackerfläche gehen laut österreichischer Hagelversicherung in Österreich täglich durch Verbauung verloren. In den vergangenen 50 Jahren sind so 300.000 Hektar Ackerfläche verschwunden. Wenn wir so weitermachen, haben wir in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr. Hat LH-Stv. Astrid Rössler nicht doch recht, bei Umwidmungen genauer und vor allem strenger hinzuschauen?
GÜNTHER MITTERER:
Freilich muss man über den Flächenverbrauch diskutieren. Aber in welche Richtung sich eine Gemeinde etnwickelt, muss Aufgabe der Gemeinden bleiben. Wir brauchen auch Entwicklung und Wachstum im ländlichen Raum – zB. Seilbahnen, Hotels, das, worauf wir stolz sind. Wenn wir das wollen, dann müssen wir es auch zulassen. Das ist keine einfache Aufgabe, und das wissen die Gemeinden.

Wohnbau im Grünen bedeutet nicht nur Zersiedelung, sondern Abhängigkeit vom Auto.
GÜNTHER MITTERER:
Die 500 Meter Maximalabstand zum Buswartehäuschen sind ein großes Problem. Wenn wir nur dort bauen, wo der Bus hinkommt, dann werden unsere Möglichkeiten bald erschöpft sein. Wenn bei einem Wohnbau auf der grünen Wiese der Bedarf nach öffentlichem Verkehr da ist, dann kommt aufgrund des Drucks auf die Gemeinde der öffentliche Verkehr automatisch dorthin.

Automatisch? Das ist ja auch eine Kostenfrage.
GÜNTHER MITTERER:
Ich glaube nicht, dass die Kosten das Problem sind, sondern das starre System. Es wäre höchste Zeit, den öffentlichen Verkehr neu aufzustellen: Dort wo die Bahn fährt, Buslinien aufzulassen und die Ressourcen dafür lieber dort einzusetzen, wo es jetzt gar keinen öffentlichen Verkehr gibt. Aber zurück zur Haltestellenproblematik beim Wohnbau: Was machen wir jetzt? Raumplanung oder die Planung des öffentlichen Verkehrs? Da wird das Pferd von hinten aufgezäumt.

Thema Bauland und leistbares Wohnen: Trägt die Hauptwohnsitzregelung dazu bei, dass das Wohnen für Einheimische leistbarer wird?
GÜNTHER MITTERER:
Eher nicht. Wir arbeiten mit Baulandsicherungsmodellen um 'leistbaren' Wohnraum für die Jungen zu haben. Die Hauptwohnsitzregelung hat dazu geführt, dass wir dort, wo in früheren Jahren viele Appartementhäuser entstanden sind, nun ungenützte, leer stehende und herunter gewirtschaftete Wohnungen haben. Die Einheimischen können es sich nicht leisten, diese zu kaufen und dann auch noch viel Geld reinzustecken. Da wäre zudem ja immer die gesamte Eigentümergemeinschaft gefragt. Daher haben wir im ländlichen Raum auch leer stehende Wohnungen.

Kann eine Leerstandsabgabe etwas zur Problemlösung beitragen?
GÜNTHER MITTERER:
Nein, denn da stünde nur die Bestrafung im Vordergrund. Und sie wäre ein zu großer Eingriff in das Eigentumsrecht.

Gibt es einen Konsens bei der Infrastrukturabgabe?
GÜNTHER MITTERER:
Ja, darüber sollten wir diskutieren.

Die Ortskernbelebung ist auch ein Lieblingsprojekt der Landesregierung. Wie gut funktioniert das in der Praxis?
GÜNTHER MITTERER:
Sie ist gut gemeint, funktioniert aber nicht in der Praxis. Das Land kann eine Ortskernbelebung nicht verordnen. Und glauben Sie mir: Jede Gemeinde ist bemüht, sich selbst am Leben zu erhalten. Das ist viel weniger ein bauliches, als ein gesellschaftliches Problem. Wie soll ich in unserer leistungsorientierten Gesellschaft – in der ich ganztags arbeite, abends vielleicht auch noch laufen gehe und meine Besrogungen auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause, also außerhalb des Ortszentrums erledige – auch noch den Ortskern beleben? Eine Stadt wie St. Johann tut sich da noch leichter, aber wir ziehen natürlich auch einiges aus den Seitentälern ab. Kleinere Gemeinden tun sich da sehr schwer. Sie haben kaum Kommunalsteuereinnahmen und müssen aber alle Aufgaben einer Gemeinde erfüllen.

Das heißt: Das Ortskernsterben ist nicht aufzuhalten?
GÜNTHER MITTERER:
Nein, aber wir werden uns als Gesellschaft ändern müssen. Das ist ein Prozess, der über Jahrzehnte gehen wird. Die Ortskerne ihrerseits sind ja auch nicht plötzlich ausgestorben. Die Maßnahmen dazu müssen aus den Gemeinden selber kommen, aus der Gemeinschaft vor Ort. Ich kann per Gesetz festlegen, dass keine neuen Einkaufszentren an der Peripherie entstehen. Ob das den Ortskern belebt, ist aber die Frage.

Die Unterbringung von Asylwerbern in den Gemeinden hat in den vergangenen Monaten immer wieder für Konflikte gesorgt. Hat sich das mittlerweile eingespielt, was hören Sie aus den Gemeinden, die Flüchtlinge untergebracht haben?
GÜNTHER MITTERER:
Es hat sich eingespielt, die Wogen haben sich geglättet. Ich bin glücklich darüber, dass Asylwerber nun auch in kleineren Einheiten untergebracht werden, denn das wurde ja anfangs öfters abgelehnt. Wo wir an die Grenzen stoßen werden, ist die Integration aller – denn Integration findet im Kleinen statt, mit persönlichem Einsatz von Ehrenamtlichen. Und das passiert jetzt ja auch. Wenn es so bleibt und in den kommenden Monaten nicht noch sehr viel mehr Asylwerber kommen, werden wir gut zureckt kommen.

Sie sind seit bald zwei Jahren Präsident des Salzburger Gemeindeverbandes. Macht Ihnen diese Funktion immer noch Freude?
GÜNTHER MITTERER:
Ja.

Wie oft haben Sie sich seither schon über die Politik der Landesregierung geärgert?
GÜNTHER MITTERER:
Ich ärgere mich nicht, ich wundere mich nur."

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