Rechtswidrige Volkstradition
Bezirksjägermeister Johann Enichlmair: "Wilderei ist eine Sauerei!"
Wildern hat im Salzkammergut Tradition, das rechtswidrige Verhalten ruft die Jäger auf den Plan.
SALZKAMMERGUT. Als eine der erfolgreichsten Ermittlungsarbeiten in Sachen Wilderei in den letzten Jahren bezeichnet der Bad Ischler Revierinspektor und Kriminalist Raphael Czerny das Ausforschen eines Wilderer-Rings im Bezirk. Drei beschuldigte Haupttäter aus Bad Ischl, zwischen 18 und 30 Jahren, und zwei Nebentäter, die Väter zweier Verdächtiger, konnten bereits ausgeforscht werden. Aufgeflogen sind die Wilderer Ende April durch einen anonymen Hinweis. In der Zwischenzeit wurde bereits ein erster vorläufiger Bericht an die Staatsanwaltschaft geschickt. Die drei Männer haben demnach im Alpenvorland gewildert. Am 1. Juni ist die Exekutive nach vorangegangenen Ermittlungen eingeschritten. Bei Hausdurchsuchungen wurden die Waffen, Trophäen und verarbeitetes Wildfleisch sichergestellt. Bei einem der Verdächtigen wurden zudem selbst hergestellte Schalldämpfer sowie Waffen aufgefunden – und das trotz eines gegen ihn verhängten Waffenverbots.
"Ethik ist Fremdwort"
Bezirksjägermeister Johann Enichlmair bezeichnet die Wilderei als „Sauerei“. Wilderer halten sich – im Vergleich zu den Jägern – an keinen Tierschutz, keine Gesetze, und Ethik ist für sie ein Fremdwort. Viele Wilderer fahren mit dem Auto in die fremden Reviere und schießen von dort direkt auf die Wildtiere. Sollte eines „nur“ angeschossen werden, bleibt keine Zeit, das leidende Tier zu suchen. Der Bezirksjäger erklärt, dass die Wildtiere untereinander "kommunizieren" und sich die Kombination „Auto-Schuss-Tod“ merken. Das heißt für den geprüften Jäger, dass die Tiere nicht mehr sichtbar sind. „Dadurch sind auch teilweise unsere Abschusszahlen nicht mehr erfüllbar. Der Jäger muss diese aber einhalten – sollte er die erforderliche Anzahl nicht schaffen, muss er sich bei der Behörde rechtfertigen. Das ist ein Verwaltungsdelikt, das auch finanziell bestraft wird“, so Enichlmair.
Wildern ist Adrenalinkick
Dem Mythos Wilderer – als ehrenhafte Person – kann er ganz und gar nichts abgewinnen. „Früher haben die Menschen aus Not gewildert, weil sie nichts zu essen hatten. Heute ist das Spaß, quasi ein Adrenalinkick. Man macht etwas Verbotenes und ist stolz, sich an keine Gesetze zu halten. Der eine geht Bungee-Jumpen, der andere geht wildern. Die sozialen Medien, über die sich die Wilderer vernetzen können, tun ihr übriges. Heute können sich Wilderer gegenseitig warnen, sollte ein Jäger im Revier sein“, so Enichlmair.
„Der Wald ist kein Selbstbedienungsladen! Jeder unbescholtene Bürger kann die Jagdprüfung machen. Es gibt heutzutage überhaupt keinen Grund zu wildern!“ Die „Auto-Wilderei“ ist vor allem im Norden des Salzkammergutes ein Thema, weil hier die Reviere durch Güterwege gut erschlossen sind. Noch ein Problem sieht Enichlmair in der Wilderei: „Wir beschauen die Tiere nach dem Abschuss. Sind die Organe gesund? Das ist dem Wilderer egal, es besteht aber beim Konsumenten dadurch eine Gefährdung der Gesundheit. Es kann auch sein, dass wir bei der Beschau sogenannte Zoonosen entdecken. Das sind Krankheiten, die sich vom Tier auf den Menschen übertragen. Es ist für uns Jäger wichtig zu wissen, wenn ansteckende Krankheiten im Revier kursieren. Das erfahren wir nicht, sollte ein krankes Tier vom Wilderer erlegt werden.“
"Rechtswidrige Volkstradition"
"Das Thema Wilderei hat besonders im Salzkammergut große Bedeutung, da es trotz seiner Rechtswidrigkeit so was wie eine Volkstradition ist, die von Generation zu Generation weitergereicht wird“, ist Peter Janisch – bekannt für seine Wilderer-Bücher, überzeugt. "Freilich hat sich das Wesen des Wilderns gegenüber früher sehr geändert. Heutzutage erleichtern moderne technische Hilfsmittel das ,Schwarzgehen‘ und auch das Risiko des Erwischtwerdens ist nicht mehr sehr hoch, da meistens Autos als Fluchthilfen zur Verfügung stehen. Einst jedoch pirschten die ,Wildbratler‘ durch die Reviere, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten sich und ihre Familie mit Fleisch zu versorgen, wogegen heute meist das Trophäenwildern im Vordergrund steht. Und weil sie kräftige, verwegene Burschen waren, die kein Risiko scheuten, wurden sie anno dazumal von der Bevölkerung respektiert, von Frauen und Mädchen geradezu angehimmelt. Leider führten Begegnungen zwischen Jägern und Wilderern nicht selten zu dramatischen Ereignissen – ja sogar zu Totschlag und Mord auf beiden Seiten.“ Die Resonanz auf Janischs dritten Wilderer-Band mit dem Titel "Leg ab, du Lump“ ist sehr erfreulich. "Aufgrund der durch die Corona-Verordnungen vorgeschriebenen Ausgangsbeschränkungen haben die Leute offenbar die Lust am Lesen wieder entdeckt. Wenn die Bestellungen des Buchhandels und die Online-Bestellungen weiterhin so anhalten, werde ich bald eine 2. Druckauflage ordern müssen“, erzählt der Autor, der bereits an dem vierten Band arbeitet.
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