"Wir können den 'Hainburg-Modus' einschalten"

Franz Köck, Vizepräsident der IG Erdkabel, ist Gegner der 380-kV-Salzburg Freileitung, der ersten Stunde.
  • Franz Köck, Vizepräsident der IG Erdkabel, ist Gegner der 380-kV-Salzburg Freileitung, der ersten Stunde.
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Trotz diverser Dämpfer, welche die Gegner der 380-kV-Salzburgleitung kürzlich einstecken mussten, bleibt die IG Erdkabel kampflustig.

SALZBURG. Erst letzte Woche hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Behandlung der Beschwerde der Bürgerinitiativen Nockstein-Koppl und Hochkreuz-Eugendorf betreffend der Umweltverträglichkeits-Genehmigung des Landes über die 380 kV-Salzburgleitung abgelehnt. Vier Wochen davor blitzte die Interessengemeinschaft (IG) Erdkabel mit Anträgen auf aufschiebende Wirkung des Leitungsbaus beim Bundesverwaltungsgericht ab.

Herr Köck, Sie sind Vizepräsident der IG Erdkabel und damit ein Gegner der 380-kV-Salzburgleitung. Haben die Gegner der Freileitung jetzt endgültig "verloren"?
FRANZ KÖCK: Nein, wir geben nicht auf. Jetzt ist der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) am Wort. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat geprüft, ob Verfassungsgesetze im Verfahren verletzt wurden, da dies nicht der Fall war, wurde der Akt an den VwGH weitergeleitet, der nun die Fragen der Rodungsfläche, die Zuständigkeit der Behörde und andere Einwendungen klären muss. Auch der Weg zum Europäische Gerichtshof (EuGH) steht uns offen. Als Notwehr würden wir auch in den „Hainburg Modus“ schalten. (Anm. d. Red.: Besetzung der Hainburger Au durch Aktivisten in den 1980er-Jahre, wodurch der Bau eine Wasserkraftwerkes verhindert wurde, und weshalb ein Europaschutzgebiet entstand ).

Was wollen Sie dem Baustart noch entgegensetzen?
FRANZ KÖCK: Die IG-Erdkabel hat über 10.000 Unterstützungsunterschriften, viele Bauern, Grund- und Waldbesitzer haben den Vertrag der Austria Power Grid (APG) nicht unterschrieben und lassen es auf eine Enteignung ankommen. Es handelt sich also nicht, wie häufig behauptet, nur um eine einzelne Gemeinde (Adnet), die sich noch „wehrt“. Recht zu bekommen, kostet in Österreich viel Geld, das können sich die Betroffenen nicht leisten, darauf setzt wahrscheinlich die APG. Den angedrohten Enteignungsverfahren können trotzdem alle gelassen entgegensehen. Auf betreiben unseres Anwaltes hat der Prozessfinanzierer „Advofin“ den Fall übernommen.

Warum sträuben sich die Grundbesitzer gegen den Bau der Leitung? Schließlich gibt es doch, wie auch das Bundesverwaltungsgericht festhält, ein zwingendes, öffentliches Interesse am Bau der Salzburgleitung?
FRANZ KÖCK: Das angebliche öffentliche Interesse wird in dieser Causa über den Naturschutz gestellt. Das ist absurd, weil der Naturschutz das höchste öffentliche Interesse darstellen muss. Grund-, Wald und Liegenschaftsbesitzer nehmen beim Nichtunterschreiben ihre Verantwortung für die Generationen der nächsten 100 Jahre wahr. In Salzburg soll für die Freileitung 800 Hektar Wald gerodet werden, darunter auch Schutzwald.

Nun hat sich aber die Politik bereits vor zehn Jahren für die Freileitung entschieden, warum beharren Sie weiterhin auf die Erdkabellösung?
FRANZ KÖCK: Dieses Projekt wurde von Anfang an wie eingereicht durchgepeitscht – über die Köpfe der Menschen hinweg. Da ist vieles nicht richtig gelaufen. Außerdem wird das Erdkabel durch falsche Behauptungen schlechtgeredet. Es ist eine Alternative zur Freileitung und zwar die wesentlich Bessere für das Land Salzburg.

In meinem Gespräch mit der APG wurden einige Nachteile des Erdkabels gegenüber der Freileitung genannt – z.B. sei es nur für kurze Strecken geeignet und sehr wartungsintensiv. 
FRANZ KÖCK: Die APG lebt scheinbar in der Erdkabel-Steinzeit und hinkt der Entwicklung 20 Jahre hinterher. Erdkabel müssen weder mit sehr hohem Aufwand betrieben werden, noch sind sie nur für kurze Strecken geeignet. Bis 2015 wurden weltweit 4.691 Kilometer Höchstspannungskabel mit bis zu 500 kV betrieben – davon 1.678 Kilometer mit 380- bis 500 kV. Auch die Reparatur in der Erde ist längst kein Problem mehr. Bei jedem Stromkabel wird ein Lichtwellenleiter mitgeführt. So kann man bereits im Vorfeld auf den Meter genau bestimmen, wo der Schaden auftreten wird und Vorsorge treffen. Die wirkliche Reparaturdauer ist in einer Woche erledigt. Die Ausfallsicherheit bei Bodenkabel ist sieben Mal besser als bei Freileitungen, das hat das Schweizer Höchstgericht bestätigt (Urteil 1C_398/20011). Die erwähnten Probleme mit den Muffen sind auch lange schon ausgeräumt.

In Deutschland wird aktuell wegen Bodenerwärmung durch das Erdkabel Sturm gelaufen...
FRANZ KÖCK: Bodenerwärmung beträgt maximal ein Grad, das hat ebenfalls das Schweizer Höchstgericht bereits 2011 nach einer eingehenden Prüfung festgestellt. Freileitungsanbieter sprechen von vier bis acht Grad hoher Erwärmung.

Uneinig sind sich die Freileitungs- und Erdkabel-"Parteien" auch beim Gesundheitsrisiko. Was ist Ihre Meinung dazu?
FRANZ KÖCK:
Ein ganz wichtiges Thema ist die Gesundheitsgefährdung durch Elektromagnetische Felder. Vor Kurzem hat das „Industriemagazin“ unter dem Titel „Frankreich warnt – mögliches Leukämierisiko bei Kindern bei 380 kV-Freileitungen“ einen Bericht veröffentlicht. Verschiedene Studien sehen die Expositionsschwelle bei 0,2 bis 0,4 Mikrotesla – die Maßeinheit für die magnetische Flussdichte.

Immer wieder hör man, dass das Erdkabel in der Umsetzung teurer wäre, als die Freileitung. Stimmt das?
FRANZ KÖCK:
Für die Salzburgleitung liegt kein geplantes Erdkabelprojekt vor, darum kann auch kein Kostenvergleich mit der Freileitung aufgestellt werden. Die IG Erdkabel hat aber einen Trassenvorschlag samt Kostenvoranschlag von Infranetz (Anm. d. Red.: ein Stromversorgungsunternehmen in Müden, Deutschland) erstellen lassen. Die Erdkabeltrasse wäre diesem Vorschlag zufolge um die Hälfte kürzer als die Freileitung und um 300 Millionen Euro günstiger. 500 Millionen Euro wurden für das Erdkabel errechnet. Die Freileitung kommt laut APG auf 800 Millionen Euro. Eine Salzburg-Erdleitung würde mit zwei Kabelsystemen (wie bei einer Freileitung) und mit einer Trassenbreite (je nach Verlegungsart) von ca. vier Metern je System, Auslangen finden.

Herr Köck, sind Sie selbst von der Salzburgleitung betroffen?
FRANZ KÖCK:
Nein, nicht unmittelbar.

Warum machen Sie sich dann so für das Erdkabel stark?
FRANZ KÖCK: Als Obmann von"Aktion 21-Austria – Pro Bürgerbeteiligung", eine überparteiliche und unabhängige Vereinigung von Bürgerinitiativen, habe ich es mir zum Ziel gemacht, eine wirksame Beteiligung der Bevölkerung an allen Planungen und Vorhaben durchzusetzen, die sich nachhaltig auf ihre Lebensqualität auswirken können. Das steht uns laut völkerrechtlichem Vertrag „Aarhus Konvention“ zu. Wenn es keine Bürgerinitiativen wie unsere gäbe, wäre das AKW Zwentendorf und eine Wideraufbereitungsanlage in Wackersdorf in Betrieb, oder wir hätten ein Wasserkraftwerk bei Hainburg an der Donau. Genau wie diese Vorhaben, wollen wir auch keine Freileitung sondern eine Erdleitung nach dem aktuellen „Stand der Technik“.

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