Durchbruch bei Photosynthese
Wie ein Bad Ischler einen alten Lehrsatz der chemischen Biologie widerlegte
- Michael Hofer (27) aus Bad Ischl studiert an der JKU Linz und dem Imperial College London.
- Foto: Hofer
- hochgeladen von Philipp Gratzer
Michael Hofer (27) promoviert derzeit in Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Theoretische Physik an der JKU Linz sowie dem Imperial College London. Gemeinsam mit seinem Professor an der JKU und einem britischen Team gelang ihm ein wissenschaftlicher Durchbruch: Ein lange gültiger Lehrsatz der chemischen Biologie zur Photosynthese konnte widerlegt werden.
BAD ISCHL. Im Interview mit MeinBezirk Salzkammergut spricht der Bad Ischler über seine Entdeckung.
MeinBezirk Salzkammergut .In Fachkreisen ist vom "Durchbruch bei Photosynthese" die Rede – was genau haben Sie und Ihr Professor entdeckt?
Hofer: Ganz vereinfacht gesagt besteht ein Photosystem aus einem Antennensystem, dessen Chlorophylle (Blattgrün) Licht sammeln und dann über quantenmechanische Prozesse ins sogenannte Reaktionszentrum bringen. Dieses besteht aus nur ganz wenigen Chlorophyllen, die eine ganz spezielle Orientierung zueinander haben. Kommt die Anregung aus der Antenne ins Reaktionszentrum, beginnt dort eine Elektrontransferkette, welche schlussendlich die Lichtenergie in chemische Energie umwandelt. Nun gibt es bestimmte Organismen die, wenn sie nur unter ganz langwelligem (energiearmen) Licht aufwachsen, sich an diese Umgebung anpassen können und anstelle der typischen Chlorophyll a ein paar Chlorophyll f einbauen. Dieses Chl f kann sogar im Infrarot Licht absorbieren und damit wird Photosynthese mit wesentlich weniger Energie als bisher vermutet betrieben. Die große Frage, um den Mechanismus aufzuklären, war nun, ob diese Chl f nur in der Antenne Licht sammeln oder auch im Reaktionszentrum an der Umwandlung in chemische Energie aktiv beteiligt ist. Unsere Rechnungen konnten eindeutig zeigen, dass eines dieser Chl f an einer Schlüsselstelle im Reaktionszentrum sitzt und damit die experimentellen Befunde unserer Kollegen in London bestätigen. Das Ergebnis kam für viele sehr unerwartet (im positiven Sinne), da in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen einige Forschungsgruppen zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangten. Damit sind einige Ungereimtheiten direkt aus dem Weg geräumt und man kann (endlich) anfangen den Mechanismus wirklich im Detail zu verstehen.
Wie sind Sie darauf gekommen, diesen "alten Lehrsatz der chemischen Biologie" zu hinterfragen?
Dafür gibt es mehrere Argumente! Das erste ist, dass das rote Licht ohne Chl f im Reaktionszentrum eine sehr große Energiebarriere überwinden müsste, um dort hinzugelangen. Das wäre aufgrund physikalischer Argumente unwahrscheinlich, wenn kein bisher gänzlich unbekannter Prozess dafür verantwortlich wäre. Das zweite Argument ist, dass spezielle spektroskopische Daten im “Chl f Bereich” ein sehr starkes Signal zeigten. Mit unseren Rechnungen, vorwiegend basierend auf Methoden der Quanten- und Statistischen Physik, konnten wir dann eindeutig zeigen, dass sich dieses Signal tatsächlich nur mit Chl f im Reaktionszentrum erklären lässt.
Es gab eine Kooperation mit einer britischen Uni, wie sah die Zusammenarbeit aus, wie genau Ihr Part?
Die Kollegen am Imperial College in London konnten mit Kryoelektronenmikroskopie eine wesentlich präzisere Struktur des gesamten Komplexes erzeugen, wo man erstmals klare experimentelle Indizien auf die Anwesenheit eines Chls f im Reaktionszentrum hatte. Zu dieser Zeit noch komplett unabhängig hatten wir schon begonnen, Rechnungen anzustellen, da wir, wie oben beschrieben, berechtigte Zweifel an den anderen Strukturen hatten, wo dieses nicht gefunden wurde. Damit konnten wir eigentlich komplett unabhängig voneinander zeigen, dass ein Chl f tatsächlich im Reaktionszentrum sein muss. Sozusagen mit geeinten Kräften konnten wir dann genug Evidenz schaffen um sogar das Journal “Science” zu überzeugen! Mittlerweile bin ich aber mit einem Stipendium der Royal Society akademisch neben Linz auch am Imperial College “beheimatet”, was natürlich noch mehrere Vorteile bringt.
Ihre Entdeckung könnte eigenen Aussagen nach Auswirkungen auf Agrarwirtschaft haben, welche wären das?
Es gibt Schätzungen, dass der Nahrungsbedarf weltweit bis 2050 um fast 60 Prozent steigen wird, daher sucht man mittlerweile aktiv nach Möglichkeiten, um landwirtschaftliche Erträge zu steigern. Wenn es gelingt, den Mechanismus dieser Photosysteme zu entschlüsseln und in Nutzpflanzen einzubauen, würde man diesbezüglich deutliche Fortschritte machen. Damit wäre es dann möglich, dass solche Pflanzen im Schatten beispielsweise anderer Pflanzen wachsen, da diese ja das rote Licht nicht nutzen und damit einfach durchlassen. Ein positiver Nebeneffekt wäre dabei, dass die adaptierten Sorten damit auch besser vor Wettereinflüssen geschützt wären.
Für Laien: Wie kann man "rotlichtige Chlorophylle" in eine Pflanze "einbauen"?
Mit der Frage bewegen wir uns weit in die Molekularbiologie bzw Biochemie aber in ganz simplen Worten kann man gewisse Genabschnitte, auf deren Basis das Proteingerüst des Photosystems gebildet wird, das die Chlorophylle hält, austauschen, damit an bestimmten Positionen statt Chl a ein Chl f gebunden wird. Tatsächlich weiß ich, dass zumindest eine Forschungsgruppe in Europa basierend auf unseren Ergebnissen versucht, genau das zu machen, um in der Zukunft hoffentlich unsere Forschung vom Computer über das Labor in die Landwirtschaft zu bringen.
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