Wer zahlt künftig für die Pflege? Schärdings Gemeinden wehren sich
Der Pflegeregress ist gefallen. Nun fragt sich, wie die anfallenden Kosten im Millionenbereich kompensiert werden. Viele Gemeinden, auch im Bezirk Schärding, beschließen Resolution – sie wollen nicht zur Kasse gebeten werden.
BEZIRK SCHÄRDING (ska). Rund zwei Millionen Euro werden dem Sozialhilfeverband (SHV) Schärding künftig fehlen. Grund dafür ist die Abschaffung des Pflegeregresses. Bisher wurde, um Pflegeheimplätze zu finanzieren, auf das Privatvermögen von Altenheim-Bewohnern zurückgegriffen. Dieses darf ab 1. Jänner 2018 nicht mehr angetastet werden.
Wie Bezirkshauptmann und SHV-Obmann Rudolf Greiner mitteilt, werden von 400 Heimplätzen im Bezirk Schärding etwa 300 aus der Mindestsicherung und 100 von Selbstzahlern finanziert. "Von diesen wiederum können sich lediglich zwei Bewohner das Heim aus der Penion finanzieren. Der Rest aus Vermögen." Mehr dazu hier.
Wie sollen die fehlenden zwei Millionen Euro nun also kompensiert werden? Gemeindebundpräsident und Bürgermeister in Eggerding, Hans Hingsamer, kritisiert, dass vom Bund keine entsprechende Gegenfinanzierung kommt. Zur Zeit sehe es so aus, dass die Gemeinden in der Finanzierung alleine gelassen werden. "Aber die Folgekosten können die Gemeinden nicht tragen", ist Hingsamer überzeugt. Er spricht von bis zu fünf Millionen Euro alleine im Bezirk Schärding und einem Einnahmeausfall von rund 71 Millionen Euro in ganz Oberösterreich." Eine Rolle spiele dabei auch der zusätzliche Andrang auf Heimplätze, der jetzt noch gar nicht abzuschätzen sei.
"Da können wir zusperren."
Peter Pichler, Bürgermeister von Andorf
"Die Abschaffung des Pflegeregresses ist eine gerechte Maßnahme und bringt Entlastung für viele", sagt Hingsamer. "Aber Beschlüsse in Wien zu fassen, ohne vorher mit den Gemeinden zu verhandeln und die Auswirkungen zu kennen, ist problematisch." Der Bund müsse deshalb nun auch die Mittel bereitstellen. Mit einer Resolution möchte der Gemeindebund das bewirken.
Andorf: Bürgermeister fürchtet Mehrkosten von mehreren 100.000 Euro
In vielen Gemeinden wurde in Sitzungen diese Resolution an den Bund bereits beschlossen. Auch in Andorf: "Der Beschluss in unserem Gemeinderat war einstimmig", sagt Bürgermeister Peter Pichler auf Anfrage. "Die Entscheidung, den Pflegeregress abzuschaffen, finde ich persönlich richtig. Da hat es bisher oft die Falschen erwischt. Aber wenn im Parlament ein Gesetz beschlossen wird, dann muss es auch dafür gerade stehen – mit allem was dazugehört." Die Gemeinde Andorf habe heuer rund 1,3 Millionen Euro an den Sozialhilfeverband gezahlt. Ab 2018 rechnet der Bürgermeister mit Mehrkosten von mehreren 100.000 Euro. "Da können wir zusperren", fügt er hinzu.
Künftig wieder Zweitbettzimmer in den Altenheimen?
Von einem Ansturm auf Heimplätze könne zur Zeit noch nicht gesprochen werden, sagt Bezirkshauptmann Greiner. "Wir haben 20 dringende Fälle auf der Warteliste", teilt er mit. Aber weil bereits vermehrt Anfragen zur Abschaffung des Pflegeregresses eingehen, rechnet der SHV ab Jänner 2018 mit einem größeren Anstieg an Heimanträgen.
Um hier gegenzusteuern, wird laut Greiner der Ausbau von alternativen Wohnformen ein Schwerpunkt werden. In Kopfing und Taufkirchen etwa ist bereits geplant, je ein ViWo – Vitales Wohnen – nach Vorbild St. Marienkirchen zu errichten. Dass in Zukunft wieder Zweibettzimmer in den Altenheimen nötig werden, wie im Bezirk Rohrbach angedacht wird (siehe hier), schließt Greiner aus: "Das entspricht nicht den Wünschen unserer Bewohner und ist nicht mehr zeitgemäß."
So viel kostet ein Heimplatz im Bezirk Schärding
Ein Heimplatz in einem Alten- und Pflegeheim des Sozialhilfeverbandes kostet im Bezirk Schärding einheitlich 88 Euro am Tag. Das Entgelt für die 24-Stunden-Betreuung zuhause durch AIW (Altern in Würde) beläuft sich auf 70 bis 78 Euro je nach Pflegebedarf. Hinzu kommen Kosten für Transport, Kost und Logis. Die durchschnittliche Pflegestufe in den Heimen beträgt 4,4. Bei der Beurteilung von Heimaufnahmen nimmt der SHV auch Rücksicht auf dementielle Erkrankungen. Diese werden in der Pflegegeldeinstufung nicht immer entsprechend bewertet.
Wie einer Prognose der Statistik Austria zu entnehmen ist, werden im Bezirk Schärding im Jahr 2040 mehr als 5.000 Menschen pflegebedürftig sein – 63 Prozent mehr als heute.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.